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BFH-Urteil vom 28.4.2010 (III R 93/08) BStBl. 2010 II S. 1060
Teilnahme am Schulunterricht zur Erfüllung der Schulpflicht als
Berufsausbildung
Zur
Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG gehört
auch die Teilnahme am Schulunterricht zur Erfüllung der Schulpflicht. Das
gilt auch dann, wenn der Umfang des danach zu besuchenden Unterrichts zehn
oder weniger Wochenstunden umfasst.
EStG § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a.
Vorinstanz: FG Nürnberg vom 12. November
2008 III 103/2006 (EFG 2009, 597)
Sachverhalt
I.
1
Der im September 1985
geborene Sohn (S) des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) besuchte im
Schuljahr 2003/2004 die Jungarbeiterklasse einer Staatlichen Berufsschule.
Die Unterrichtszeit betrug acht (Schul-)Stunden pro Woche. Im Oktober 2004
begann er mit einer berufsvorbereitenden Maßnahme.
2
Auf den im Oktober 2005
gestellten Antrag des Klägers setzte die Beklagte und Revisionsklägerin
(Familienkasse) im Februar 2006 Kindergeld für S für die Zeit ab August 2004
fest und lehnte eine Festsetzung für die Monate Oktober 2003 bis Juli 2004
mit der Begründung ab, der Besuch der Jungarbeiterklasse stelle keine
Ausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes in der für den
Streitzeitraum geltenden Fassung (EStG) dar. Der Einspruch des Klägers blieb
erfolglos.
3
Das Finanzgericht (FG) gab
der auf die Festsetzung von Kindergeld für die Monate Oktober 2003 bis Juli
2004 gerichteten Klage mit Urteil vom 12. November 2008 III 103/2006
(Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 597) statt.
4
Mit ihrer Revision rügt die
Familienkasse eine Verletzung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG.
5
Zu klären sei, in welchem
Umfang Zeit und Arbeitskraft des Kindes bei einer schulischen Ausbildung,
die eine ernsthafte Vorbereitung auf das Berufsziel beinhalte, gebunden sein
müssten. Nach der Dienstanweisung zur Durchführung des
Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des
Einkommensteuergesetzes i.d.F. vom 5. August 2004 - DA-FamEStG 2004 - 63.3.2
Abs. 5 (BStBl I 2004, 742) müsse die Ausbildung Zeit und Arbeitskraft des
Kindes dermaßen in Anspruch nehmen, dass ein greifbarer Bezug zu dem
angestrebten Berufsziel hergestellt werde und Bedenken gegen die
Ernsthaftigkeit ausgeschlossen erschienen. Eine tatsächliche Unterrichts-
und Ausbildungszeit von weniger als zehn Wochenstunden könne danach nur dann
als ausreichende Ausbildung anerkannt werden, wenn Umstände vorlägen, nach
denen der zusätzliche ausbildungsbezogene Zeitaufwand über das übliche Maß
hinausgehe. Da das Gesetz keinen zeitlichen Mindestrahmen vorgebe und es
nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) auch nicht erforderlich
sei, dass die Ausbildungsmaßnahme Zeit und Arbeitskraft des Kindes
überwiegend in Anspruch nehme, stütze sich die DA-FamEStG auf die
Rechtsprechung des BFH zu Au-pair-Verhältnissen, die für die
Berücksichtigung als Berufsausbildung wöchentlich mindestens zehn
Unterrichtsstunden verlange. Die Grundsätze für Au-pair-Verhältnisse seien
nach Sinn und Zweck auch für andere Ausbildungsverhältnisse generell
anwendbar. Kindergeldrechtlich sei es unerheblich, ob die Jungarbeiterklasse
nur besucht worden sei, um die gesetzliche Schulpflicht zu erfüllen, oder ob
der Schulbesuch - wie bei Au-pair-Verhältnissen - freiwillig gewesen sei.
6
Die Familienkasse beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
7
Der Kläger beantragt, die
Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
8
Die Revision ist unbegründet und daher
zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die
Entscheidung des FG, S habe sich in den Monaten Oktober 2003 bis Juli 2004
in Ausbildung befunden, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
9
Für ein volljähriges Kind besteht nach § 62
Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, § 32
Abs. 4 Satz 2 EStG - unter weiteren, hier nicht streitigen Voraussetzungen -
Anspruch auf Kindergeld, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird.
10
In Berufsausbildung befindet sich, wer sein
Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und nachhaltig
darauf vorbereitet. Dieser Vorbereitung dienen alle Maßnahmen, bei denen
Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen erworben werden, die als Grundlage
für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind. Die
Ausbildungsmaßnahme braucht Zeit und Arbeitskraft des Kindes nicht
überwiegend in Anspruch zu nehmen (ständige Rechtsprechung, z.B.
Senatsurteil vom 2. April 2009 III R 85/08, BFHE 224, 546, BStBl II 2010,
298, m.w.N.).
11
Zur Berufsausbildung in diesem Sinne gehört
auch die Schulausbildung, an der das Kind teilnimmt, um der Schulpflicht
nachzukommen. Entgegen DA-FamEStG 200463.3.2 Abs. 5 Satz 5 (ebenso
DA-FamEStG 63.3.2 Abs. 5 Satz 5 i.d.F. vom 30. September 2009, BStBl I 2009,
1030) kommt es insoweit nicht darauf an, ob die tatsächliche Unterrichtszeit
(mindestens) zehn Wochenstunden beträgt. Entscheidend ist allein, ob das
Kind an der entsprechenden Schulausbildung teilnimmt, wie sie durch die
jeweiligen landesrechtlichen Regelungen zur Erfüllung der Schulpflicht
vorgesehen ist.
12
Die Grundsätze, die der BFH für die
Anerkennung eines Sprachschulunterrichts im Rahmen eines
Au-pair-Aufenthaltes als Berufsausbildung aufgestellt hat (vgl. BFH-Urteile
vom 9. Juni 1999 VI R 143/98, BFHE 189, 107, BStBl II 1999, 710; VI R 24/99,
BFH/NV 2000, 27; VI R 33/98, BFHE 189, 88, BStBl II 1999, 701; vom 19.
Februar 2002 VIII R 83/00, BFHE 198, 192, BStBl II 2002, 469; BFH-Beschluss
vom 31. August 2006 III B 39/06, BFH/NV 2006, 2256), finden auf die
Teilnahme am Schulunterricht zur Erfüllung der Schulpflicht keine Anwendung.
Denn anders als bei einem Sprachunterricht im Rahmen eines
Au-pair-Aufenthaltes, der auf einem freiwilligen Entschluss des Kindes
beruht und bei dem das Erfordernis der Teilnahme an einem
theoretisch-systematischen Sprachunterricht mit grundsätzlich mindestens
zehn Wochenstunden der Abgrenzung zu Urlaubsaufenthalten dient (vgl.
Senatsurteil vom 18. März 2009 III R 26/06, BFHE 225, 331, BStBl II 2010,
296), ist das Kind zur Teilnahme am Schulunterricht zur Erfüllung der
Schulpflicht verpflichtet.
13
Das FG hat seiner Entscheidung diese
Rechtsgrundsätze zugrunde gelegt und hat in Würdigung der Umstände des
Einzelfalls für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO) festgestellt, dass S im
Streitzeitraum Oktober 2003 bis Juli 2004 an einer staatlichen Berufsschule
die Fachklasse für gewerblich tätige Jungarbeiter mit einer wöchentlichen
Unterrichtsstundenzahl von acht Stunden tatsächlich und regelmäßig besucht
hat und hierzu nach den Regelungen des Bayerischen Gesetzes über das
Erziehungs- und Unterrichtswesen in Verbindung mit der im Streitzeitraum
gültigen Schulordnung für die Berufsschulen in Bayern zur Erfüllung seiner
Schulpflicht verpflichtet war.
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