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BFH-Urteil vom 17.9.2009 (VI
R 17/08) BStBl. 2010 II S. 299
1. Wird ein fehlgeschlagenes
Mitarbeiteraktienprogramm rückgängig gemacht, indem zuvor vergünstigt
erworbene Aktien an den Arbeitgeber zurückgegeben werden, liegen negative
Einnahmen bzw. Werbungskosten vor.
2. Die Höhe des
Erwerbsaufwands bemisst sich in einem solchen Fall nach dem ursprünglich
gewährten geldwerten Vorteil; zwischenzeitlich eingetretene
Wertveränderungen der Aktien sind unbeachtlich.
EStG §§ 39b Abs. 2, 11 Abs. 1, 9 Abs. 1, 19a.
Vorinstanz: FG
Berlin-Brandenburg vom 19. März 2008 12 K 9231/07 (EFG 2008, 1280)
Sachverhalt
I.
Streitig ist, in welcher
Höhe durch die Rückgabe von im Wert gestiegenen Aktien negativer Arbeitslohn
bei der Lohnsteuer-Anmeldung für Dezember 2006 zu berücksichtigen ist.
Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist seit dem ... börsennotiert. Der
Emissionspreis für Privatanleger betrug 12 € pro Aktie. Im Vorfeld des
Börsenganges hatte die Klägerin geplant, ein Mitarbeiterbeteiligungsprogramm
auf Aktienbasis für ihre Führungskräfte aufzulegen. Dazu hatte sie einen
Antrag auf Erteilung einer Anrufungsauskunft gemäß § 42e des
Einkommensteuergesetzes (EStG) gestellt, mit der ihr bestätigt werden
sollte, dass als Bewertungsgrundlage für die Bewertung der im Rahmen des
Mitarbeiteraktienprogramms ausgegebenen Aktien ausschließlich das
Stuttgarter Verfahren anzuwenden sei. Im Laufe des Verfahrens über die
Anrufungsauskunft modifizierte die Klägerin ihr Mitarbeiteraktienprogramm
dahingehend, dass die den Mitarbeitern gewährten Aktien zurückzuübertragen
seien, wenn die beantragte Anrufungsauskunft nicht bis zum 27. Oktober 2006
vorliege.
Die Mitarbeiter der Klägerin
erhielten Aktien zum Preis von 0,25 € pro Aktie. Die Anrufungsauskunft wurde
jedoch nicht in der beantragten Form erteilt, da der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Auffassung vertrat, dass der zu
versteuernde geldwerte Vorteil aus der verbilligten Überlassung der Aktien
nach dem Börsenkurs für Privatanleger am Tag der Börseneinführung und damit
in Höhe von 11,75 € je Aktie zu bemessen sei. Am 27. November 2006 haben die
teilnehmenden Mitarbeiter der Klägerin das wirtschaftliche Eigentum an den
Aktien auf einen Treuhänder, dessen Vermögen der Klägerin zuzurechnen ist,
übertragen. Zu diesem Zeitpunkt lag der Aktienkurs bei 16,24 €. Die Klägerin
ermittelte den durch die Rückübertragung entstandenen "geldwerten Nachteil"
ihrer Mitarbeiter unter Zugrundelegung des gestiegenen Börsenkurses und
machte mit der Lohnsteuer-Anmeldung für Dezember 2006 negativen Arbeitslohn
in Höhe von 15,99 € je zugewendeter Aktie (16,24 € - 0,25 €
<Anschaffungskosten>) geltend. Das FA versagte seine Zustimmung zu dieser
Lohnsteuer-Anmeldung, die insgesamt einen Betrag in Höhe von
./. 135.526,81 € auswies, und erließ eine geänderte Lohnsteuer-Anmeldung, in
der lediglich der ursprünglich angesetzte geldwerte Vorteil in Höhe von
11,75 € rückgängig gemacht wurde. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit
den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1280 veröffentlichten Gründen
ab.
Mit der Revision rügt die
Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
Die Klägerin beantragt, das
Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 19. März 2008 12 K 9231/07 und
die Einspruchsentscheidung des FA vom 19. Juni 2007 aufzuheben sowie unter
Abänderung der Lohnsteuer-Anmeldung für Dezember 2006 vom 29. März 2007 die
Lohnsteuer in Höhe von 125.604,17 € und den Solidaritätszuschlag in Höhe von
6.935,45 € als Erstattungsbeträge festzusetzen.
Das FA beantragt, die
Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet
und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Das FG hat zu Recht darauf erkannt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf
die Festsetzung des beantragten Erstattungsbetrags in der
Lohnsteuer-Anmeldung für Dezember 2006 hat.
1. Zahlt ein Arbeitnehmer
Arbeitslohn zurück, der dem Lohnsteuerabzug unterlegen hat, so bleibt der
früher gezahlte Arbeitslohn zugeflossen (§ 11 Abs. 1 EStG; Urteile des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 7. November 2006 VI R 2/05, BFHE 215, 481,
BStBl II 2007, 315, m.w.N., und vom 7. Mai 2009 VI R 37/08, BFHE 225, 106,
BFH/NV 2009, 1513). Die zurückgezahlten Beträge sind vielmehr im Zeitpunkt
der Rückzahlung als negative Einnahmen oder Werbungskosten zu
berücksichtigen (vgl. dazu Senatsurteile vom 4. Mai 2006 VI R 33/03, BFHE
214, 92, BStBl II 2006, 911, und vom 5. Juli 2007 VI R 58/05, BFHE 218, 320,
BStBl II 2007, 774).
a) Sind Einnahmen nach § 8
Abs. 1 EStG alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und dem
Steuerpflichtigen im Rahmen einer der Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 Satz 1
Nr. 4 bis 7 EStG zufließen, so erfordert umgekehrt die Annahme negativer
Einnahmen, dass entsprechende Güter beim Steuerpflichtigen abfließen.
Werbungskosten setzen nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG u.a. Aufwendungen des
Steuerpflichtigen voraus. Des Weiteren sind Arbeitslohnrückzahlungen nur
anzunehmen, wenn es sich um Rückflüsse an den Arbeitgeber handelt, sich der
Vorgang also als "actus contrarius" zur Lohnzahlung darstellt. Denn nur dann
setzt sich der Veranlassungszusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis bei den
zurückgezahlten Beträgen fort (BFH-Urteil in BFHE 225, 106, BFH/NV 2009,
1513).
b) Zahlt ein
Steuerpflichtiger, dem Einnahmen zugeflossen sind, diese Einnahmen im
gleichen Kalenderjahr ganz oder zum Teil an seinen Arbeitgeber zurück, kann
der Arbeitgeber den als Lohn zu versteuernden laufenden Arbeitslohn (§ 39b
Abs. 2 EStG) um die zurückgezahlten Beträge kürzen und die Lohnsteuer nur
von dem die zurückgezahlten Beträge übersteigenden Arbeitslohn berechnen
(Schmidt/Drenseck, EStG, 28. Aufl., § 39b Rz 8; Trzaskalik, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 39b Rz C 12).
c) Ausgehend von diesen
Grundsätzen haben das FG und die Beteiligten die Rückübertragung der Aktien
am 27. November 2006 auf den Treuhänder zutreffend als Rückzahlung von
Arbeitslohn behandelt und in der Lohnsteuer-Anmeldung für Dezember 2006
berücksichtigt.
2. Das FG hat auch zu Recht
den laufenden Arbeitslohn für Dezember 2006 in der Lohnsteuer-Anmeldung
Dezember 2006 lediglich um den ursprünglichen, aus der verbilligten
Überlassung der Aktien ermittelten geldwerten Vorteil in Höhe von 11,75 € je
Aktie gekürzt. Nur in dieser Höhe ist den am Mitarbeiteraktienprogramm
teilnehmenden Arbeitnehmern durch die Rückgabe der Aktien Erwerbsaufwand
entstanden.
a) Dies folgt aus dem
Umstand, dass nach den unangefochtenen und damit bindenden Feststellungen
des FG wegen des Eintritts der auflösenden Bedingung - dem Ausbleiben der
begehrten Anrufungsauskunft - die verbilligt ausgegebenen Mitarbeiteraktien
von den Arbeitnehmern "zurückzuübertragen" waren. Der Rückgewähranspruch der
Klägerin richtet sich damit im Streitfall allein auf die "gegenständliche"
Rückgabe der konkret ausgegebenen Aktien. Eine Verpflichtung zum Ausgleich
von Wertveränderungen haben sich die Beteiligten des Aktienprogramms nicht
auferlegt. Die "Modifizierung des Mitarbeiteraktienprogramms" zielt
vorliegend nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt vielmehr auf die Beseitigung
der mit der Ausgabe der Aktien bewirkten Rechtsfolgen "ex tunc". Folglich
stellt sich die Rückgabe der Papiere auch nur insoweit als "actus
contrarius" zu einer Lohnzahlung und damit als durch das Arbeitsverhältnis
veranlasste negative Einnahme bzw. Erwerbsaufwand dar, als der ursprünglich
gewährte geldwerte Vorteil zurückgegeben worden ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE
225, 106, BFH/NV 2009, 1513).
b) Dass das FA die Höhe der
negativen Einnahmen nicht nach dem gemeinen Wert der Aktien zum Zeitpunkt
der Rückgabe bemessen hat, stellt deshalb keinen Verstoß gegen das objektive
Nettoprinzip dar. Insbesondere ist die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit
der am Mitarbeiteraktienprogramm teilnehmenden Arbeitnehmer durch die
Rückgabe der Aktien im Streitfall - entgegen der Auffassung der Klägerin -
nicht um den Saldo aus aktuellem Kurswert der Papiere in Höhe von 16,24 €
(üblicher Endpreis am Abgabeort bzw. gemeiner Wert) und den (historischen)
Anschaffungskosten in Höhe von 0,25 € gemindert worden. Ein solcher
Vermögenszuwachs stünde den Arbeitnehmern, selbst wenn sie ihn im Rahmen
einer abredewidrigen Anteilsveräußerung realisiert hätten, nicht zu. Denn
angesichts der "gegenständlichen" Rückgabeverpflichtung wären die
Arbeitnehmer verpflichtet gewesen, den Veräußerungserlös bis auf ihre
Anschaffungskosten in Höhe von 0,25 € an den Arbeitgeber auszukehren, selbst
wenn sie wegen des gestiegenen Aktienwertes einen Mehrerlös erzielt hätten.
Eine Vermögensmehrung hat der gestiegene Börsenkurs den Arbeitnehmern
folglich nicht vermittelt. Im Ergebnis erschöpft sich die Rückübertragung
der Aktien in der Rückgewähr des ursprünglich zugewandten geldwerten
Vorteils in Höhe von 11,75 € je Aktie. Eine darüber hinausgehende
wirtschaftliche Belastung vermag die Rückabwicklung des
Mitarbeiteraktienprogramms nicht zu bewirken, da die verbilligt erworbenen
Aktien von Anbeginn an mit der "gegenständlichen" Rückgabeverpflichtung
belegt waren.
c) § 19a EStG in der im
Streitjahr geltenden Fassung rechtfertigt das Begehren der Klägerin
ebenfalls nicht. Nach dieser Vorschrift besteht die steuerlich maßgebliche
Bereicherung des Arbeitnehmers bei der Überlassung von
Vermögensbeteiligungen in Höhe der Differenz zwischen dem gemeinen Wert der
Beteiligung (§ 19a Abs. 2 Satz 1 EStG) und - bei verbilligter Überlassung -
der Zuzahlung des Arbeitnehmers (Breinersdorfer, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 19a Rz B 13). Als Bewertungsmaßstab für
die Bemessung negativer Einnahmen kann die Vorschrift jedenfalls dann nicht
herangezogen werden, wenn - wie im Streitfall - lediglich ein zuvor
gewährter geldwerter Vorteil rückgängig gemacht werden soll.
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