| | Home | | | Index | | | EStG | | | Neuzugang | | | Impressum |
|
EuGH-Urteil
vom 28.2.2008 (C-293/06) BStBl. 2009 II S. 976 1.
Art. 52 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Art. 43 EG) in Verbindung
mit Art. 58 EG-Vertrag (jetzt Art. 48 EG) steht der Regelung eines
Mitgliedstaats entgegen, nach der bei der Festsetzung der nationalen
Besteuerungsgrundlage die Berücksichtigung eines Währungsverlusts eines in
diesem Mitgliedstaat ansässigen Unternehmens aus der Rückführung des
Dotationskapitals, das es seiner in einem anderen Mitgliedstaat belegenen
Betriebsstätte gewährt hatte, ausgeschlossen ist. 2. Art. 52
EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Art. 43 EG) in Verbindung mit Art. 58
EG-Vertrag (jetzt Art. 48 EG) steht auch einer Regelung entgegen, nach
der ein Währungsverlust als Betriebsausgabe eines in einem Mitgliedstaat
ansässigen Unternehmens nur in dem Umfang abgezogen werden darf, in dem
seine in einem anderen Mitgliedstaat belegene Betriebsstätte keine
steuerfreien Gewinne erzielt hat. EG-Vertrag
Art. 52, Art. 58. Vorlegendes
Gericht: FG Hamburg vom 8. Juni 2006 6 K 274/03 (EFG 2007, 43) Sachverhalt 1 Das
Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 52
EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Art. 43 EG) und 58 EG-Vertrag (jetzt
Art. 48 EG). 2 Dieses
Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Deutschen Shell
GmbH (im Folgenden: Deutsche Shell) und dem Finanzamt für Großunternehmen
in Hamburg (im Folgenden: Finanzamt) wegen der Art und Weise, in der die Behörden
der Bundesrepublik Deutschland die Währungsabwertung, von der das Kapital
betroffen war, mit dem das Unternehmen seine in einem anderen Mitgliedstaat
belegene Betriebsstätte ausgestattet hatte (im Folgenden:
Dotationskapital), bei der Rückführung des Kapitals steuerlich behandelt
haben. Entscheidungsgründe Rechtlicher
Rahmen Das
Doppelbesteuerungsabkommen 3 Art. 3
des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Deutschland und Italien vom 31.
Oktober 1925 (RGBl. 1925 II, S. 1146, im Folgenden: Abkommen) bestimmt: „Sachsteuern,
welche die Einkünfte aus dem Betriebe von Handel, Industrie oder sonstigem
Gewerbe jeder Art treffen, werden nur von dem Staate erhoben, in dessen
Gebiet das Unternehmen seine Betriebsstätte hat; … ... Hat
das Unternehmen Betriebsstätten in beiden vertragschließenden Staaten, so
wird jeder der beiden Staaten die Sachsteuern von dem Teile der Einkünfte
erheben, der durch die Tätigkeit der in seinem Gebiete befindlichen
Betriebsstätten erzielt wird. …“ 4 Art. 11
des Abkommens bestimmt: „Personalsteuern,
die das Gesamteinkommen des Steuerpflichtigen treffen, werden von jedem der
vertragschließenden Staaten nach folgenden Bestimmungen erhoben: (1) Auf
die Einkünfte … c) aus
dem Betriebe von Handel, Industrie und sonstigem Gewerbe einschließlich der
Einkünfte aus dem Betriebe der Seeschifffahrt, … finden
dieselben Bestimmungen Anwendung, die für diese Einkünfte in den
betreffenden Artikeln getroffen sind. …“ Das
im entscheidungserheblichen Zeitraum in Deutschland geltende Steuerrecht 5 § 1
des Körperschaftsteuergesetzes vom 11. März 1991 (BGBl. 1991 I S. 637,
im Folgenden: KStG) bestimmt: „(1) Unbeschränkt
körperschaftsteuerpflichtig sind die folgenden Körperschaften, … die
ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland haben: 1. Kapitalgesellschaften
(Aktiengesellschaften, … Gesellschaften mit beschränkter Haftung
…); … (2) Die
unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht erstreckt sich auf sämtliche Einkünfte. …“ 6 § 12
der Abgabenordnung (im Folgenden: AO) bestimmt: „Betriebstätte
ist jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines
Unternehmens dient. Als
Betriebstätten sind insbesondere anzusehen: … – Zweigniederlassungen, …“ 7 § 2a
Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes vom 7. September 1990 (BGBl. 1990 I S. 1898,
im Folgenden: EStG) bestimmt: „Sind
nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei einem unbeschränkt
Steuerpflichtigen aus einer in einem ausländischen Staat belegenen
Betriebsstätte stammende Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit von der
Einkommensteuer zu befreien, so ist auf Antrag des Steuerpflichtigen ein
Verlust, der sich nach den Vorschriften des inländischen Steuerrechts bei
diesen Einkünften ergibt, bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte
abzuziehen, soweit er vom Steuerpflichtigen ausgeglichen oder abgezogen
werden könnte, wenn die Einkünfte nicht von der Einkommensteuer zu
befreien wären, und soweit er nach diesem Abkommen zu befreiende positive
Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit aus anderen in diesem ausländischen
Staat belegenen Betriebsstätten übersteigt. … Der nach den Sätzen 1 und
2 abgezogene Betrag ist, soweit sich in einem der folgenden
Veranlagungszeiträume bei den nach diesem Abkommen zu befreienden Einkünften
aus gewerblicher Tätigkeit aus in diesem ausländischen Staat belegenen
Betriebsstätten insgesamt ein positiver Betrag ergibt, in dem betreffenden
Veranlagungszeitraum bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte
wieder hinzuzurechnen. …“ 8 § 3c
Abs. 1 EStG lautet: „Soweit
Ausgaben mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichem
Zusammenhang stehen, dürfen sie nicht als Betriebsausgaben oder
Werbungskosten abgezogen werden.“ Das
Ausgangsverfahren und die Vorlagefragen 9 Die
Deutsche Shell, eine Kapitalgesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung in
Deutschland, begründete 1974 in Italien eine Betriebsstätte für Erdgas-
und Erdöl-Exploration und ‑förderung (im Folgenden: die Betriebsstätte).
Von 1974 bis 1991 wurde die Betriebsstätte von der Klägerin mit
Finanzmitteln in Form von Dotationskapital versehen. 10 Die
Gewinnrückführungen nach Deutschland wurden jeweils unter Zugrundelegung
des Kurses der Deutschen Mark zur italienischen Lira am Tag der einzelnen
Zahlungen der Betriebsstätte an die Deutsche Shell vom fortgeschriebenen
Dotationskapital abgezogen. 11 Die
Währungsabwertung, von der das der Betriebsstätte gewährte
Dotationskapital betroffen war, wurde in Italien im Rahmen der
Gewinnbesteuerung der Betriebsstätte nicht berücksichtigt, da die
Bemessungsgrundlage für die Besteuerung in italienischen Lire festgesetzt
worden war. 12 Die
Deutsche Shell ist in Deutschland mit ihrem Welteinkommen nach Art. 1
Abs. 1 Nr. 1 KStG unbeschränkt steuerpflichtig. 13 Zum
28. Februar 1992 brachte die Deutsche Shell die Wirtschaftsgüter der
Betriebsstätte unter Aufdeckung der stillen Reserven in eine italienische
Tochtergesellschaft, die Sierra Gas Srl, ein. Die Betriebsstätte wurde mit
der Einbringung dieser Wirtschaftsgüter eingestellt. Die Deutsche Shell veräußerte
ihre Anteile an der Sierra Gas Srl noch am selben Tag an die Edison Gas SpA.
14 Der
aus diesem Verkauf erzielte Lire-Betrag wurde am 17. Juli 1992 als Rückzahlung
des Dotationskapitals an die Deutsche Shell überwiesen. 15 Die
Umrechnung des zurückgezahlten Dotationskapitals von 83.658.896.927 ITL
ergab zum Stichtagskurs, der 1.000 ITL für 1,3372 DM betrug,
einen Betrag von 111.868.677 DM. 16 Die
Deutsche Shell sah den negativen Differenzbetrag von 122.698.502 DM, der
sich aus einer Gegenüberstellung des Betrags von 111.868.677 DM mit dem
Dotationskapital ergibt, als Währungsverlust an. 17 Im
Rahmen der Berechnung des zu versteuernden Einkommens der Deutschen Shell für
das Steuerjahr 1992 erkannte das Finanzamt diesen Verlust im Körperschaftsteuerbescheid
der Deutschen Shell vom 19. September 1997 nicht an. 18 Gegen
diesen Steuerbescheid legte die Deutsche Shell am 2. Oktober 1997 Einspruch
ein. 19 Nach
Änderungen dieses Bescheids am 16. November 2001 und am 5. August 2003 aus
für das Ausgangsverfahren unerheblichen Gründen wies das Finanzamt den
Einspruch mit Entscheidung vom 7. August 2003 als unbegründet zurück. Es
war u. a. der Ansicht, die Deutsche Shell habe keinen realen
finanziellen Verlust erlitten, die Währungsabwertung, von der das
Dotationskapital betroffen sei, stelle nur einen Teil der Betriebsstättenergebnisse
dar, und das Unternehmen habe im fraglichen Steuerjahr auch unter
Einbeziehung dieser Abwertung ein positives Betriebsstättenergebnis
erzielt. 20 Am
14. August 2003 erhob die Deutsche Shell gegen die Zurückweisung ihres
Einspruchs Klage beim Finanzgericht Hamburg. 21 Vor
diesem Gericht machte die Deutsche Shell geltend, dass die Nichtabzugsfähigkeit
des Währungsverlusts im Rahmen der Körperschaftsteuer der
Niederlassungsfreiheit widerspreche. Sie werde im vorliegenden Fall
schlechter gestellt, als wenn sie das streitige Dotationskapital in eine in
Deutschland ansässige Gesellschaft investiert hätte. 22 Unter
diesen Umständen war das Finanzgericht der Meinung, dass der bei ihm anhängige
Rechtsstreit von der Auslegung der Vertragsbestimmungen über die
Niederlassungsfreiheit abhänge, und hat daher beschlossen, das Verfahren
auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung
vorzulegen: 1. Widerspricht
es Art. 52 in Verbindung mit Art. 58 EG-Vertrag, wenn die
Bundesrepublik Deutschland als Herkunftsstaat einen Währungsverlust des inländischen
Stammhauses aus der Rückführung des einer italienischen Betriebsstätte
gewährten sogenannten Dotationskapitals als Teil des Betriebsstättengewinns
behandelt und aufgrund Freistellung gemäß Art. 3 Abs. 1 und 3, Art. 11
Nr. 1 Buchst. c des Abkommens von der Bemessungsgrundlage der deutschen
Steuer ausnimmt, obwohl der Währungsverlust nicht in den für die
italienische Besteuerung zu ermittelnden Betriebsstättengewinn eingehen
kann und somit weder im Herkunftsstaat noch im Betriebsstättenstaat berücksichtigt
wird? 2. Für
den Fall, dass diese Frage zu bejahen ist: Widerspricht es Art. 52 in
Verbindung mit Art. 58 EG-Vertrag, wenn der erwähnte Währungsverlust
zwar in die Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer einzubeziehen ist, aber
nur in jenem Umfang als Betriebsausgabe abgezogen werden darf, in dem keine
Gewinne aus der italienischen Betriebsstätte steuerfrei erzielt werden? Zur
Klage Zur
ersten Frage 23 Mit
dieser Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 52 in
Verbindung mit Art. 58 EG-Vertrag der Regelung eines Mitgliedstaats
entgegensteht, nach der bei der Festsetzung der nationalen
Besteuerungsgrundlage die Berücksichtigung eines Währungsverlusts eines in
diesem Mitgliedstaat ansässigen Unternehmens aus der Rückführung des
Dotationskapitals, das es seiner in einem anderen Mitgliedstaat belegenen
Betriebsstätte gewährt hatte, ausgeschlossen ist. 24 Zum
Sachverhalt des Rechtsstreits, der zu dem Vorabentscheidungsersuchen geführt
hat, tragen das Finanzamt und die deutsche Regierung vor, dass es im
vorliegenden Fall keinen wirklichen wirtschaftlichen Verlust aufgrund des
zum Zeitpunkt der Übertragung der Betriebsstätte und der Rückführung
ihres Dotationskapitals geltenden Wechselkurses gegeben habe. Außerdem
seien die Deutsche Shell und die Betriebsstätte eine unteilbare
wirtschaftliche Einheit, und in der Konzernbilanz habe es ständig Finanzströme
im Zusammenhang mit der Entwicklung des Wechselkurses gegeben. 25 Dazu
ist festzustellen, dass es Aufgabe des vorlegenden Gerichts ist, zu
ermitteln, ob die im Ausgangsverfahren geltend gemachten
Wechselkursschwankungen zu einem Währungsverlust geführt haben, der einen
wirklichen wirtschaftlichen Verlust darstellt, der sich negativ auf die
Ergebnisse der Deutschen Shell im betreffenden Wirtschaftsjahr ausgewirkt
hat. 26 Dagegen
ist es Sache des Gerichtshofs, das Vorabentscheidungsersuchen unter
Zugrundelegung der Feststellungen des vorlegenden Gerichts zu beantworten,
und diesem alle sachdienlichen Hinweise für die Entscheidung des bei ihm
anhängigen Rechtsstreits an die Hand zu geben. 27 Somit
hat der Gerichtshof darüber zu befinden, ob im Fall eines Währungsverlusts,
der einen wirklichen wirtschaftlichen Verlust darstellt, die Entscheidung
des Finanzamts, diesen Verlust von der Besteuerungsgrundlage für dieses
Unternehmens auszunehmen, die Ausübung der Niederlassungsfreiheit behindern
kann. 28 Nach
ständiger Rechtsprechung ist als solche Behinderung jede Maßnahme
anzusehen, die die Ausübung dieser Freiheit verbietet, behindert oder
weniger attraktiv macht (vgl. Urteile vom 30. November 1995, Gebhard,
C‑55/94, Slg. 1995, I‑4165, Randnr. 37, und vom 5. Oktober 2004,
CaixaBank France, C‑442/02, Slg. 2004, I‑8961, Randnr. 11). 29 Insbesondere
hat der Gerichtshof entschieden, dass solche Behinderungen entstehen können,
wenn ein Unternehmen aufgrund steuerrechtlicher Vorschriften davon
abgehalten werden könnte, untergeordnete Einheiten – wie etwa Betriebsstätten
– in anderen Mitgliedstaaten zu gründen und seine Tätigkeiten über
diese Einheiten auszuüben (vgl. Urteile vom 13. Dezember 2005, Marks &
Spencer, C‑446/03, Slg. 2005, I‑10837, Randnrn. 32 und 33, sowie
vom 23. Februar 2006, Keller Holding, C‑471/04, Slg. 2006,
I‑2107, Randnr. 35). 30 Wie
die Generalanwältin in den Nrn. 43 und 44 ihrer Schlussanträge ausgeführt
hat, wird durch das fragliche Steuersystem das wirtschaftliche Risiko der in
einem Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft, die in einem anderen
Mitgliedstaat eine Einheit gründen möchte, erhöht, wenn dort eine andere
Währung als im Herkunftsstaat gilt. In einem solchen Fall ist das Stammhaus
nicht nur den üblichen Risiken im Hinblick auf die Gründung einer solchen
Einheit ausgesetzt, sondern hat durch deren Ausstattung mit Dotationskapital
darüber hinaus ein zusätzliches Steuerrisiko zu tragen. 31 In
Bezug auf das Ausgangsverfahren ist festzustellen, dass die Deutsche Shell
aufgrund der Ausübung der Niederlassungsfreiheit einen finanziellen Verlust
erlitten hat, der weder von den nationalen Steuerbehörden bei der
Festsetzung der Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer in Deutschland
noch im Rahmen der Besteuerung ihrer Betriebsstätte in Italien berücksichtigt
wurde. 32 Somit
stellt die im Ausgangsverfahren streitige Steuerregelung eine Behinderung
der Niederlassungsfreiheit dar. 33 In
Bezug auf eine etwaige Rechtfertigung dieser Behinderung machen das
Finanzamt und die deutsche Regierung hilfsweise geltend, dass sie aus Gründen
der Kohärenz der Steuervorschriften und der Aufteilung der Steuerhoheit
zwischen den beiden betroffenen Mitgliedstaaten gerechtfertigt sei. 34 Zum
ersten Rechtfertigungsgrund wird ausgeführt, dass die Berücksichtigung des
Währungsverlusts bei der Festsetzung der Besteuerungsgrundlage für die
Deutsche Shell in Deutschland zu einer Inkohärenz des Steuersystems führen
würde, da ein in einer vergleichbaren Situation erlangter Währungsgewinn
auch nicht berücksichtigt würde. Somit sei der Nachteil, der sich aus der
Nichtberücksichtigung eines Währungsverlusts ergebe, die logische Folge
des Vorteils, der sich daraus ergebe, dass ein Währungsgewinn ebenfalls
nicht in die Besteuerungsgrundlage einfließe. 35 Zum
zweiten Rechtfertigungsgrund wird ausgeführt, dass die Aufteilung der
Steuerhoheit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Italienischen
Republik durch das Abkommen ein legitimes Ziel sei. Die Mitgliedstaaten dürften
die Kriterien für die Aufteilung der Steuerhoheit einseitig oder durch
bilaterale Abkommen festlegen. Mit dem Abkommen hätten die beiden
Mitgliedstaaten die Einkünfte einer im Hoheitsgebiet des jeweils anderen
Vertragsstaats belegenen Betriebsstätte von der Steuer befreien wollen, so
dass eine Berücksichtigung des Währungsverlusts, um den es hier gehe,
ausgeschlossen sei. 36 Diese
beiden Gründe sind zurückzuweisen. 37 Erstens
ist zum Grund der Kohärenz der Steuervorschriften zu bemerken, dass der
Gerichtshof anerkannt hat, dass die Notwendigkeit der Wahrung einer solchen
Kohärenz eine Beschränkung der Ausübung der vom Vertrag gewährleisteten
Grundfreiheiten rechtfertigen kann (vgl. Urteile vom 28. Januar 1992,
Bachmann, C‑204/90, Slg. 1992, I‑249, Randnr. 28,
Kommission/Belgien, C‑300/90, Slg. 1992, I‑305, Randnr. 21,
Keller Holding, Randnr. 40, und vom 8. November 2007, Amurta,
C‑379/05, Slg. 2007, I‑0000, Randnr. 46). 38 Der
Gerichtshof hat jedoch entschieden, dass ein solcher Rechtfertigungsgrund
nur Erfolg haben kann, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem
betreffenden steuerlichen Vorteil und dem Ausgleich dieses Vorteils durch
eine bestimmte steuerliche Belastung besteht (vgl. Urteile vom 14. November
1995, Svensson und Gustavsson, C‑484/93, Slg. 1995, I‑3955,
Randnr. 58, vom 21. November 2002, X und Y, C‑436/00, Slg. 2002,
I‑10829, Randnr. 52, Keller Holding, Randnr. 40, sowie vom 14.
September 2006, Centro di Musicologia Walter Stauffer, C‑386/04, Slg.
2006, I‑8203, Randnrn. 54 bis 56). 39 Überdies
muss die Unmittelbarkeit dieses Zusammenhangs im Hinblick auf das mit der
fraglichen Steuervorschrift verfolgte Ziel auf der Ebene des
Steuerpflichtigen durch eine enge Wechselwirkung zwischen dem Kriterium der
Abzugsfähigkeit und dem für die Besteuerung hergestellt werden (vgl. in
diesem Sinne Urteil vom 11. August 1995, Wielockx, C‑80/94, Slg. 1995,
I‑2493, Randnr. 24). 40 Zu
der im Ausgangsverfahren fraglichen Steuerregelung ist festzustellen, dass
der Vergleich zwischen Währungsverlusten einerseits und Währungsgewinnen
andererseits nicht erheblich ist, da zwischen diesen beiden Kriterien kein
unmittelbarer Zusammenhang im Sinne der in den beiden vorstehenden
Randnummern angeführten Rechtsprechung besteht. Die Nichtberücksichtigung
eines Währungsverlusts bei der Festsetzung der Besteuerungsgrundlage für
die Deutsche Shell für das Steuerjahr 1992 wird weder durch einen
Steuervorteil in dem Mitgliedstaat, in dem diese Gesellschaft ihren Sitz
hat, noch in dem Mitgliedstaat ausgeglichen, in dem sich die Betriebsstätte
befindet. 41 Zweitens
ist zu dem Vorbringen, das sich auf die Existenz des Abkommens stützt,
durch das die Steuerhoheit zwischen den beiden betroffenen Mitgliedstaaten
aufgeteilt wird, zu bemerken, dass in Ermangelung gemeinschaftlicher
Vereinheitlichungs- oder Harmonisierungsmaßnahmen die Mitgliedstaaten auch
weiterhin befugt sind, die Kriterien für die Besteuerung des Einkommens und
des Vermögens festzulegen, um die Doppelbesteuerung gegebenenfalls im
Vertragswege zu beseitigen (vgl. Urteile vom 3. Oktober
2006, FKP Scorpio Konzertproduktionen, C‑290/04, Slg. 2006,
I‑9461, Randnr. 54, vom 12. Dezember 2006, Test Claimants in Class IV
of the ACT Group Litigation, C‑374/04, Slg. 2006, I‑11673,
Randnr. 52, und vom 18. Juli
2007, Oy AA, C‑231/05, Slg. 2007, I‑0000, Randnr. 52). 42 Diese
Befugnis beinhaltet auch, dass ein Mitgliedstaat für die Zwecke seines
Steuerrechts nicht dazu verpflichtet sein kann, die negativen Ergebnisse
einer Betriebsstätte, die in einem anderen Mitgliedstaat belegen ist und zu
einem im ersten Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen gehört, nur deshalb
zu berücksichtigen, weil diese Ergebnisse im Betriebsstättenmitgliedstaat
steuerlich nicht berücksichtigt werden können. 43 Die
Niederlassungsfreiheit kann nämlich nicht dahin verstanden werden, dass ein
Mitgliedstaat verpflichtet ist, seine Steuervorschriften auf diejenigen
eines anderen Mitgliedstaats abzustimmen, um in allen Situationen eine
Besteuerung zu gewährleisten, die jede Ungleichheit, die sich aus den
nationalen Steuerregelungen ergibt, beseitigt, da die Entscheidungen, die
eine Gesellschaft in Bezug auf die Festlegung von Unternehmensstrukturen im
Ausland trifft, im Einzelfall Vor- oder Nachteile für sie haben können
(vgl. entsprechend Urteil vom 12. Juli 2005, Schempp, C‑403/03, Slg.
2005, I‑6421, Randnr. 45). 44 Bezüglich
des Ausgangsverfahrens ist darauf hinzuweisen, dass der fragliche
Steuernachteil einen besonderen im Geschäftsgang aufgetretenen Umstand
betrifft, den nur die deutschen Steuerbehörden berücksichtigen können.
Zwar hat jeder Mitgliedstaat, der ein Abkommen zur Vermeidung der
Doppelbesteuerung geschlossen hat, dieses durch Anwendung seines eigenen
Steuerrechts durchzuführen und dementsprechend die Einkünfte zu bestimmen,
die einer Betriebsstätte zuzuordnen sind, doch darf er Währungsverluste,
die der Betriebsstätte naturgemäß nie entstehen können, nicht von der
Besteuerungsgrundlage für das Stammhaus ausnehmen. 45 Daher
ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 52 in Verbindung mit
Art. 58 EG-Vertrag der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht,
nach der bei der Festsetzung der nationalen Besteuerungsgrundlage die Berücksichtigung
eines Währungsverlusts eines in diesem Mitgliedstaat ansässigen
Unternehmens aus der Rückführung des Dotationskapitals, das es seiner in
einem anderen Mitgliedstaat belegenen Betriebsstätte gewährt hatte,
ausgeschlossen ist. Zur
zweiten Frage 46 Mit
dieser Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob, falls die erste
Frage bejaht wird, Art. 52 in Verbindung mit Art. 58 EG-Vertrag
auch einer Regelung entgegensteht, nach der der betreffende Währungsverlust
als Betriebsausgabe eines in einem Mitgliedstaat ansässigen Unternehmens
nur in dem Umfang abgezogen werden darf, in dem seine in einem anderen
Mitgliedstaat belegene Betriebsstätte keine steuerfreien Gewinne erzielt
hat. 47 Wie
aus den Ausführungen in den Randnrn. 30 und 31 des vorliegenden Urteils
hervorgeht, kann eine Beschränkung der Anrechnung der durch diese
Betriebsstätte entstandenen Währungsverluste nach Maßgabe der von ihr
erzielten Einkünfte eine Gesellschaft ebenfalls davon abhalten, ihre grenzüberschreitenden
Tätigkeiten in der Europäischen Gemeinschaft mittels einer solchen
Betriebsstätte auszuüben, und ist daher als eine Behinderung der
Niederlassungsfreiheit anzusehen. 48 In
Bezug auf eine Rechtfertigung dieser Beschränkung haben das Finanzamt und
die deutsche Regierung ihre Auffassung wiederholt, dass die Steuerregelung
aus Gründen der Kohärenz der Steuervorschriften und der Aufteilung der
Steuerhoheit zwischen den beiden betroffenen Mitgliedstaaten gerechtfertigt
sei, und die hierzu vorgebrachten Ausführungen entsprechen mehr oder
weniger den in den Randnrn. 34 bis 35 des vorliegenden Urteils
wiedergegebenen. 49 Das
Finanzamt und die deutsche Regierung sind auch der Auffassung, dass durch
die fragliche Steuerregelung eine doppelte Berücksichtigung von Verlusten
vermieden werden solle, indem Ausgaben zur Erzielung von ausländischen Einkünften,
die gemäß dem Abkommen befreit seien, nicht abgezogen werden könnten. Müsste
der Währungsverlust als Betriebsausgabe des Unternehmens in Deutschland berücksichtigt
werden, käme die Deutsche Shell in den Genuss eines doppelten
Steuervorteils, da die positiven Ergebnisse ihrer Betriebsstätte gemäß
dem Abkommen in Deutschland von der Steuer befreit seien, ohne dass der Währungsverlust
bei der Besteuerung in Italien berücksichtigt werden könnte. Mit anderen
Worten: Ein und derselbe wirtschaftliche Vorgang würde künstlich zugunsten
der Deutschen Shell aufgespaltet, da die Einkünfte der Betriebsstätte gemäß
dem Abkommen befreit seien und der Währungsverlust wie eine von den anderen
Ausgaben des Unternehmens getrennte Betriebsausgabe behandelt würde. 50 Da
zwei der vom Finanzamt und der deutschen Regierung geltend gemachten Gründe
im Wesentlichen nur eine Wiederholung ihrer Ausführungen zur ersten Frage
sind, genügt es, auf die Randnrn. 37 bis 44 des vorliegenden Urteils zu
verweisen, aus denen hervorgeht, dass die Nichtberücksichtigung des Währungsverlusts
nicht durch die oben in Randnr. 48 genannten Gründe gerechtfertigt werden
kann. 51 Zu
dem speziellen Argument, dass die Deutsche Shell aufgrund des Währungsverlusts
in den Genuss eines doppelten Vorteils kommen könnte, ist festzustellen,
dass ein Mitgliedstaat, der durch den Abschluss eines bilateralen
Steuerabkommens wie des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden auf die Ausübung
seiner Steuerhoheit verzichtet hat, sich nicht auf seine fehlende
Besteuerungsbefugnis bezüglich der Ergebnisse einer Betriebsstätte, die zu
einem in diesem Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen gehört, berufen kann,
um die Ablehnung des Abzugs solcher Betriebsausgaben dieses Unternehmens zu
rechtfertigen, die im Betriebsstättenmitgliedstaat kraft ihrer Natur nicht
berücksichtigt werden können. 52 Zudem
ist es für das Recht der Deutschen Shell, den Währungsverlust aus der Rückführung
des der Betriebsstätte gewährten Dotationskapitals in voller Höhe als
Betriebsausgabe des Unternehmens abzuziehen, unerheblich, dass diese
Betriebsstätte Gewinne erzielt hat. Andernfalls könnte der Währungsverlust
weder von dem Mitgliedstaat, in dem das Unternehmen seinen Sitz hat, noch
von dem Mitgliedstaat berücksichtigt werden, in dem die Betriebsstätte
belegen ist, da in deren Büchern, die in der nationalen Währung geführt
werden, die Währungsabwertung, von der das Dotationskapital betroffen ist,
nicht in Erscheinung tritt. 53 Daher
ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 52 in Verbindung mit
Art. 58 EG-Vertrag auch einer Regelung entgegensteht, nach der ein Währungsverlust
als Betriebsausgabe eines in einem Mitgliedstaat ansässigen Unternehmens
nur in dem Umfang abgezogen werden darf, in dem seine in einem anderen
Mitgliedstaat belegene Betriebsstätte keine steuerfreien Gewinne erzielt
hat. Kosten 54 Für
die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in
dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die
Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer
Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht
erstattungsfähig.
|