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BFH-Urteil vom 28.5.2009 (III R 8/06) BStBl. 2010 II S. 346
Bei
der Ermittlung der kindergeldschädlichen Einkünfte und Bezüge des Kindes ist
eine vom Kind gebildete Rücklage nach § 7g Abs. 3 EStG 2002, die es gemäß
§ 7g Abs. 6 EStG 2002 bei seinen gewerblichen Einkünften als
Betriebsausgaben abgezogen hat, nicht entsprechend § 32 Abs. 4 Satz 4 EStG
2002 als Bezug anzusetzen.
EStG 2002 § 4 Abs. 3, § 7g Abs. 3 und
Abs. 6.
Vorinstanz: FG Düsseldorf vom 12. Januar
2006 14 K 2060/05 Kg (EFG 2006, 818)
Sachverhalt
I.
Der im Jahr 1975 geborene
Sohn (S) des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) leistete in der Zeit
vom 4. September 1995 bis 30. September 1996 seinen Zivildienst. Von
November 2000 bis Oktober 2003 absolvierte er eine Ausbildung zum
Physiotherapeuten, daneben war er als Eventmanager gewerblich tätig.
S erzielte im Jahr 2002
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 2.948 € und Einkünfte
aus Gewerbebetrieb in Höhe von 3.692 €, die er nach § 4 Abs. 3 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) 2002 durch Einnahmen-Überschussrechnung
ermittelt hatte. Bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb hatte er eine
Rücklage für die zukünftige Anschaffung eines Kfz in Höhe von 6.000 € gemäß
§ 7g Abs. 6 EStG 2002 als Betriebsausgabe abgezogen. Nachdem S sich
entschieden hatte, anstelle einer Anschaffung das Kfz im Jahr 2003 zu
leasen, löste er die Rücklage zum 31. Dezember 2003 wieder auf und
berücksichtigte sie als Betriebseinnahme.
Die Beklagte und
Revisionsklägerin (Familienkasse) setzte mit Bescheid vom 21. März 2001
Kindergeld für den Zeitraum 1. Januar 2000 bis 30. September 2003 fest.
Erst bei der Überprüfung der
Einkünfte für das Jahr 2003 wurde der Familienkasse bekannt, dass S von den
gewerblichen Einkünften im Jahr 2002 eine Rücklage von 6.000 € als
Betriebsausgabe abgezogen hatte. Die Familienkasse war der Auffassung, die
Rücklage sei nach § 32 Abs. 4 Satz 4 EStG 2002 als Bezug anzusetzen, sodass
der maßgebliche Jahresgrenzbetrag nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG 2002 in Höhe
von 7.188 € überschritten werde. Sie hob daher mit Bescheid vom 8. März 2005
die Festsetzung des Kindergeldes nach § 70 Abs. 4 EStG 2002 von Januar bis
Dezember 2002 auf. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) gab
der Klage statt und hob den Bescheid vom 8. März 2005 durch Urteil vom
12. Januar 2006 14 K 2060/05 Kg (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG -
2006, 818) auf. Eine Rücklage sei keine Sonderabschreibung i.S. des § 32
Abs. 4 Satz 4 EStG 2002 und daher nicht als Bezug anzusetzen.
Mit ihrer Revision rügt die
Familienkasse die Verletzung des § 32 Abs. 4 Satz 4 EStG 2002. Auch wenn die
Rücklage keine Sonderabschreibung i.S. des § 7a Abs. 4 EStG 2002 sei, sei
sie den in § 32 Abs. 4 Satz 4 EStG 2002 genannten Sonderabschreibungen und
erhöhten Absetzungen vergleichbar, da sie ihren Grund nicht in einer
geminderten steuerlichen Leistungsfähigkeit des Kindes habe, sondern soziale
Zwecke bzw. Subventionszwecke erfülle. Bei der Bildung der Rücklage handle
es sich lediglich um einen buchhalterischen Vorgang, der nicht die
Leistungsfähigkeit des Kindes mindere, da der entsprechende Betrag aufgrund
lediglich geplanter betrieblicher Investitionen nicht tatsächlich gebunden
sei. Der Betrag stehe vielmehr weiterhin zur Bestreitung des
Lebensunterhalts bzw. der Berufsausbildung zur Verfügung. Bei der Rücklage
werde nur die spätere Absetzung für Abnutzung in ihrer Aufwandswirkung
vorgezogen, da sie bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG 2002 im
Zeitpunkt ihrer Bildung als Betriebsausgabe behandelt werde. Daher sei die
Rücklage aufgrund ihrer Wirkung als vorweggenommene Sonderabschreibung den
in § 32 Abs. 4 Satz 4 EStG 2002 genannten Sonderabschreibungen zuzurechnen
und deshalb bei S als Bezug anzusetzen.
Die Familienkasse beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die
Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet und wird
zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Nach zutreffender Entscheidung des FG
übersteigen die Einkünfte und Bezüge des S nicht den Jahresgrenzbetrag,
sodass dem Kläger für das Jahr 2002 Kindergeld zusteht.
1. Unter weiteren - hier nicht streitigen -
Voraussetzungen hat der Kindergeldberechtigte Anspruch auf Kindergeld, wenn
das Kind Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts und der
Berufsausbildung bestimmt und geeignet sind, von nicht mehr als 7.188 € hat
(§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG 2002).
a) Der Begriff der Einkünfte ist in § 2
Abs. 2 EStG 2002 gesetzlich definiert - je nach Einkunftsart als Gewinn oder
als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten. Diese
Begriffsbestimmung gilt nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom
11. Januar 2005 2 BvR 167/02 (BVerfGE 112, 164, BFH/NV 2005, Beilage 3, 260)
grundsätzlich auch für den Begriff der Einkünfte in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG
2002 (vgl. auch Senatsurteil vom 26. September 2007 III R 4/07, BFHE 219,
112, BStBl II 2008, 738). Erzielt das Kind Einkünfte aus Gewerbebetrieb und
ermittelt seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3
EStG 2002, ist daher der Überschuss der Betriebseinnahmen über die
Betriebsausgaben bei den Einkünften anzusetzen.
b) Bezüge i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG
2002 sind alle Zuflüsse in Geld oder Naturalleistungen, die nicht im Rahmen
der einkommensteuerrechtlichen Einkünfteermittlung erfasst werden (z.B.
Senatsurteil vom 29. Mai 2008 III R 33/06, BFH/NV 2008, 1664). Nach § 32
Abs. 4 Satz 4 EStG 2002 gehören zu den Bezügen auch der
Versorgungsfreibetrag (§ 19 Abs. 2 EStG 2002), der Sparerfreibetrag (§ 20
Abs. 4 EStG 2002) sowie Sonderabschreibungen und erhöhte Absetzungen, soweit
sie die höchstmöglichen Absetzungen für Abnutzung nach § 7 EStG 2002
übersteigen.
2. Die Einkünfte des S liegen unterhalb des
Jahresgrenzbetrags.
Nach § 7g Abs. 3 EStG 2002 können
Steuerpflichtige für die künftige Anschaffung oder Herstellung von
bestimmten Wirtschaftsgütern eine den Gewinn mindernde Rücklage bilden
(Ansparabschreibung). Ermittelt der Steuerpflichtige den Gewinn nach § 4
Abs. 3 EStG 2002, ist die Bildung der Rücklage nach § 7g Abs. 6 EStG 2002
als Betriebsausgabe (Abzug) und ihre Auflösung als Betriebseinnahme
(Zuschlag) zu behandeln. Im Streitfall mindert die Rücklage daher die
gewerblichen Einkünfte des S mit der Folge, dass dessen Einkünfte aus
Gewerbebetrieb und aus nichtselbständiger Arbeit den Jahresgrenzbetrag nicht
übersteigen.
3. Eine Rücklage nach § 7g Abs. 3 EStG 2002
ist entgegen der Auffassung der Familienkasse, die zum Teil auch im
Schrifttum vertreten wird (z.B. Blümich/Heuermann, § 32 EStG Rz 116; Dötsch,
Juris Praxis-Report Steuerrecht 4/2005; Haferkamp, EFG 2004, 347), nicht als
Bezug anzusetzen.
Nach § 7g Abs. 3 EStG 2002 kann der
Steuerpflichtige "im Vorgriff auf spätere Abschreibungsmöglichkeiten"
(BTDrucks 12/4487, S. 33) zur Finanzierung künftiger Investitionen eine
Rücklage bilden. Dadurch hat er die Möglichkeit, Gewinnminderungen durch
künftige Abschreibungen (z.B. Sonderabschreibungen nach § 7g Abs. 1 EStG
2002) in die Ansparphase vorzuverlegen (Lambrecht, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 7g Rz D 1; Schmidt/Drenseck, EStG,
21. Aufl., § 7g Rz 20). Dies kommt auch in dem vom Gesetzgeber verwendeten
Begriff "Ansparabschreibung" zum Ausdruck. Dieser Begriff ist jedoch
irreführend. Denn rechtstechnisch handelt es sich bei der Ansparabschreibung
um eine den Gewinn mindernde Rücklage (Lambrecht, a.a.O., § 7g Rz D 1) und
nicht um eine unter § 7a EStG 2002 fallende Sonderabschreibung wie sie z.B.
in § 7g Abs. 1 EStG 2002 vorgesehen ist.
Die Rücklage ist auch Sonderabschreibungen
nicht gleichzusetzen. Ohne gesetzliche Grundlage kann das Ergebnis der
Einkünfteermittlung (hier der Abzug der Rücklage als Betriebsausgabe) nicht
dadurch korrigiert werden, dass die Rücklage als Bezug angesetzt wird (vgl.
Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. September 2000 VI R 85/99, BFHE
192, 485, BStBl II 2000, 684, und vom 27. Oktober 2004 VIII R 35/04, BFHE
207, 318, BStBl II 2008, 737).
Dem Ansatz der Rücklage als Bezug steht
zudem entgegen, dass nur Bezüge angesetzt werden dürfen, die zur Bestreitung
des Unterhalts und der Berufsausbildung bestimmt und geeignet sind. Durch
die zu einer Steuerstundung führende Rücklage sollen aber Mittel angespart
werden können, um dem Unternehmen die Finanzierung von Investitionen zu
erleichtern. Auch wenn die Mittel wirtschaftlich nicht gebunden sind, sind
sie aber doch in einer solchen Weise "verplant", dass sie nicht zur
Bestreitung des Lebensunterhaltes oder der Berufsausbildung des Kindes
herangezogen werden können (BFH-Urteil in BFHE 207, 318, BStBl II 2008, 737,
m.w.N.).
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