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  BFH-Urteil vom 18.4.1991 (IV R 13/90) BStBl. 1991 II S. 751

1. Zur Geltendmachung von Aufwendungen für Kleidung, die auch privat genutzt werden kann.

2. Aufwendungen einer Instrumentalsolistin für Abendkleider und schwarze Hosen können nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten geltend gemacht werden.

EStG § 4 Abs. 4, § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6, § 12 Nr. 1.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) war im Streitjahr 1984 in der Zeit vom 1. Januar bis zum 31. August nichtselbständig und in der Folgezeit selbständig als Musikerin und Solistin tätig.

Die von ihr als Betriebsausgaben geltend gemachten Aufwendungen für die Beschaffung von Bühnenkleidung erkannte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) bei der Einkommensteuerveranlagung nicht an.

Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos. Auf ihre Klage setzte das Finanzgericht (FG) die Einkommensteuer 1984 unter Berücksichtigung von Aufwendungen für zwei "Konzertkleider" (Kaufpreis 3.390 DM, bzw. 359 DM) sowie für zwei schwarze Hosen (Kaufpreis je Hose 139 DM) in Höhe von insgesamt 4.027 DM als Betriebsausgaben niedriger fest und wies die Klage im übrigen ab.

Mit seiner auf Beschwerde durch den Senat zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Das angefochtene Urteil ist aufzuheben; die Klage ist abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Aufwendungen für Kleidung sind ebenso wie Aufwendungen für Wohnung und Verpflegung grundsätzlich Kosten der Lebensführung; diese sind nach § 12 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) selbst dann nicht abzugsfähig, wenn sie zugleich der Förderung des Berufs dienen.

a) Ein Abzug als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) oder Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG) kommt nur in Betracht, wenn sich der berufsbezogene Teil der Aufwendungen nach objektiven Maßstäben zutreffend und in leicht nachprüfbarer Weise abgrenzen läßt und nicht nur von untergeordneter Bedeutung ist (vgl. Beschlüsse des Großen Senats des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 19. Oktober 1970 GrS 2/70, BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17; vom 27. November 1978 GrS 8/77, BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213 sowie Urteil vom 6. Juli 1989 IV R 91-92/87, BFHE 158, 221, BStBl II 1990, 49).

Eine derartige Abgrenzung ist in aller Regel bei Bekleidungsaufwand nicht möglich und kann selbst bei der sog. typischen Berufskleidung nicht immer angenommen werden; denn wer Berufskleidung trägt, trägt sie in vielen Fällen vorrangig deshalb, um - wie andere Menschen auch - bekleidet zu sein (Tipke, Steuer und Wirtschaft - StuW - 1979, 193, 202). Infolgedessen hat der in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG ausdrücklich zugelassene Abzug der Aufwendungen für (typische) Berufskleidung nicht nur klarstellenden, sondern zum Teil auch rechtsbegründenden Charakter (vgl. BFH-Urteil vom 20. November 1979 VI R 143/77, BFHE 129, 153, BStBl II 1980, 73).

Typische Berufskleidung liegt vor, wenn sie ihrer Beschaffenheit nach objektiv nahezu ausschließlich für die berufliche Verwendung bestimmt und wegen der Eigenart des Berufs nötig ist (vgl. BFH-Urteile vom 9. März 1979 VI R 171/77, BFHE 127, 522, BStBl II 1979, 519, und vom 6. Dezember 1990 IV R 65/90, BFHE 163, 134, BStBl II 1991, 348).

Allerdings können ausnahmsweise auch solche Kleidungsstücke zur typischen Berufskleidung gehören, die ihrer Art nach der bürgerlichen Kleidung zuzurechnen sind. Voraussetzung dafür ist jedoch, daß die Verwendung dieser Kleidungsstücke für Zwecke der privaten Lebensführung aufgrund berufsspezifischer Eigenschaften so gut wie ausgeschlossen ist.

Diese Voraussetzung hat der BFH bejaht für den Cut eines Empfangschefs, den Frack und den schwarzen Anzug eines Kellners (Urteil in BFHE 127, 522, BStBl II 1979, 519), den schwarzen Anzug eines Leichenbestatters (BFH-Urteil vom 30. September 1970 I R 33/69, BFHE 100, 243, BStBl II 1971, 50) und eines katholischen Geistlichen (BFH-Urteil vom 10. November 1989 VI R 159/86, BFH/NV 1990, 288), schließlich für die schwarze Hose eines Kellners in Verbindung mit der weißen Kellnerjacke (BFH-Urteil vom 4. Dezember 1987 VI R 20/85, BFH/NV 1988, 703). Das letztgenannte Urteil ist allerdings als Einzelfallentscheidung anzusehen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 163, 134, BStBl II 1991, 348 m. w. N.).

Liegt jedoch die Benutzung als normale bürgerliche Kleidung im Rahmen des Möglichen und Üblichen, so sind die Aufwendungen für diese Kleidung wegen des Abzugsverbots nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG ebensowenig als Betriebsausgaben oder Werbungskosten absetzbar wie die Aufwendungen für jede andere bürgerliche Kleidung, die überwiegend oder so gut wie ausschließlich im Beruf getragen wird (vgl. BFH-Entscheidungen in BFHE 129, 153, BStBl II 1980, 73 - zu einem Trachtenanzug des Geschäftsführers eines im bayerischen Stil gehaltenen Restaurants - sowie in BFHE 163, 134, BStBl II 1991, 348 - zu weißen Hemden und Schuhen eines Arztes -).

Dies gilt auch für die Steuerpflichtigen, die sich bei Arbeitsbeginn und Arbeitsende umziehen (vgl. BFH-Urteil vom 20. November 1979 VI R 25/78, BFHE 129, 149, BStBl II 1980, 75 zur Bekleidung eines Dekorateurs).

b) Nach diesen Maßgaben hat der erkennende Senat bereits entschieden, daß Aufwendungen einer selbständig tätigen Sängerin für übliche Kleidung wie Abendgarderobe, Folklorekleidung sowie Kleidung im Freizeitlook selbst dann keine Betriebsausgaben darstellen, wenn die Kleidung eigens für Bühnen- oder Fernsehauftritte beschafft und nur anläßlich dieser Auftritte getragen wurde (Urteil vom 7. Juni 1984 IV R 81/82, BFH/NV 1986, 160). Dies gilt auch, wenn die Aufwendungen infolge der beruflichen Gepflogenheiten besonders hoch sind, sofern sie nicht nach objektiven Maßstäben zuverlässig und in leicht nachprüfbarer Weise abgegrenzt werden können (BFH-Urteil in BFHE 158, 221, BStBl II 1990, 49 unter Aufgabe der teilweise gegenteiligen Ansicht im Urteil vom 11. November 1976 IV R 3/73, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK - Einkommensteuergesetz bis 1974, § 12, Rechtsspruch 402).

2. Diesen Grundsätzen entspricht die Entscheidung des FG nicht.

a) Das FG hat die Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für die beiden schwarzen Hosen allein damit begründet, die Klägerin habe diese beim Spielen des Instruments benötigt. Mit dieser Feststellung nimmt das FG offensichtlich auf die Darstellung der Klägerin Bezug, das Instrument müsse wegen seiner Größe beim Spielen zwischen die Knie genommen werden, weshalb ein Rock hinderlich sei. Das ändert jedoch nichts daran, daß es sich bei diesen Hosen um Kleidungsstücke handelt, wie sie allgemein zur Damenmode gerechnet werden.

b) Auch die von der Klägerin für ihre Auftritte mit ihrem anderen Instrument angeschafften Kleider sind entgegen der Auffassung des FG nicht der typischen Berufskleidung in dem vorbezeichneten Sinne zuzurechnen. Sie gehören vielmehr zu der sog. festlichen Garderobe, die zwar u.a. bei Auftritten von Solisten (gleich welchen Geschlechts) erwartet wird, die aber ihrer Beschaffenheit nach - auch nach dem Vortrag der Klägerin - gleichermaßen bei besonderen privaten Anlässen wie Teilnahme an Bällen, Empfängen oder ähnlichen Veranstaltungen getragen werden kann. Die Benutzung eines solchen Kleides als normale bürgerliche Kleidung liegt im Rahmen des Möglichen und Üblichen. Ist aber eine private Nutzungsmöglichkeit der Kleidung objektiv nicht so gut wie ausgeschlossen, fehlt es für die Abzugsfähigkeit der insoweit entstandenen Aufwendungen an der erforderlichen Abgrenzbarkeit zu den nicht berücksichtigungsfähigen Aufwendungen für die private Lebensführung nach zuverlässigen objektiven und leicht nachprüfbaren Maßstäben; ohne eine derartige Abgrenzungsmöglichkeit ist eine ggf. teilweise Zurechnung der Aufwendungen zu den Werbungskosten oder Betriebsausgaben mit dem Regelungsgehalt des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG unvereinbar (vgl. BFH-Urteil in BFHE 158, 221, BStBl II 1990, 49 m. w. N.).

Danach kann Aufwand für Kleidung, die auch oder ggf. vorrangig zur Nutzung aus beruflichen Gründen erworben wurde, schon dann nicht mehr den Betriebsausgaben oder Werbungskosten zugerechnet werden, wenn - wie im Streitfall - eine private Nutzungsmöglichkeit auch nur bei gelegentlichen besonderen privaten Anlässen, objektiv nicht ganz oder jedenfalls nicht nahezu ausgeschlossen werden kann.

Das FG-Urteil war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).