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BFH-Urteil vom 13.3.1987 (V R 129/75) BStBl. 1987 II S. 465

Zum Entgelt für die nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG 1967 steuerfreie Vermietung eines Grundstücks in unbebautem Zustand gehört auch die gesondert gezahlte "Entschädigung" für den erforderlichen Abbruch von Gebäuden auf dem Grundstück.

UStG 1967 § 4 Nr. 12 Buchst. a, § 1 Abs. 1 Nr. 1; BGB § 536.

Vorinstanz: FG München

Sachverhalt

I.

Im Streitjahr 1969 gehörte den Klägern und Revisionsklägern (Kläger) in Erbengemeinschaft ein bebautes Grundstück in München, dessen Wohnungen und gewerbliche Räume vermietet waren.

Zum Bau eines S-Bahntunnels benötigte die Deutsche Bundesbahn (DB) einen Teil des Grundstücks in unbebautem Zustand; Rück- und Seitengebäude auf diesem Grundstücksteil sollten abgerissen werden. Die Kläger widersetzten sich zunächst dem Verlangen der DB, weil nach ihrer Ansicht die zu erwartende Entschädigung für den Wiederaufbau der Gebäude nicht ausgereicht hätte. Als die Einleitung eines Enteignungsverfahrens mit vorläufiger Besitzeinweisung drohte, erlaubten die Kläger am 6. Dezember 1968 den Abbruch des Rück- und Seitengebäudes. Die weiteren Vereinbarungen für diesen Zeitpunkt sind nicht festgestellt.

Die DB brach das Rückgebäude und das Seitengebäude auf ihre Kosten ab.

In einem schriftlichen Vertrag vom 7. November 1969

a) verpflichteten sich die Kläger, gegen ein noch zu bestimmendes Entgelt der DB zum Betrieb des S-Bahntunnels unter dem Grundstück eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit zu bewilligen,

b) verpflichtete sich die DB zu einer Entschädigung für die abgebrochenen Gebäude in Höhe von 85.000 DM,

c) vermieteten die Kläger der DB den von dieser benötigten Grundstücksteil auf die Dauer der Bauzeit für monatlich 500 DM, zu berechnen ab 1. Dezember 1968,

d) verpflichtete sich die DB

aa) zu einer Mietausfallentschädigung von 2.360 DM für die Zeit vor dem 1. Dezember 1968,

bb) zur Übernahme der den Klägern entstandenen Sachverständigenkosten von 1.400 DM sowie der Rechtsanwaltskosten für deren Vertretung,

cc) zum Ersatz der durch die Tunnelröhre verursachten Mehrkosten beim Wiederaufbau der Gebäude.

Die DB zahlte im Jahr 1969 (außer 6.500 DM Baustellenmiete) 85.000 DM für die abgerissenen Gebäude, 1.400 DM für die Sachverständigenkosten sowie Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.922 DM.

Nach ursprünglich weitergehender Festsetzung im Steuerbescheid 1969 vom 4. Januar 1971 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) in der Einspruchsentscheidung vom 25. Januar 1971 gegen die Gemeinschaft der Kläger als Kleinunternehmerin (§ 19 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes - UStG - 1967) Umsatzsteuer in Höhe von 3.572 DM (4 v. H. der im Jahr 1969 gezahlten Beträge von insgesamt 89.322 DM) fest. Das FA ging davon aus, die Kläger hätten die Entschädigung von 85.000 DM und den Ersatz der Anwalts- und Gutachterkosten als Entgelt für die steuerpflichtige Duldung des Gebäudeabbruchs erhalten. Die "Baustellenmiete" beurteilte das FA als Entgelt für eine gemäß § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG 1967 steuerfreie Grundstücksvermietung.

Die Anfechtungsklage hatte keinen Erfolg.

Mit der Revision beantragen die Kläger Aufhebung des Urteils des Finanzgerichts (FG) und Änderung des Umsatzsteuerbescheids 1969 dahingehend, daß die Entschädigungsbeträge als echter Schadensersatz nicht in die Besteuerung einbezogen würden.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur beantragten Festsetzung der Umsatzsteuer 1969 in Höhe von 0 DM.

Das FG hat die als "Entschädigung" bezeichneten Beträge zwar zutreffend als Entgelt für einen steuerbaren Umsatz der Kläger beurteilt. Dieser Umsatz war jedoch - worauf das FG nicht eingegangen ist - der nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG 1967 steuerfreien Vermietungsleistung der Kläger zuzuordnen.

1. Rechtsgrund für die Zahlung der Entschädigung war nicht eine - von der Grundstücksvermietung unabhängige - Lieferung der Gebäudeteile an die DB; denn Gegenstand der Vereinbarung zwischen den Klägern und der DB waren nicht die Übertragung von Substanz, Wert und Ertrag dieser Gebäudeteile (vgl. zum entsprechenden Ausgangspunkt für die ertragsteuerrechtliche Beurteilung von Zahlungen für den Gebäudeabbruch bei Verpflichtung, ein Grundstück in geräumten Zustand zu verkaufen: Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. August 1984 I R 198/80, BFHE 142, 370, BStBl II 1985, 126, Abschn. II.3.).

2. a) Die Zahlung auch der 85.000 DM bezog sich vielmehr auf den Gegenstand der Vermietungsleistung der Kläger, wie sie ausweislich der Vereinbarung vom 7. November 1969 mit der DB festgelegt war: Die von der DB erstrebte und auch erhaltene Leistung der Kläger bestand in der Vermietung des Grundstücks in geräumtem Zustand als Baustelle für einen Abschnitt des S-Bahntunnels. Als Vermieter konnten die Kläger den Mietgegenstand dem Mieter nur dann in einem zum vertragsmäßigen Gebrauch geeigneten Zustand überlassen (§ 536 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -), wenn sie die auf dem Grundstück vorhandenen Gebäude abbrachen oder - wie hier geschehen - dem Abbruch durch die DB zustimmten.

Zur Vermietungsleistung der dargestellten Art waren die Kläger erst bereit, nachdem auch die erstrebte Erstattung ihrer Aufwendungen zur gebrauchsgerechten Gestaltung des Grundstücks als Gegenleistung festgelegt war.

Der Einbeziehung des Betrags von 85.000 DM in das Vermietungsentgelt steht weder entgegen, daß seine Zahlung in der Vereinbarung vom 7. November 1969 gesondert - zusätzlich zur monatlichen Mietzinszahlung - geregelt war, noch daß die Zahlung als Entschädigung bezeichnet war. Denn ein besonderer Rechtsgrund für diese Zahlung (hier - wie von den Klägern geltend gemacht - Schadensersatz), dem sie anstelle der Vermietungsleistung zugeordnet werden müßte, liegt hier nicht vor (vgl. dazu auch BFH-Urteil vom 25. November 1986 V R 109/78, BFHE 148, 351, BStBl II 1987, 228).

Die gesonderte Erwähnung der Abbruchsentschädigung ist vor dem Hintergrund der langjährigen Ausgleichsverhandlungen der Kläger mit der DB hinsichtlich der (abzubrechenden) Gebäude zu sehen. Umsatzsteuerrechtlich handelt es sich nur um einen Berechnungsfaktor bezüglich des Vermietungsentgelts, der wegen seiner Bedeutung besonders hervorgehoben wurde. Für den vorliegenden Fall, in dem der zu dem vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand des Grundstücks durch Abbruch störender Gebäude herbeigeführt wurde, gilt insoweit nichts anderes als für den "umgekehrten" Fall, daß sich ein Grundstückseigentümer zur Vermietung seines - noch unbebauten - Grundstücks als z. B. Wohngrundstück verpflichtet, dazu aber erst das Gebäude errichten lassen muß und vom Mieter neben der vereinbarten monatlichen Miete einen sog. Baukostenzuschuß verlangt. Selbst bei einem sog. "verlorenen" Baukostenzuschuß handelt es sich regelmäßig um einen Teil der Gegenleistung für die Vermietung, und zwar unbeschadet der Einordnung als verdeckte Erhöhung des vereinbarten Mietzinses oder als Sonderleistung für einen langfristigen Mietvertrag (vgl. insoweit Bundesgerichtshof - BGH -, Urteil vom 14. Juli 1960 VIII ZR 156/59, Betriebs-Berater - BB - 1960, 1044). Auf den Mietzins anrechenbare Vorauszahlungen werden regelmäßig nur dann verneint, wenn die Zahlungen ohne jeden Zusammenhang mit der Verwendung auf das Grundstück erbracht worden sind oder zwar für den Aufbau oder Ausbau des Grundstücks, jedoch vor Abschluß des Mietvertrags und ohne jeden Bezug auf diesen erfolgt sind (vgl. Staudinger/Emmerich, BGB, Kommentar, 12. Aufl. 1981, Vorbemerkung 131 zu §§ 535, 536).

b) Die "Entschädigung für die abgebrochenen Gebäude" ist insbesondere kein - außerhalb des dargestellten Leistungsaustauschs stehender - Schadensersatz. Übereinstimmend mit der seinerzeitigen BFH-Rechtsprechung nahm das FG eine steuerbare, weil willentlich erbrachte Duldungsleistung in Wechselbeziehung gegen die Entschädigungszahlung als Entgelt an und schloß die Beurteilung der Zahlung als (nicht steuerbaren) Schadensersatz mit der Begründung aus, den Klägern sei nicht gegen ihren Willen Schaden zugefügt worden (BFH, Urteile vom 10. Februar 1972 V R 119/68, BFHE 105, 75, BStBl II 1972, 403, und vom 27. Februar 1969 V 144/65, BFHE 95, 308, BStBl II 1969, 387). Das FG sah ferner die Berufung der Kläger darauf, sie hätten dem Abbruch nur im Hinblick auf ein drohendes Enteignungsverfahren zugestimmt, zutreffend als nicht entscheidend an, weil die Umstände, die einen Leistungswillen auslösen, für die Frage der Steuerbarkeit der Leistung grundsätzlich unerheblich sind (s. auch BFH, Urteil vom 24. Februar 1972 V R 2/68, BFHE 105, 186, BStBl II 1972, 509). Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG 1967 entfällt die Steuerpflicht selbst dann nicht, wenn der Umsatz aufgrund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung bewirkt wird oder nach gesetzlicher Vorschrift als bewirkt gilt.

An dieser Beurteilung ändert auch die neuere Rechtsprechung des Senats zum Leistungsaustausch seit dem Urteil vom 17. Mai 1981 V R 47/76 (BFHE 133, 133, BStBl II 1981, 495) nichts. Zur Annahme eines Leistungsaustauschs i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967 ist danach erforderlich, daß der Leistende eine Leistung zum Zweck der Entgeltserzielung erbracht hat. Die Zweckgerichtetheit des Leistungshandelns liegt (im Regelfall, insbesondere bei gegenseitigen Verträgen) dann vor, wenn der leistende Unternehmer erkennbar um der (vereinbarten oder zu erwartenden) Gegenleistung willen handelt.

Nach diesen Grundsätzen fällt u. a. nicht ins Gewicht, daß die Zahlungsvereinbarung zwischen den Klägern und der DB erst nach der Duldungsleistung der Kläger schriftlich festgelegt wurde. Es bedarf keiner weiteren Ermittlung, ob der Inhalt der Vereinbarung bereits vor der Leistung der Kläger im einzelnen abgesprochen war. Denn im Hinblick auf die festgestellten Umstände des Falles stand für die Kläger nie in Frage, nur gegen Entschädigungszahlung abbrechen zu lassen. Daß sie sich zur vertraglichen Regelung des Leistungsaustauschs bezüglich des Grundstücks bereit erklärten, ergab sich aus der Erwartung einer höheren Gegenleistung, als sie in Gestalt der Entschädigung bei Enteignung angesetzt worden wäre. Im übrigen hätte es sich auch bei Enteignung des Grundstücks durch die DB gegen Entschädigung um einen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG 1967 steuerbaren Leistungsaustausch gehandelt (vgl. auch Urteil in BFHE 105, 75, BStBl II 1972, 403).

c) Da die "Entschädigung" von 85.000 DM zum Gesamtaufwand gehört, den die DB vereinbarungsgemäß übernommen hat, um die Vermietung des geräumten Grundstücks zu erreichen (§ 10 Abs. 1 Satz 2 UStG 1967), wird auch dieser Entgeltsteil von der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG 1967 für Vermietungsleistungen erfaßt.

3. Unter das Entgelt der DB für die Baustellenvermietung (§ 10 Abs. 1 Satz 2 UStG 1967) fallen aber auch die von der DB den Klägern aufgrund der vertraglichen Übernahme gezahlten "Erstattungen" für Sachverständigen- und Rechtsanwaltskosten anläßlich der Verhandlungen über die Grundstücksüberlassung in Höhe von 3.572 DM. Die DB hat sich zur Übernahme auch dieser Kosten - die den Klägern aus von ihnen mit dem Rechtsanwalt und dem Gutachter geschlossenen Verträgen entstanden waren - nur deshalb entschlossen, um den Mietvertrag über das Grundstück im erforderlichen Zustand zu erhalten. Ein anderer Rechtsgrund für die Zahlung dieser Beträge an die Kläger - sei es ein besonderes Leistungsverhältnis zwischen den Klägern und der DB oder eine Schadensersatzverpflichtung (vgl. dazu Urteil in BFHE 148, 351, BStBl II 1987, 228) besteht nicht.

4. Da das Urteil des FG die Erwägungen zur Einbeziehung der Entschädigung für die Abbruchsduldung in die Steuerbefreiung der Vermietungsleistungen nicht angestellt hat und deshalb zu einem anderen Ergebnis gekommen ist, war es aufzuheben. Der Senat konnte in der spruchreifen Sache selbst entscheiden. Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung und des angefochtenen Umsatzsteuerbescheids 1969 war die Umsatzsteuer 1969 auf 0 DM festzusetzen.