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BFH-Urteil vom 19.4.1989 (II R 27/86) BStBl. 1989 II S. 627

Die Eigenschaft als Stiefkind i.S. des § 3 Nr. 6 Satz 2 GrEStG Baden-Württemberg bzw. GrEStG 1983 ist nicht vom Fortbestand der Ehe abhängig, durch welche das Stiefkindverhältnis begründet wurde.

GrEStG Baden-Württemberg (GrEStG 1983) § 3 Nr. 6 Satz 2.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

I.

Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 15. Oktober 1982 erwarb der Kläger von Herrn K ein Erbbaurecht. Herr K war der Ehemann der am 25. April 1978 verstorbenen Mutter des Klägers gewesen.

Der Vertrag wurde am 20. April 1983 durch den Grundstückseigentümer genehmigt.

Das beklagte Finanzamt (FA) setzte Grunderwerbsteuer (7 v.H. der Gegenleistung) fest. Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 6 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) verweigerte es mit der Begründung, die das Stiefkindschaftsverhältnis begründende Ehe habe bei Vertragsschluß nicht mehr bestanden; denn die Mutter des Klägers sei schon vorher (am 25. April 1978) gestorben.

Der Einspruch führte nur zu einer Herabsetzung der Steuer. Das FA war nunmehr der Auffassung, daß der Vorgang nach dem GrEStG 1983 mit (nur) 2 v.H. statt 7 v.H. der Gegenleistung zu besteuern sei; denn der Grundeigentümer habe den Vertrag erst am 23. April 1983 nach dem Inkrafttreten des GrEStG 1983 genehmigt.

Das Finanzgericht (FG) hob den Steuerbescheid und die Einspruchsentscheidung auf. Der Erwerb sei nach § 3 Nr. 6 GrEStG steuerfrei, auch wenn die das Stiefkindschaftsverhältnis begründende Ehe bei Abschluß des Vertrages und bei dessen Genehmigung durch den Grundeigentümer wegen des vorangegangenen Todes der Mutter des Klägers nicht mehr bestanden habe.

Mit der vom FG zugelassenen Revision beantragt das FA, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des FA ist unbegründet.

Es kann offenbleiben, ob im vorliegenden Fall das GrEStG Baden-Württemberg oder das GrEStG 1983 anzuwenden ist. Das hängt davon ab, ob der Erwerbsvorgang i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 GrEStG 1983 (entsprechend dem Vertragsdatum vom 15. Oktober 1982) vor dem 31. Dezember 1982 oder (mit Rücksicht auf die Genehmigung des Grundstückseigentümers am 20. April 1983) nach diesem Termin "verwirklicht" worden ist. Zwar hatte diese letztgenannte Genehmigung insoweit, als sie gemäß § 14 Nr. 2 GrEStG 1983 eine evtl. zu erhebende Steuer entstehen ließ, keinen Einfluß auf diese "Verwirklichung" (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17. September 1986 II R 155/84, BFH/NV 1987, 807). Diese setzte aber voraus, daß die Vertragspartner im Verhältnis zueinander gebunden waren. Ob diese Bindung schon bestand, bevor der Grundstückseigentümer den Vertrag genehmigte, ist zweifelhaft (vgl. das vorgenannte BFH-Urteil und den Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz 1983 von Boruttau/Egly/Sigloch, 12. Aufl., § 23 Rdnr. 26).

Der Senat braucht auf diese Frage nicht einzugehen, weil § 3 Nr. 6 GrEStG Baden-Württemberg und § 3 Nr. 6 GrEStG 1983 denselben Wortlaut und materiell denselben Inhalt haben, soweit die Stiefkinder den Kindern bzw. Abkömmlingen gleichgestellt werden.

Der Kläger war - wie das FG zu Recht entschieden hat - bei dem Abschluß und bei der Genehmigung des Vertrages durch den Grundstückseigentümer Stiefkind des Herrn K im Sinne der beiden genannten Vorschriften.

Der Begriff "Stiefkind" wird nicht im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), sondern nur in einigen Steuergesetzen verwendet, ohne daß diese eine Erläuterung erkennen lassen. Er ist demnach entsprechend dem Sinn und Zweck des jeweiligen Gesetzes auszulegen. Die hier auszulegenden Vorschriften des § 3 Nr. 6 GrEStG Baden-Württemberg und GrEStG 1983 haben ihren Grund darin, daß ein Ehepartner auch zu solchen Kindern, die nur von dem anderen Teil abstammen und keine gemeinsamen Kinder sind, tatsächliche (persönliche) Bindungen haben kann; diese Beziehungen sollen in gleicher Weise wie diejenigen zwischen Eltern und ihren leiblichen Kindern grunderwerbsteuerrechtlich begünstigt werden. Es gilt hier nichts anderes als bei den Stiefkindern nach § 10 Abs. 1 Steuerklasse I Nr. 2 Buchst. d des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) 1959 (jetzt § 15 Abs. 1 Steuerklasse I Nr. 2 Buchst. c ErbStG 1974), zu deren erbrechtlicher Stellung der Senat sich in den Urteilen vom 31. Januar 1973 II 30/65 (BFHE 109, 73, BStBl II 1973, 453) und (vom selben Tag) II R 10/68 (BFHE 109, 76, BStBl II 1973, 454) bereits geäußert hat.

Stiefkinder i.S. des § 3 Nr. 6 GrEStG Baden-Württemberg und GrEStG 1983 sind daher die leiblichen Kinder des anderen Ehepartners. Entsprechend den für die Steuerbefreiung maßgebenden (vom Gesetzgeber unterstellten) Beziehungen ist es unerheblich, ob die Ehe zur Zeit des Erwerbsvorganges noch besteht oder infolge Tod oder Scheidung beendet ist. Denn vom Fortbestand der Ehe sind die Beziehungen, welche der Gesetzgeber als begünstigenswert ansieht, nicht abhängig. Dementsprechend hat es der Senat auch in dem Urteil in BFHE 109, 76, BStBl II 1973, 454 als unschädlich angesehen, daß bei dem Eintritt des Erbfalles der Ehepartner, von dem das erbende Stiefkind abstammte, schon vorher gestorben war.