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BFH-Urteil vom 28.11.1986 (III R 1/86) BStBl. 1987 II S. 490

Verpflegungsmehraufwendungen, die einem Steuerpflichtigen anläßlich der Unterbringung seines Kindes in einer Kindertagesstätte entstehen, sind keine Aufwendungen für Dienstleistungen zur Beaufsichtigung oder Betreuung eines Kindes, sondern Unterhaltsaufwendungen, die durch die Regelungen über den Kinderlastenausgleich abgegolten sind.

EStG 1979 § 33a Abs. 3 Nr. 1; EStG 1983 § 53a.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg (EFG 1986, 128)

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die beide berufstätig sind und für das Streitjahr 1980 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden. Im Jahre 1980 hatten sie ihren damals zweijährigen Sohn in einer Kindertagesstätte untergebracht und dafür Aufwendungen von 1.056 DM für die Unterbringung und 495 DM für die Verpflegung des Kindes geleistet. Diese Kosten machten sie in ihrer Einkommensteuererklärung 1980 als außergewöhnliche Belastung geltend (§ 33a Abs. 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung des Steueränderungsgesetzes 1979 vom 30. November 1978 - EStG 1979 -, BGBl I, 1849). Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte nur die Aufwendungen für die Unterbringung als Kinderbetreuungskosten und versagte den Abzug für die Verpflegungskosten. Den dagegen gerichteten Einspruch wies das FA als unbegründet zurück.

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1986, 128 veröffentlichten Urteil die Auffassung, die Verpflegung des Kindes sei ebenfalls eine Betreuungsmaßnahme. Die Aufwendungen hierfür seien gekürzt um die Haushaltsersparnis als Kinderbetreuungskosten abziehbar.

Mit seiner vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Es macht geltend, die Verpflegungskosten seien keine Aufwendungen für Dienstleistungen zur Betreuung oder Beaufsichtigung eines Kindes, sondern Lebenshaltungskosten, die steuerlich nicht abzugsfähig seien.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Das FG hat die geltend gemachten Aufwendungen für Verpflegung zu Unrecht als außergewöhnliche Belastung im Rahmen des § 33a Abs. 3 Nr. 1 EStG 1979 (Kinderbetreuungskosten) berücksichtigt.

Nach § 33a Abs. 3 Nr. 1 EStG 1979 kann der Steuerpflichtige Aufwendungen für Dienstleistungen zur Beaufsichtigung oder Betreuung eines Kindes i. S. des § 32 Abs. 4 EStG bis zu 1.200 DM für jedes Kind, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abziehen.

1. Die Ausgaben der Kläger für die Beköstigung ihres Kindes anläßlich der Unterbringung in einer Kindertagesstätte sind keine Aufwendungen für Dienstleistungen zur Beaufsichtigung oder Betreuung eines Kindes.

a) Für den Senat folgt dies aus einer am Wortlaut des § 33a Abs. 3 Nr. 1 EStG 1979 orientierten Auslegung der aus verschiedenen Einzelbegriffen zusammengesetzten Tatbestandsvoraussetzung "Aufwendungen für Dienstleistungen zur Beaufsichtigung oder Betreuung eines Kindes". Danach fällt zwar auch die Verpflegung eines Kindes unter den Begriff der "Betreuung" als einer Maßnahme der Personensorge, denn "betreuen" heißt "für jemanden sorgen" (Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch 1980, 1. Band, S. 654). Die mit diesem Tatbestandsmerkmal umschriebene Personensorge umfaßt nach § 1631 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) die Pflege und Erziehung und damit insbesondere auch die Ernährung eines Kindes. § 33a Abs. 3 Nr. 1 EStG 1979 begünstigt jedoch nicht unterschiedslos alle mit der Betreuung eines Kindes zusammenhängenden Ausgaben, sondern nur die Aufwendungen für Dienstleistungen zur Betreuung (oder Beaufsichtigung) des Kindes. Wie der Senat in seinem Urteil vom 29. August 1986 III R 209/82 (BFHE 148, 22, BStBl II 1987, 167) entschieden hat, wird der Begriff der Aufwendungen in § 33a Abs. 3 Nr. 1 EStG 1979 durch die Beifügung der weiteren Tatbestandsmerkmale "Dienstleistungen" und "Beaufsichtigung oder Betreuung" erkennbar eingeschränkt. Abziehbar sind danach nur die Aufwendungen, die als Entgelt für die Dienstleistungen erbracht werden. Aufwendungen für Sachleistungen werden selbst dann nicht von § 33a Abs. 3 Nr. 1 EStG 1979 erfaßt, wenn diese Sachleistungen mit Dienstleistungen in einem engen Zusammenhang stehen. Dementsprechend hat der Bundesfinanzhof (BFH) Fahrtkosten, die einem Steuerpflichtigen dadurch entstanden sind, daß er sein Kind zu einer Betreuungsperson bringt, nicht als Aufwendungen für Dienstleistungen zur Beaufsichtigung oder Betreuung des Kindes anerkannt (Urteil in BFHE 148, 22, BStBl II 1987, 167).

b) Auch die weiteren das Senatsurteil in BFHE 148, 22, BStBl II 1987, 167 tragenden systematischen Erwägungen sprechen im Streitfall gegen eine Anerkennung der Verpflegungskosten als außergewöhnliche Belastung. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind Leistungen Unterhaltsverpflichteter in Erfüllung ihrer Pflicht zur Personensorge (§§ 1601, 1603, 1612 BGB) grundsätzlich durch die Regelungen über den Kinderlastenausgleich (Kindergeld sowie andere kinderbedingte Entlastungen, Freibeträge und Pauschalen) in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 23. November 1976 1 BvR 150/75, BVerfGE 43, 103, BStBl II 1977, 135) abgegolten (vgl. Urteil in BFHE 148, 22, BStBl II 1987, 167, mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung des BFH). Dies gilt grundsätzlich auch für die im Vergleich zur häuslichen Verpflegung entstehenden Mehraufwendungen. Sollen derartige Aufwendungen für den Lebensunterhalt ausnahmsweise zum Abzug zugelassen werden, so geschieht dies allein aufgrund ausdrücklicher und eindeutiger Regelungen, wie sie etwa in § 9 Abs. 4 oder § 10 Abs. 1 Nr. 7 Satz 5 EStG enthalten sind. Eine derartige Ausnahmeregelung vom Abzugsverbot für Lebenshaltungskosten des Steuerpflichtigen und seiner Familienangehörigen (§ 12 Nr. 1 EStG) enthält § 33a Abs. 3 Nr. 1 EStG 1979 aber nur hinsichtlich der Aufwendungen für Dienstleistungen zur Betreuung oder Beaufsichtigung eines Kindes.

2. Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -); die Klage ist abzuweisen.