| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

 

BFH-Urteil vom 17.2.1987 (VII R 45/83) BStBl. 1987 II S. 504

Kein Verwaltungsakt ist die Ausstellung eines Ersatzbelegs über zu entrichtende oder entrichtete Einfuhrumsatzsteuer und die "Ungültigerklärung" eines solchen Ersatzbelegs durch das HZA mit dem Hinweis, Einfuhrumsatzsteuer sei nicht entrichtet worden.

FGO § 40 Abs. 1; AO 1977 § 118; UStG 1973 § 22 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 4; 1. UStDV § 10.

Vorinstanz: FG Düsseldorf

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) führte in den Monaten September und Oktober 1977 Waren in die Bundesrepublik Deutschland ein. Die Waren wurden im vereinfachten Verfahren (Zollbehandlung ohne Abfertigung) der Spedition T (im folgenden: Spedition) durch Anschreibung im Namen der Klägerin in den freien Verkehr überführt. Aufgrund eines vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt - HZA -) ausgestellten Ersatzbelegs zahlte die Klägerin der Spedition im Wege des Aufwendungsersatzes einen Betrag für Einfuhrumsatzsteuer. Die Spedition führte die Einfuhrumsatzsteuer zum Fälligkeitszeitpunkt nicht ab, weil sie inzwischen zahlungsunfähig geworden war. Daraufhin nahm das HZA die Klägerin auf Zahlung der mit der Anschreibung entstandenen Einfuhrumsatzsteuer in Anspruch. Nachdem die Klägerin eingewandt hatte, sie habe die Spedition nicht beauftragt, in ihrem Namen tätig zu werden, hob das HZA mit Bescheid vom 23. Dezember 1977 die Steuerfestsetzung gegen die Klägerin auf und erklärte zugleich "die für den Vorsteuerabzug ausgestellten Ersatzbelege ... über zusammen 32.355,97 DM Einfuhrumsatzsteuer für ungültig ...". Gegen diese Ungültigkeitserklärung des HZA legte die Klägerin Beschwerde mit dem Begehren ein, sie ersatzlos aufzuheben. Die Beschwerde hatte keinen Erfolg.

Mit ihrer Klage beantragt die Klägerin, den Bescheid vom 23. Dezember 1977 sowie die Beschwerdeentscheidung aufzuheben. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das FG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Klage ist unzulässig.

1. Die Klägerin hat eine Anfechtungsklage erhoben, da sie die (teilweise) Aufhebung des Bescheides des HZA vom 23. Dezember 1977 beantragt hat. Durch eine Anfechtungsklage kann "die Aufhebung ... eines Verwaltungsaktes ... begehrt werden" (§ 40 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Der Bescheid des HZA vom 23. Dezember 1977 ist aber in dem Teil, gegen den sich die Klage richtet, kein Verwaltungsakt.

Der Bescheid vom 23. Dezember 1977 hat zwei voneinander zu unterscheidende Inhalte. In seinem Satz 1 hebt er die gegen die Klägerin erlassenen Einfuhrumsatzsteuerbescheide auf. Insoweit liegt ein Verwaltungsakt vor. Diesen hat die Klägerin jedoch nicht angegriffen. Im Satz 2 des Bescheides vom 23. Dezember 1977 hat das HZA 12 Ersatzbelege "für ungültig erklärt". Nur insoweit hat die Klägerin gegen den Bescheid Beschwerde und Klage erhoben. Insoweit fehlt dem Bescheid aber die Eigenschaft eines Verwaltungsakts (vgl. § 118 AO 1977). Er ist vielmehr eine reine Wissenserklärung (Tatsachenmitteilung) ohne Regelungscharakter (vgl. auch Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 118 AO 1977 Anm. 9).

Nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG 1973 hat ein Unternehmer unter bestimmten Voraussetzungen einen Rechtsanspruch auf Abzug der entrichteten Einfuhrumsatzsteuer für Gegenstände, die für sein Unternehmen eingeführt worden sind. Dieser Anspruch ist im Rahmen der Steuerberechnung nach § 16 UStG 1973 steuermindernd zu berücksichtigen. Der Unternehmer hat die Voraussetzungen dieses umgekehrten und verfahrensrechtlich unselbständigen Steueranspruchs zu schaffen und trägt für das Vorliegen der den Anspruch begründenden Tatsachen die objektive Beweislast (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 19. Oktober 1978 V R 39/75, BFHE 127, 71, 74, BStBl II 1979, 345). Nach § 22 Abs. 1 UStG 1973 ist der Unternehmer verpflichtet, zur Feststellung der Steuer und der Grundlagen ihrer Berechnung Aufzeichnungen zu machen. Aus diesen müssen u. a. die eingeführten Gegenstände und die für die Einfuhr entrichtete oder im Fall des Zahlungsaufschubs zu entrichtende Einfuhrumsatzsteuer zu ersehen sein (§ 22 Abs. 2 Nr. 4 UStG 1973). Dieser Aufzeichnungspflicht ist genügt, wenn die Einfuhrumsatzsteuer mit einem Hinweis auf einen zollamtlichen Beleg aufgezeichnet wird (§ 10 der Ersten Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1967). Für den Fall, daß der Unternehmer, für dessen Unternehmen die Waren eingeführt worden sind, nicht im Besitz eines entsprechenden Belegs ist (z. B. weil er nicht selbst Schuldner ist), ist es erforderlich, daß er als Unterlage für den Abzug der Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer einen amtlichen Ersatzbeleg erhält (vgl. die Dienstanweisung zur Einfuhrumsatzsteuer im Bundeszollblatt - BZBl - 1967, 1323, Abschn. H, in der im maßgebenden Zeitpunkt geltenden Fassung; jetzt Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung - VSF - Z 8234 Abs. 2).

In diesen rechtlichen Rahmen fallen die durch den angefochtenen Bescheid "zurückgenommenen", vom HZA ausgestellten Ersatzbelege. Diese Belege enthalten Angaben über bestimmte Tatsachen (Warenart, Warenmenge, Besteuerungsgrundlage, Höhe der zu entrichtenden oder entrichteten Einfuhrumsatzsteuer; vgl. z. B. das Muster im BZBl 1967, 1339). Der Ersatzbeleg enthält also eine reine Wissenserklärung der Behörde; seine Ausstellung ist eine tatsächliche Handlung. Der Ersatzbeleg enthält keine rechtliche Regelung und erfüllt damit nicht die Anforderungen, die an einen Verwaltungsakt zu stellen sind (vgl. § 118 AO 1977). Folgerichtig ist dann aber auch jede Berichtigung, jede Ergänzung und jeder Zusatz in bezug auf einen solchen Ersatzbeleg nur eine Wissenserklärung bzw. tatsächliche Handlung der Verwaltung, aber keine rechtliche Regelung i. S. des § 118 AO 1977. Nur eine solche zusätzliche Wissenserklärung zu dem ursprünglichen Ersatzbeleg hat aber das HZA in dem Bescheid vom 23. Dezember 1977 abgegeben, soweit dieser Gegenstand des Verfahrens ist.

Das FG hat den genauen Inhalt des Ersatzbelegs nicht ausdrücklich festgestellt. Es ist aber nach den Ausführungen der Vorentscheidung nicht zweifelhaft, daß er Angaben über die zu entrichtende Einfuhrumsatzsteuer enthält. Die angefochtene "Ungültigkeitserklärung" läßt keinen Zweifel daran, daß das HZA damit die Tatsache klarstellen wollte, daß die Einfuhrumsatzsteuer der Bundeskasse nicht zugeflossen ist, also i. S. des § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG 1973 endgültig nicht "entrichtet" worden ist. Das ist lediglich eine Wissenserklärung und bedeutet allenfalls eine Ergänzung der tatsächlichen Angaben in den ursprünglichen Ersatzbelegen, in denen von zu entrichtender Einfuhrumsatzsteuer die Rede war. Im rechtlichen Ergebnis waren damit die Ersatzbelege für den Nachweis einer abzugsfähigen Vorsteuer ungeeignet. Das macht verständlich, daß das HZA die Ersatzbelege "für ungültig erklärt" hat. Diese Ausdrucksweise ändert aber nichts daran, daß es sich allein um eine Wissenserklärung handelt. Diese Auffassung wird von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) bestätigt. Danach liegt kein Verwaltungsakt vor, wenn die Behörde zur Vorbereitung der Entscheidung einer anderen Behörde (hier des für die Umsatzsteuerveranlagung der Klägerin zuständigen Finanzamts - FA -) eine Bescheinigung darüber ausstellt, ob eine bestimmte Tatsache vorliegt oder nicht vorliegt (vgl. BVerwG-Urteil vom 10. Mai 1984 3 C 68.82, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 310, § 42 VwGO, Nr. 123, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung).

Der angefochtene Bescheid des HZA enthält also keine rechtliche Regelung eines Einzelfalls im Sinne der Definition des Verwaltungsakts in § 118 AO 1977. In Frage käme nur eine Entscheidung über die steuermindernde Wirkung der für die betreffenden Wareneinfuhren zu zahlenden Einfuhrumsatzsteuer bei der Umsatzsteuerveranlagung der Klägerin. Daß das HZA eine solche Entscheidung nicht hat treffen wollen, ergibt sich schon daraus, daß das HZA für die Veranlagung der Klägerin zur Umsatzsteuer offensichtlich nicht zuständig war. Die Richtigkeit dieser Auffassung wird auch von der Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion (OFD) bestätigt. Die OFD hat in der Begründung dieser Entscheidung ausdrücklich darauf hingewiesen, daß Ersatzbelege nicht rechtsbegründend seien, sondern ausschließlich als Nachweisunterlagen dienten und die Zollbehörde verpflichtet sei, neue Tatsachen durch die Ungültigerklärung der Nachweisunterlagen zu berücksichtigen. Überdies wäre die Ungültigerklärung des HZA auch dann nicht als ein Verwaltungsakt anzusehen, wenn das HZA (irrtümlich) der Ansicht gewesen wäre, es hätte einen Einzelfall in bezug auf die Klägerin geregelt. Denn dadurch allein kann eine Tatsachenmitteilung der Behörde nicht die Eigenschaft eines Verwaltungsakts erlangen.

Der Bescheid des HZA vom 23. Dezember 1977 ist auch nicht dadurch zum Verwaltungsakt geworden, daß er die Form eines solchen hat und mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen ist. Das kann darauf zurückzuführen sein, daß dieser Bescheid in seinem ersten, von der Klägerin nicht angegriffenen Teil (Aufhebung des ursprünglichen gegen die Klägerin erlassenen Steuerbescheides) in der Tat ein Verwaltungsakt ist. Überdies kann die äußere Form allein einer Auslassung der Verwaltung nicht die Eigenschaft eines Verwaltungsakts verleihen, wenn sie die Voraussetzungen des § 118 AO 1977 nicht erfüllt (vgl. auch Eyermann/Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 8. Aufl., § 42 Anm. 11 a Abs. 2, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Auch die Rechtsbehelfsbelehrung des FA vermag trotz des Umstandes, daß sie sich offenbar nur auf den Teil des Bescheides bezieht, der die "Ungültigkeitserklärung" enthält, dem Bescheid nicht die Eigenschaft eines Verwaltungsakts zu verleihen (vgl. auch die ständige BFH-Rechtsprechung, wonach eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung nicht zur Folge haben kann, daß ein unzulässiges Rechtsmittel als zulässig zu behandeln ist, z. B. Urteil vom 3. September 1964 II 106/64, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1965, 73). Schließlich ist der angegriffene Bescheid auch nicht durch die Beschwerdeentscheidung der OFD zum Verwaltungsakt geworden. Gegenstand einer Anfechtungsklage ist der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch die Rechtsbehelfsentscheidung gefunden hat (§ 44 Abs. 2 FGO). Die Beschwerdeentscheidung der OFD hat aber den Bescheid des HZA inhaltlich nicht verändert.

2. Es ist streitig, ob eine Anfechtungsklage - wie es der Wortlaut des § 40 Abs. 1 FGO nahelegt - von vornherein unzulässig ist, wenn, wie hier, ein Verwaltungsakt nicht gegeben ist (so die ständige Rechtsprechung des BFH und des BVerwG; BFH-Urteile vom 26. März 1969 VII R 16/67, BFHE 95, 426, BStBl II 1969, 470; vom 27. Januar 1972 IV R 157/71, BFHE 105, 1, BStBl II 1972, 465, und vom 18. Juni 1975 I R 92/73, BFHE 116, 261, BStBl II 1975, 779; BVerwG-Urteile in Buchholz, a. a. O., 310, § 42 VwGO Nr. 123, und vom 28. Oktober 1970 VI C 48.68, BVerwGE 36, 192, 194; vgl. auch Redeker/von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, 8. Aufl., § 42 Anm. 10), oder ob es für die Zulässigkeit einer Anfechtungsklage ausreicht, wenn der Kläger das Vorliegen eines Verwaltungsakts behauptet, während die Frage, ob es sich tatsächlich um einen solchen handelt, zur Begründung gehört (so Eyermann/Fröhler, a. a. O., § 42 Anm. 11 und 11 a; Kopp, Verwaltungsgerichtsordnung, 7. Aufl., § 42 Anm. 32; Maunz, Bayerische Verwaltungsblätter 1961, 30; wohl auch von Wallis in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 40 FGO Anm. 27). Der Senat braucht zu dieser Frage nicht Stellung zu nehmen. Denn auch wenn der Senat der letztgenannten Auffassung folgte, bliebe die Klage unzulässig. Auch bei Zugrundelegung des Vortrags der Klägerin ergibt sich nämlich nichts für die Verwaltungsakteigenschaft der "Ungültigkeitserklärung" des HZA. Der Vortrag der Klägerin beschränkt sich im wesentlichen darauf, daß in ihrem Fall der Vorsteuerabzug berechtigt sei, was über die Verwaltungsakteigenschaft des angefochtenen Bescheides nichts aussagt.

Überdies ergibt sich aus den obigen Ausführungen auch, daß die Klage, wäre sie als zulässig zu erachten, jedenfalls unbegründet wäre. Denn es gibt keine Rechtsnorm, die der Klägerin einen Rechtsanspruch auf Aufhebung einer Wissenserklärung des HZA vermittelte. Es bedarf daher auch keines Eingehens auf die Frage, ob der Klageantrag in eine allgemeine Leistungsklage umgedeutet werden konnte (vgl. BVerwG-Urteil vom 22. Mai 1980 2 C 30.78, Buchholz, a. a. O., 232, § 26 BBG Nr. 20).