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  BFH-Urteil vom 23.7.2003 (I R 80/02) BStBl. 2003 II S. 926

1. Erteilt eine Kapitalgesellschaft ihrem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer kurz vor Vollendung seines 64. Lebensjahres eine Pensionszusage, nach der der Versorgungsfall mit Vollendung des 70. Lebensjahres eintreten soll, so sind die Zuführungen zu einer deshalb gebildeten Pensionsrückstellung regelmäßig verdeckte Gewinnausschüttungen. Das gilt auch dann, wenn die Gesellschaft in den neuen Bundesländern ansässig ist und die Zusage im Jahr 1991 erteilt hat (Abgrenzung zum Senatsurteil vom 24. April 2002 i R 43/01, BFHE 199, 157, BStBl II 2003, 416).

2. Wird der in einer Pensionszusage vorgesehene Eintritt des Versorgungsfalls durch eine spätere Änderung der Zusage hinausgeschoben, so ist für die Zeit bis zum Wirksamwerden der Änderung die Erdienbarkeit des Versorgungsanspruchs nach Maßgabe der ursprünglichen Zusage zu beurteilen (Abgrenzung zum Senatsurteil vom 19. Mai 1998 I R 36/97, BFHE 186, 226, BStBl II 1998, 689).

EStG § 6a; KStG § 8 Abs. 3 Satz 2.

Vorinstanz: Sächsisches FG vom 29. Januar 2002 6 K 486/99 (EFG 2003, 951)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine 1991 in den neuen Bundesländern gegründete GmbH, deren Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer in den Streitjahren (1991 bis 1993) G war. Sie ist aus dem früheren Einzelunternehmen des G hervorgegangen.

Im Anstellungsvertrag vom 2. Januar 1991 sagte die Klägerin dem am 30. Januar 1927 geborenen G eine Altersversorgung ab Vollendung des 70. Lebensjahrs zu. Außerdem sollte die Ehefrau des G, falls sie diesen überlebte, eine Witwenrente erhalten. Am 16. Dezember 1996 wurde durch eine Nachtragsvereinbarung die Altersgrenze für das Ruhegeld des G auf die Vollendung des 75. Lebensjahres heraufgesetzt.

Die Klägerin bildete für die Versorgungsverpflichtung eine Rückstellung. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) sah in den Zuführungen zu der Pensionsrückstellung verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA). Er erließ deshalb Steuerbescheide, in denen er die Zuführungsbeträge nicht als gewinnmindernd behandelte. Die gegen diese Bescheide gerichtete Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen; sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 951 abgedruckt.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 8 Abs. 3 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) und § 6a des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Das FA beantragt, die Revision zum Teil als unzulässig zu verwerfen und im Übrigen als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet und deshalb gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.

1. Die Verfahrensrüge der Klägerin greift nicht durch. Das FG war nicht verpflichtet, das Klageverfahren im Hinblick auf das Urteil des FG des Landes Brandenburg vom 14. März 2001 2 K 1116/98 K,F,G (EFG 2001, 708) und das hierauf folgende Revisionsverfahren (I R 43/01) gemäß § 74 FGO auszusetzen. Denn ein anderweitig anhängiger Rechtsstreit ist nicht allein deshalb i.S. des § 74 FGO vorgreiflich, weil er eine vergleichbare Rechtsfrage oder einen ähnlich gelagerten Fall betrifft (Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 74 Rz. 17, m.w.N.). Das gilt selbst dann, wenn es sich bei dem anderen Rechtsstreit um ein beim Bundesfinanzhof (BFH) geführtes Musterverfahren handelt (BFH-Beschluss vom 18. September 2002 XI B 126/01, BFH/NV 2003, 189, m.w.N.). Von einer weiteren Begründung hierzu sieht der Senat gemäß § 126 Abs. 6 FGO ab.

2. In der Sache hat das FG zu Recht entschieden, dass die Zuführungen zu der von der Klägerin gebildeten Pensionsrückstellung den steuerlich zu erfassenden Gewinn der Klägerin nicht mindern dürfen.

a) Die Pensionszusage einer Kapitalgesellschaft zu Gunsten ihres Geschäftsführers kann wegen § 8 Abs. 1 KStG nur insoweit zu einer Unterschiedsbetragsminderung führen, als die Voraussetzungen des § 6a EStG eingehalten sind. Anhaltspunkte dafür, dass es im Streitfall hieran fehlt, ergeben sich weder aus den Feststellungen des FG noch aus dem Vortrag des FA.

b) Die Zuführung zu einer Pensionsrückstellung kann jedoch aus steuerlicher Sicht eine vGA sein, die gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG das Einkommen einer Kapitalgesellschaft nicht mindern darf. Sie ist dann, soweit sie sich in der Steuerbilanz ausgewirkt und demgemäß den Bilanzgewinn gemindert hat, dem Gewinn der Gesellschaft außerhalb der Bilanz hinzuzurechnen (Senatsurteile vom 16. Dezember 1998 I R 96/95, BFH/NV 1999, 1125; vom 24. April 2002 I R 43/01, BFHE 199, 157, BStBl II 2003, 416, m.w.N.).

c) Voraussetzung für das Vorliegen einer vGA ist nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats, dass die Pensionsverpflichtung nicht allein durch das Dienstverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Begünstigten, sondern auch durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist. Das ist anzunehmen, wenn der Begünstigte zugleich Gesellschafter der Kapitalgesellschaft ist und diese einem Gesellschaftsfremden unter ansonsten vergleichbaren Umständen keine entsprechende Zusage erteilt hätte (Senatsurteile vom 8. November 2000 I R 70/99, BFHE 193, 422, BFH/NV 2001, 866; vom 29. November 2000 I R 90/99, BFHE 194, 64, BStBl II 2001, 204, und in BFHE 199, 157, BStBl II 2003, 416). Maßstab für den hiernach anzustellenden Fremdvergleich ist das Handeln eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters, der gemäß § 43 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anwendet.

d) Ob eine Pensionszusage durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst oder mit veranlasst ist, muss vorrangig das FG anhand aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls beurteilen (Senatsbeschluss vom 19. Juni 2000 I B 110/99, BFH/NV 2001, 67; Senatsurteil vom 4. September 2002 I R 48/01, BFH/NV 2003, 347, jeweils m.w.N.). Dabei muss es u.a. prüfen, ob die begünstigte Person während der ihr voraussichtlich verbleibenden Dienstzeit den Versorgungsanspruch noch erdienen kann (Senatsbeschluss in BFH/NV 2001, 67, m.w.N.). Das ist im Allgemeinen nicht anzunehmen, wenn die Zusage einem Gesellschafter-Geschäftsführer erteilt wurde und dieser im Zusagezeitpunkt das 60. Lebensjahr vollendet hatte (Senatsbeschluss vom 20. Oktober 2000 I B 74/00, BFH/NV 2001, 344, m.w.N.) oder wenn zwischen dem Zusagezeitpunkt und dem vorgesehenen Eintritt in den Ruhestand nur noch eine kurze Zeitspanne liegt (vgl. hierzu Senatsurteile vom 15. März 2000 I R 40/99, BFHE 191, 330, BStBl II 2000, 504; vom 18. August 1999 I R 10/99, BFH/NV 2000, 225, 226; vom 30. Januar 2002 I R 56/01, BFH/NV 2002, 1055, m.w.N.). In einem solchen Fall ist in der Regel davon auszugehen, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter im Interesse der Gesellschaft von der Erteilung einer Pensionszusage abgesehen hätte. Es liegt deshalb dann regelmäßig eine vGA vor.

e) Im Streitfall war G, als die Klägerin ihm die Versorgung zusagte, fast 64 Jahre alt. Zudem sollte mit Vollendung seines 70. Lebensjahres, also ca. sechs Jahre nach Erteilung der Zusage, der Versorgungsfall eintreten. Aus diesen Umständen hat das FG geschlossen, dass die Pensionszusage mangels Erdienbarkeit des Versorgungsanspruchs durch das Gesellschaftsverhältnis (mit-) veranlasst war. Diese Würdigung kann im Revisionsverfahren nur daraufhin überprüft werden, ob sie verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen ist und ob sie gegen Denkgesetze oder gegen allgemeine Erfahrungssätze verstößt (Senatsurteil vom 13. April 1988 I R 284/82, BFH/NV 1989, 395). Einen solchen Rechtsfehler weist sie nicht auf.

aa) Die Einwendungen der Klägerin geben keine Veranlassung, von der Rechtsprechung abzurücken, nach der die Vollendung des 60. Lebensjahres durch den begünstigten Gesellschafter-Geschäftsführer zumindest ein starkes Indiz für die Veranlassung einer Pensionszusage durch das Gesellschaftsverhältnis ist. Es mag richtig sein, dass sich die allgemeine Lebenserwartung im Laufe der Zeit erhöht hat. Das ändert aber nichts daran, dass mit fortschreitendem Alter das Risiko einer Minderung der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers deutlich ansteigt und dass deshalb in dieser Lebensphase unabhängig von dem konkreten Gesundheitszustand des Geschäftsführers die Erdienbarkeit des Versorgungsanspruchs in Frage gestellt ist (Senatsurteile vom 5. April 1995 I R 138/93, BFHE 177, 427, BStBl II 1995, 478; vom 17. Mai 1995 I R 66/94, BFH/NV 1995, 1092). Aus diesem Grund hat der Senat im Hinblick auf eine im Jahr 1993 erteilte Pensionszusage an der bezeichneten Rechtsprechung festgehalten (Beschluss in BFH/NV 2001, 344). Im Streitfall, in dem die Zusage im Jahr 1991 erteilt wurde, kann nichts anderes gelten.

bb) Zu Unrecht stellt die Klägerin die Annahme des FG in Frage, dass die Kürze der vereinbarten weiteren aktiven Dienstzeit des G ebenfalls für eine Veranlassung der Pensionszusage im Gesellschaftsverhältnis spricht. Denn G war kraft seiner Mehrheitsbeteiligung beherrschender Gesellschafter der Klägerin. Für einen solchen ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats ein Versorgungsanspruch grundsätzlich nur dann erdienbar, wenn zwischen der Erteilung der Pensionszusage und dem vorgesehenen Eintritt in den Ruhestand ein Zeitraum von mindestens zehn Jahren liegt (Senatsurteile in BFH/NV 2002, 1055, und in BFHE 199, 157, BStBl II 2003, 416). Diese Frist ist im Streitfall nicht gewahrt. Denn nach der in den Streitjahren vorliegenden Zusage sollte G mit Vollendung des 70. Lebensjahres in den Ruhestand treten, so dass sich der maßgebliche Zeitraum auf ca. sechs Jahre beläuft. Damit wird die regelmäßige Erdienenszeit von zehn Jahren nicht erreicht. Dies hat das FG zu Recht als zusätzlichen Anhaltspunkt für das Vorliegen einer vGA gewertet.

Dem steht nicht die von der Klägerin angestellte Erwägung entgegen, dass der Senat seine Rechtsprechung zum Erdienenszeitraum aus den Regelungen des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) abgeleitet hat und dass dieses Gesetz in den neuen Bundesländern erst mit Wirkung zum 1. Januar 1992 in Kraft getreten ist. Es ist zwar richtig, dass das BetrAVG bei Erteilung der hier maßgeblichen Zusage für die Klägerin nicht galt. Jedoch geht es bei der Frage der Erdienbarkeit im Zusammenhang mit der Prüfung einer vGA nicht um eine unmittelbare Anwendung des BetrAVG, das auf Mehrheitsgesellschafter einer Kapitalgesellschaft ohnehin nicht anwendbar ist (Senatsbeschluss vom 4. Mai 1998 I B 131/97, BFH/NV 1998, 1530; Senatsurteil in BFH/NV 2002, 1055). Die Bezugnahme auf die im BetrAVG enthaltenen Fristbestimmungen dient vielmehr ausschließlich dem Ziel, den arbeitsrechtlichen Vorschriften eine Leitlinie für die rein steuerrechtliche Beurteilung der Erdienbarkeit zu entnehmen (vgl. hierzu Senatsurteile vom 21. Dezember 1994 I R 98/93, BFHE 176, 413, BStBl II 1995, 419, 421, und in BFH/NV 2002, 1055). Diese Beurteilung erfolgt aber unabhängig von der konkreten Anwendbarkeit des BetrAVG.

Ebenso folgt der Senat nicht der Ansicht der Klägerin, dass bei der Beurteilung der Erdienbarkeit des Versorgungsanspruchs nicht auf die ursprüngliche, sondern auf die später geänderte Pensionszusage abzustellen sei. Denn für die Beurteilung des Veranlassungszusammenhangs kann es nur auf die in den Streitjahren gegebenen Verhältnisse ankommen. Die Ansicht der Klägerin, dass die Rechtsprechung des Großen Senats des BFH zur Rückwirkung nachträglicher Ereignisse im Zusammenhang mit einer Betriebsveräußerung (BFH-Beschlüsse vom 19. Juli 1993 GrS 1/92, BFHE 172, 80, BStBl II 1993, 894; vom 19. Juli 1993 GrS 2/92, BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897, 901) im Streitfall entsprechend gelte, geht fehl; im Gegenteil geht der Große Senat dort erklärtermaßen davon aus, dass bei laufend veranlagten Steuern der Eintritt neuer Ereignisse sich grundsätzlich erst in demjenigen Veranlagungszeitraum auswirkt, in dem sich der maßgebende Sachverhalt ändert (Beschluss in BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897, 901). Dieser Grundsatz gilt nur dann nicht, wenn die anzuwendende Norm ausnahmsweise eine Rückwirkung nachträglich eintretender Ereignisse vorsieht. Um eine solche Gestaltung geht es im Streitfall nicht. Daher ist für die Zeit bis zum Wirksamwerden der Änderung die Erdienbarkeit des Versorgungsanspruch nach Maßgabe der ursprünglichen Zusage zu beurteilen.

cc) Das FG hat zu Recht davon abgesehen, in die Bemessung des für die Erdienbarkeit maßgeblichen Zeitraums die Tätigkeit des G im Rahmen seines früheren Einzelunternehmens einzubeziehen. Einer Berücksichtigung dieser Tätigkeit steht der Grundsatz entgegen, dass es bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern für die Erdienbarkeit nur auf die (voraussichtliche) zukünftige Arbeitsleistung ankommt (vgl. hierzu schon Senatsurteil in BFH/NV 1989, 395). Die von der Klägerin angeführte Entscheidung zur Berechnung des Teilwerts einer Pensionsverpflichtung im Anschluss an einen Betriebsübergang (BFH-Urteil vom 10. August 1994 IV R 47/93, BFHE 175, 535, BStBl II 1995, 250) kann auf die hier in Rede stehende Problematik nicht übertragen werden.

f) Das angefochtene Urteil widerspricht nicht der von der Klägerin zitierten Entscheidung des Senats, nach der unter besonderen Umständen eine Pensionszusage zugunsten eines beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers auch dann anerkannt werden kann, wenn dessen verbleibende aktive Dienstzeit sich auf weniger als zehn Jahre belaufen soll (Senatsurteil in BFHE 199, 157, BStBl II 2003, 416). In jenem Fall ging es zum einen um einen Geschäftsführer, der bei Einräumung des Versorgungsanspruchs erst 56 Jahre alt war. Zum anderen belief sich die dort vorgesehene weitere aktive Dienstzeit des Geschäftsführers auf acht Jahre und zehn Monate. Unter diesen Umständen hatte das FG die Pensionszusage unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse in den neuen Bundesländern als nicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst angesehen, was der Senat für rechtsfehlerfrei erachtet hat. Ebenso rechtsfehlerfrei ist es aber, wenn im Streitfall das FG aus der Überschreitung der Altersgrenze von 60 Jahren und aus der verbleibenden aktiven Dienstzeit von nur noch sechs Jahren eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis abgeleitet hat. Die dagegen gerichtete Revision kann deshalb keinen Erfolg haben.