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BFH-Urteil vom 20.7.2010 (IX R 45/09) BStBl. 2010 II S. 969
Anteilsveräußerung und Kaufpreisstundung
1.
Der Veräußerungsgewinn i.S. von § 17 Abs. 2 EStG entsteht grundsätzlich im
Zeitpunkt der Veräußerung, unabhängig davon, dass der Kaufpreis gestundet
wird.
2.
Eine wahlweise Zuflussbesteuerung des Veräußerungsgewinns i.S. von § 17 Abs.
2 EStG kommt nur in Betracht, wenn die wiederkehrenden Zahlungen
Versorgungscharakter haben.
EStG § 11, § 17.
Vorinstanz: FG des Saarlandes vom 13.
August 2009 2 K 1326/05
Sachverhalt
I.
1
Der im Jahre 1947 geborene
Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war alleiniger Gesellschafter der
C-GmbH, deren Stammkapital 50.000 DM betrug. Mit notariellem Vertrag vom 29.
Dezember des Streitjahres 2000 übertrug der Kläger seine Anteile an der GmbH
mit sofortiger Wirkung zum Kaufpreis von 500.000 DM an die D S.A. in
Luxemburg, deren alleinvertretungsberechtigter Verwaltungsrat er ist. Das
Gewinnbezugsrecht sollte dem Käufer mit dem 30. Dezember 2000, 0.00 Uhr,
zustehen. Nach einer privatschriftlichen Zusatzvereinbarung vom 11. Januar
2001 sollte der Kaufpreis in jährlichen Raten in Höhe von 50.000 DM gezahlt
werden, erstmals am 3. Januar 2006.
2
Im Hinblick darauf
berücksichtigte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -)
einen Veräußerungsgewinn von 450.000 DM. Auf den Einspruch des Klägers
zinste das FA den Veräußerungserlös ab und setzte die Einkommensteuer
entsprechend herab.
3
Der Klage des Klägers, mit
der er beantragte, den Einkommensteuerbescheid 2000 dergestalt zu ändern,
dass ein Veräußerungsgewinn nicht zu erfassen sei, da ein solcher erst ab
2006 zu besteuern wäre, gab das Finanzgericht (FG) statt:
4
Nach der Rechtsprechung sei
ein Wahlrecht zwischen der Erfassung des Barwertes des Rechts auf die
wiederkehrenden Bezüge im Zeitpunkt der Veräußerung oder aber der Summe der
in den Folgejahren tatsächlich zufließenden Bezüge zu eben diesen
Zeitpunkten jedenfalls dann gegeben, wenn der Veräußerungspreis in
langfristig wiederkehrenden Bezügen bestehe, die wagnisbehaftet seien oder
die Bestimmungen hauptsächlich im Interesse des Veräußerers, um dessen
Versorgung zu sichern, und nicht im Interesse des Erwerbers getroffen worden
seien (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. Juli 1984 IV R 137/82,
BFHE 141, 525, BStBl II 1984,
5
Die Vereinbarung über die
Ratenzahlung im Januar 2001 sei vor der Kaufpreiszahlung getroffen worden
und ergänze den notariellen Vertrag allein im Interesse des Klägers, da er
als alleinvertretungsberechtigter Verwaltungsrat der Käuferin den
entsprechenden Einfluss gehabt habe. Der vereinbarte Zahlungszeitraum
erstrecke sich auch über mehr als zehn Jahre. Denn der Kaufpreis sollte zwar
in zehn Jahresraten bezahlt werden. Die Zahlungen sollten jedoch erst im
Jahr 2006 beginnen, dem Jahr, in dem der Kläger das 59. Lebensjahr
vollendete, und sie sollten voraussichtlich im Jahr 2015 enden. Danach messe
der Senat der Zusatzvereinbarung Versorgungscharakter bei. Das daraus
folgende Wahlrecht habe der Kläger dahingehend ausgeübt, dass eine
Besteuerung erst im Zeitpunkt des Zuflusses der Raten zu erfolgen habe. Ein
Veräußerungsgewinn sei damit im Streitjahr 2000 nicht anzusetzen.
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Hiergegen richtet sich die
Revision des FA, die dieses auf die Verletzung materiellen Rechts stützt.
Der Veräußerungserlös sei sofort zu erfassen, weil nicht die Versorgung des
Veräußerers, sondern die Verlagerung inländischer Einkünfte nach Luxemburg
die Zusatzvereinbarung motiviert habe. Die Rechtssätze zur Ausübung des
Wahlrechts auf eine nachträgliche Besteuerung im jeweiligen
Veranlagungszeitraum des Zuflusses der Ratenzahlungen würden mangels
Wagnisbehaftung der Ratenzahlungen für den Kläger nicht greifen. Die
Ratenzahlungen seien nicht als Leibrente an das Leben des Veräußerers
gekoppelt; sie ergäben in der Summe den vertraglich vereinbarten Kaufpreis
und würden bei einem vorzeitigen Ableben des Veräußerers an dessen
Rechtsnachfolger in der verbleibenden Höhe weiterfließen. Auch fehle eine
eindeutige vertragliche Regelung, die eine Absicht des Veräußerers erkennen
lasse, sich durch die entgeltliche Übertragung der Geschäftsanteile seine
Altersversorgung zu sichern. Zudem begünstige die Ratenvereinbarung
ausschließlich die Erwerberin. Jenseits dessen würden in derartigen
langfristigen Ratenzahlungen unter fremden Dritten grundsätzlich auch
Wertsicherungsklauseln vereinbart. Im Übrigen halte die privatrechtliche
Zusatzvereinbarung zum notariellen Kaufvertrag einem Fremdvergleich nicht
stand.
7
Das FA beantragt, das Urteil
des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
8
Der Kläger beantragt, die
Revision zurückzuweisen.
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Hintergrund der
privatschriftlichen Zusatzvereinbarung vom Januar 2001 sei die Absicht, dass
der Kläger nach Möglichkeit mit 60 Jahren aus dem Arbeitsleben ausscheiden
wolle und daher seine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit wegfallen
würden.
Entscheidungsgründe
II.
10
Die Revision ist begründet. Sie führt zur
Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an
das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1
Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat auf der Grundlage
seiner Feststellungen zu Unrecht eine Versteuerung des streitbefangenen
Veräußerungsgewinns im Streitjahr abgelehnt.
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1. Veräußerungsgewinn i.S. von § 17 Abs. 1
des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG der
Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die
Anschaffungskosten übersteigt. Veräußerungskosten sind die durch die
Veräußerung wirtschaftlich veranlassten Aufwendungen.
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a) Der Veräußerungsgewinn ist grundsätzlich
für den Zeitpunkt zu ermitteln, in dem er entstanden ist. Dies ist
regelmäßig der Zeitpunkt der Veräußerung, d.h. der Zeitpunkt, zu dem das
rechtliche oder zumindest wirtschaftliche Eigentum an den veräußerten
Anteilen auf den Erwerber übergegangen ist (BFH-Urteile vom 7. März 1995
VIII R 29/93, BFHE 178, 116, BStBl II 1995, 693; vom 2. April 2008 IX R
73/04, BFH/NV 2008, 1658). Der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an
Kapitalgesellschaftsanteilen setzt nach ständiger Rechtsprechung des BFH
voraus, dass der Berechtigte alle mit der Beteiligung verbundenen
wesentlichen Rechte ausüben kann, also neben dem Gewinnbezugsrecht und der
Teilhabe an Wertveränderungen der Anteile alle Verwaltungsrechte
einschließlich des Stimmrechts (vgl. BFH-Urteil vom 18. Mai 2005 VIII R
34/01, BFHE 210, 247, BStBl II 2005, 857).
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b) Veräußerungspreis i.S. von § 17 Abs. 2
EStG ist der Wert der Gegenleistung, die der Veräußerer durch Abschluss des
- dinglichen - Veräußerungsgeschäfts am maßgebenden Stichtag erlangt; dazu
gehört alles, was der Veräußerer aus dem Veräußerungsgeschäft als
Gegenleistung erhält (BFH-Urteil in BFHE 178, 116, BStBl II 1995, 693). Der
Veräußerungspreis ist grundsätzlich ohne Rücksicht darauf anzusetzen, ob die
Veräußerung bedingt oder befristet ist oder ob der Kaufpreis gestundet ist
(Blümich/Ebling, § 17 EStG Rz 168). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung
des Veräußerungspreises ist grundsätzlich der des Vollzugs des
Veräußerungsgeschäfts (Blümich/ Ebling, § 17 EStG Rz 176); auf den Zufluss
des Entgelts kommt es nicht an (BFH-Urteil in BFH/NV 2008,
14
c) Wird eine Beteiligung i.S. von § 17 Abs.
1 Satz 1 EStG gegen eine Leibrente oder gegen einen in Raten zu zahlenden
Kaufpreis veräußert, so soll gemäß R 140 Abs. 7 der
Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1999 wie 2001 die Regelung in R 139 Abs.
11 EStR entsprechend gelten. Veräußert ein Steuerpflichtiger seinen Betrieb
gegen eine Leibrente, so kann er danach den bei der Veräußerung entstandenen
Gewinn sofort versteuern oder die Rentenzahlungen als nachträgliche
Betriebseinnahmen i.S. von § 15 i.V.m. § 24 Nr. 2 EStG behandeln.
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Soweit damit Kaufpreisraten den Leibrenten
gleichgestellt werden sollen, kann dies - unabhängig von der sachlichen
Berechtigung des Wahlrechts überhaupt (für zwingende Sofortbesteuerung
Eilers/R. Schmidt in Herrmann/Heuer/Raupach - HHR -, § 17 EStG Rz 163, S. E
86) - angesichts der dargelegten (s.o. b) - Grundsystematik der Entstehung
des Veräußerungsgewinns i.S. von § 17 Abs. 2 EStG jedenfalls nur für solche
Fallgestaltungen gelten, in denen die Kaufpreisraten nach ihrem
Versorgungscharakter einer Leibrente zumindest ähneln, es sich also nicht um
eine bloße ratenweise Kaufpreisstundung handelt; die Ratenzahlung muss
hierfür jedenfalls über einen mehr als zehn Jahre dauernden Zeitraum
vereinbart sein (so etwa Gosch in: Kirchhof, EStG, 9. Aufl., § 17 Rz 77:
"Raten mit Versorgungscharakter über einen mehr als zehn Jahre dauernden
Zeitraum").
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Der BFH hat ein Wahlrecht im dargelegten
Sinne grundsätzlich anerkannt; seine Rechtsgrundlage findet dieses Wahlrecht
in einer teleologischen Reduktion des (zwingenden) Anwendungsbereichs der §§
16, 34 EStG im Verhältnis zu § 24 Nr. 2 EStG und im Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit der Besteuerung (vgl. BFH-Urteile in BFHE 141, 525,
BStBl II 1984,
17
Übertragen auf den Regelungsbereich von §
17 EStG können Verhältnismäßigkeitsaspekte eine teleologische Reduktion von
§ 17 Abs. 2 EStG zugunsten einer fakultativen Zuflussbesteuerung aber
jedenfalls dann nicht rechtfertigen, wenn sich aus einer Vereinbarung von
wiederkehrenden Kaufpreiszahlungen nicht eindeutig deren
Versorgungscharakter im Interesse des Anteilsveräußerers ergibt. Der
Versorgungscharakter der Ratenzahlungen spiegelt sich dabei in der Antwort
auf die Frage wieder, ob ein vollständiger oder teilweiser Ausfall der
Forderung berücksichtigt werden könnte. So hat der BFH angenommen, dass
dann, wenn ein Gesellschaftsanteil gegen abgekürzte Leibrente veräußert wird
und sich der Steuerpflichtige für die Sofortversteuerung des
Veräußerungsgewinns entscheidet, der Tod des Rentenberechtigten vor dem Ende
der Laufzeit der Rente kein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung auf den
Zeitpunkt der Veräußerung darstellt (BFH-Urteil vom 19. August 1999 IV R
67/98, BFHE 190, 150, BStBl II 2000, 179). Kommt es aber bei einer
ratenweisen Kaufpreiszahlung über einen langen Zeitraum (zum Teil) zu einem
Ausfall der Kaufpreisforderung, ändert sich der steuerbare
Veräußerungsgewinn nachträglich (Großer Senat des BFH vom 19. Juli 1993 GrS
2/92, BStBl II 1993, 897). Das erlaubt bei Ratenzahlungen eine Korrektur,
wenn sie später zum Teil uneinbringlich werden (Eilers/R. Schmidt in HHR,
a.a.O.). Insoweit unterscheiden sich diese von den wagnisbehafteten
wiederkehrenden Bezügen, die an das Leben einer bestimmten Person gekoppelt
sind; bei jenen führt die Realisierung des von Beginn an bewusst in Kauf
genommenen Risikos (Tod des Rentenberechtigten) gerade nicht zu einer
rückwirkenden Änderung.
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2. Ausgehend von diesen Grundsätzen tragen
die Feststellungen des FG die Annahme einer Versteuerung des gesamten
Kaufpreises nach Zufluss nicht.
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a) Das FG hat schon nicht hinreichend
festgestellt, ob nicht - was naheliegend ist - die Vereinbarung im Januar
2001 über die Ratenzahlung getroffen wurde, nachdem der Veräußerungsgewinn
im Dezember des Streitjahres bereits entstanden und sofort zu versteuern
war. Dass die Ergänzung des notariellen Vertrags vor der Kaufpreiszahlung
getroffen wurde, ist unerheblich; sie erfolgte jedenfalls nach der
sofortigen Fälligkeit des gesamten Kaufpreises, wie sie sich nach der
notariellen Vereinbarung ergibt (§§ 271, 320 des Bürgerlichen Gesetzbuchs).
Damit wurde ein entstandener und ggf. auch fälliger Kaufpreisanspruch
nachträglich umgestaltet, nicht aber entstand der Kaufpreisanspruch mit der
in der Ratenvereinbarung geregelten Fälligkeit.
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b) Nicht geprüft und deshalb hierzu auch
keine hinreichenden tatsächlichen Feststellungen getroffen hat das FG weiter
die Frage, ob die Zusatzvereinbarung den an die steuerliche Anerkennung von
Verträgen zwischen einem Gesellschafter und einer von ihm ggf. beherrschten
Gesellschaft zu stellenden Anforderungen genügt, insbesondere, inwieweit die
Zusatzvereinbarung dem Fremdvergleich standhält. Hiergegen spricht, dass der
Kläger ggf. auf die sofortige Zahlung des gesamten Kaufpreises ohne
Gegenleistung auf lange Frist verzichtet hat.
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c) Nicht auf hinreichenden Feststellungen
beruht auch die Annahme des Versorgungscharakters der Ratenzahlung. Dass
diese deshalb allein im Interesse des Klägers erfolgt sein soll, weil er als
alleinvertretungsberechtigter Verwaltungsrat der Käuferin den entsprechenden
Einfluss gehabt habe, erscheint schon nicht schlüssig, belegt aber
jedenfalls nicht hinreichend den Versorgungscharakter.
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