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BFH-Urteil vom 1.10.1986 (I R 54/83) BStBl. 1987 II S. 459

1. Leistungen einer Kapitalgesellschaft, die nicht auf Rechtsverhältnissen beruhen, die von vornherein klar und eindeutig bestimmt sind, haben auch dann ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis, wenn Bezieher der Leistungen eine dem beherrschenden Gesellschafter nahestehende Person ist und die Leistung einen Vorteil für den beherrschenden Gesellschafter auslöst (Abweichung von den BFH-Urteilen vom 8. März 1967 I 119/64, BFHE 88, 289, BStBl III 1967, 372, und vom 21. Januar 1970 I R 125/67, BFHE 98, 470, BStBl II 1970, 466).

2. Eine Personenhandelsgesellschaft ist als "Person" im Sinne der Rechtsprechung zur verdeckten Gewinnausschüttung an nahestehende Personen anzusehen.

3. Für die Bejahung einer verdeckten Gewinnausschüttung ist es ohne Bedeutung, wenn an der begünstigten Personengesellschaft auch Personen beteiligt sind, die nicht Gesellschafter der leistenden Kapitalgesellschaft sind.

KStG a.F. § 6 Abs. 1 Satz 2.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wurde 1973 mit einem Stammkapital von 21.000 DM gegründet, an dem der Immobilienmakler E, der selbständige Architekt P und der Immobilienmakler O mit je 7.000 DM beteiligt sind. Gegenstand des Unternehmens ist der Erwerb, die Bebauung und die Verwaltung von Grundstücken und Gebäuden aller Art, deren Ankauf und Verkauf, Teilung in Wohnungseigentum oder Teileigentum, deren Verpachtung und Vermietung sowie alle damit verbundenen Geschäfte.

Anläßlich einer Außenprüfung erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) Berichtigungsbescheide über die Körperschaftsteuer und die Gewerbesteuermeßbeträge für die Jahre 1973 und 1974. Die hiergegen erhobenen Einsprüche führten lediglich für das Jahr 1973 zu einer geringfügigen Herabsetzung der festgesetzten Körperschaftsteuer und des festgesetzten Gewerbesteuermeßbetrags. Gegen die Berichtigungsbescheide i. d. F. der Einspruchsentscheidungen hat die Klägerin Klage erhoben. Streitig geblieben und auch in der Revisionsinstanz noch offen sind folgende Feststellungen der Außenprüfung:

Der Gesellschafter E ist Mitunternehmer der Immobiliengesellschaft G-OHG. An der Grundstücksverwaltungsgesellschaft T-KG sind die Gesellschafter E und O gemeinsam als Mitunternehmer beteiligt. Die Klägerin hat im Jahre 1973 der G-OHG und der T-KG eine Maklergebühr von jeweils 9.345 DM gezahlt. Vertragliche Vereinbarungen hierüber liegen nicht vor. Der Prüfer rechnete den Gesellschaftern diese Vergütungen als verdeckte Gewinnausschüttungen zu.

Die nach dem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) hinsichtlich der Körperschaftsteuer teilweise ab.

Mit der Revision rügt die Klägerin fehlerhafte Anwendung der §§ 6 Abs. 1 Satz 4 und 9 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) a. F. und des § 19 der Körperschaftsteuer-Durchführungsverordnung (KStDV).

Sie beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Körperschaftsteuerbescheide 1973 und 1974 dahin zu ändern, daß die Körperschaftsteuerschuld 1973 auf 30.973 DM und die Körperschaftsteuerschuld 1974 auf 6.291 DM festgesetzt werde.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das FG hat die Klage zu Recht teilweise abgewiesen. Das Einkommen der Klägerin ist in den Streitjahren gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 KStG a. F. um die Beträge zu erhöhen, die das FG als verdeckte Gewinnausschüttung ansah. Unter dem Begriff der verdeckten Gewinnausschüttung sind - entsprechend ihrem Wesen (Kern) und der systematischen Stellung des § 6 Abs. 1 Satz 2 KStG - alle Vorgänge zu verstehen, durch die letztlich Vermögen einer Kapitalgesellschaft den Gesellschaftern bzw. diesen nahestehenden Personen zugeführt wird, wobei - um den Folgen des § 7 Satz 2 KStG a. F. zu entgehen - eine Beurteilung des Sachverhalts geltend gemacht wird, die diesen nicht als Grundlage einer Ausschüttung erscheinen läßt, vielmehr eine solche "verdeckt". Entscheidend ist damit, ob Leistungen an den Gesellschafter aus betrieblichen Gründen oder mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis (societatis causa) gewährt werden (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23. Mai 1984 I R 294/81, BFHE 141, 226, BStBl II 1984, 673).

Das FG hat die in dem Streitjahr 1973 an die G-OHG und die T-KG entrichteten Maklerhonorare zu Recht als verdeckte Gewinnausschüttung angesehen.

Im Verhältnis zwischen Gesellschaft und beherrschendem Gesellschafter kommt eine verdeckte Gewinnausschüttung angesichts der verschiedenen Möglichkeiten, die Rechtsverhältnisse zwischen Gesellschafter und Gesellschaft zu gestalten, auch dann in Betracht, wenn nicht von vornherein klar und eindeutig bestimmt ist, ob und in welcher Höhe ein Entgelt für eine Leistung des Gesellschafters gezahlt wird. Der beherrschende Gesellschafter hat nämlich die Möglichkeit, für seine Leistungen einen gesellschaftsrechtlichen oder einen schuldrechtlichen Ausgleich zu suchen. Um klare Verhältnisse zu schaffen, muß er im voraus mit der Gesellschaft vereinbaren, welchen Weg er wählt (BFH-Urteil vom 23. Oktober 1985 I R 247/81, BFHE 145, 165, BStBl II 1986, 195). Insoweit handelt es sich um eine Ausprägung der grundsätzlichen Voraussetzungen einer verdeckten Gewinnausschüttung.

E und O sind hinsichtlich der entrichteten Maklergebühren als beherrschende Gesellschafter anzusehen. E und O waren jeweils zu einem Drittel an der Klägerin beteiligt.

Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 21. Juli 1976 I R 223/74 (BFHE 119, 453, BStBl II 1976, 734) ausgeführt, daß die Grundsätze über die Unbeachtlichkeit rückwirkender Vereinbarungen nicht nur gelten, wenn die gesellschaftsrechtliche Stellung einen umfassenden Einfluß auf die Gesellschaft gewährt, sondern auch dann, wenn die Möglichkeit der Einflußnahme nach den tatsächlichen Verhältnissen des Einzelfalls auf sachlich begrenzte Bereiche beschränkt ist. Eine solche begrenzte Möglichkeit der Einflußnahme ist gegeben, wenn mehrere Gesellschafter mit gleichgerichteten Interessen zusammenwirken, um eine ihren Interessen entsprechende Willensbildung der Gesellschaft herbeizuführen (vgl. auch BFH-Urteil vom 11. Dezember 1985 I R 164/82, BFHE 146, 126, BStBl II 1986, 469).

In Anwendung dieser Rechtsprechung konnte das FG aufgrund der von ihm getroffenen tatsächlichen Feststellungen zu der Überzeugung gelangen (§ 96 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (- FGO -), daß die Zahlung der Maklerhonorare auf einem gesellschaftlichen Zusammenwirken von E und O beruht. Es handelt sich um zwei gleichhohe Beträge, die jeweils an Personengesellschaften gingen, an denen E und O beteiligt waren. Der Umstand, daß an der G-OHG nur E und nicht O beteiligt war, schließt die Annahme eines gemeinschaftlichen Zusammenwirkens nicht aus; denn es ist nicht erforderlich, daß das Zusammenwirken zu einem übereinstimmenden Vorteil bei den zu gleichen Anteilen an der Kapitalgesellschaft beteiligten Gesellschaftern führen muß. Entscheidend ist, daß die beiden Gesellschafter E und O ein gleichgerichtetes Interesse daran hatten, Maklerprovisionen, sei es direkt oder über Personengesellschaften, an denen sie beteiligt waren, zu beziehen.

Der verdeckten Gewinnausschüttung steht nicht entgegen, daß die Maklerprovisionen nicht an E und O ausgezahlt wurden, sondern an Personengesellschaften, an denen E und O beteiligt waren. Leistungen einer Kapitalgesellschaft, die nicht auf Rechtsverhältnissen beruhen, die von vornherein klar und eindeutig bestimmt sind, haben auch dann ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis, wenn Bezieher der Leistungen eine dem beherrschenden Gesellschafter nahestehende Person ist und die Leistung einen Vorteil für den beherrschenden Gesellschafter auslöst (vgl. Urteil in BFHE 145, 165, BStBl II 1986, 195; der Senat hält insoweit an der Ansicht, die den Urteilen vom 8. März 1967 I 119/64, BFHE 88, 289, BStBl III 1967, 372, und vom 21. Januar 1970 I R 125/67, BFHE 98, 470, BStBl II 1970, 466 zugrunde liegt, nicht mehr fest).

Bei der G-OHG und der T-KG handelt es sich um Personen, die jeweils den beherrschenden Gesellschaftern E und O nahestehen. E ist an der G-OHG beteiligt; E und O sind an der T-KG beteiligt. Die Rechtsprechung des BFH hat sich bisher lediglich mit Fällen befaßt, in denen es darum ging, ob eine Kapitalgesellschaft, an der der Gesellschafter der Kapitalgesellschaft beteiligt ist, deren Vermögen gemindert wurde, als nahestehende Person des Gesellschafters anzusehen ist (vgl. Urteile in BFHE 145, 165, BStBl II 1986, 195; vom 18. Juli 1985 IV R 135/82, BFHE 144, 166, BStBl II 1985, 635; vom 19. Mai 1982 I R 102/79, BFHE 136, 105, BStBl II 1982, 631; vom 21. Dezember 1972 I R 70/70, BFHE 108, 175, BStBl II 1973, 449, und vom 3. Februar 1971 I R 51/66, BFHE 101, 501, BStBl II 1971, 408). In dem in dem BFH-Urteil vom 6. Dezember 1967 I 98/65 (BFHE 91, 239, BStBl II 1968, 322) entschiedenen Fall war der Begünstigte ein Verein und befanden sich die Anteile an der den Vorteil gewährenden Kapitalgesellschaft in den Händen eines weiteren Vereins, dessen Mitglieder zum Teil mit den Mitgliedern des begünstigten Vereins identisch waren. Die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (RFH) hat sich auch mit Fällen befaßt, in denen Vorteile Personengesellschaften gewährt wurden, an denen die Gesellschafter der die Vorteile gewährenden Kapitalgesellschaft beteiligt waren (vgl. Urteile vom 4. Juli 1932 I A 3/32, Steuer und Wirtschaft - StuW - 1932, Nr. 1.178, und vom 29. April 1935 I A 63/35, StuW 1935, Nr. 369). Die Personenhandelsgesellschaft ist als "Person" im Sinne der Rechtsprechung zur verdeckten Gewinnausschüttung an nahestehende Personen anzusehen. Dies ergibt sich aus der Selbständigkeit der Personenhandelsgesellschaft. Sie kann unter ihrer Firma Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben, vor Gericht klagen und verklagt werden (§ 124 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches - HGB -).

Nach den Grundsätzen der bisherigen Rechtsprechung sind damit die G-OHG und die T-KG nahestehende Personen. Nicht entscheidend ist dabei die Höhe der Beteiligung von E an der G-OHG und von E und O an der T-KG. Entsprechend der Rechtsprechung zur nahestehenden Kapitalgesellschaft ist es für die Bejahung einer verdeckten Gewinnausschüttung, wenn durch die Leistung eine Personengesellschaft begünstigt wird, an der der Gesellschafter der begünstigenden Kapitalgesellschaft beteiligt ist, ohne Bedeutung, wenn an der begünstigten Personengesellschaft auch andere Personen beteiligt sind, die nicht Gesellschafter der leistenden Kapitalgesellschaft sind (vgl. BFHE 144, 166, BStBl II 1985, 635). Die Grundsätze dieser Rechtsprechung sind übertragbar. Sie hat sich darauf gestützt, daß eine verdeckte Einlage bei einer Kapitalgesellschaft in vollem Umfange auch dann vorliegt, wenn weitere Gesellschafter der Kapitalgesellschaft vorhanden sind, die keine verdeckte Einlage bewirken (vgl. BFH-Urteil vom 12. Februar 1980 VIII R 114/77, BFHE 130, 378, BStBl II 1980, 494). Die Grundsätze über die verdeckten Einlagen gelten auch bei Personengesellschaften (vgl. BFH-Urteil vom 6. August 1985 VIII R 280/81, BFHE 144, 386, BStBl II 1986, 17, nach dem eine verdeckte Entnahme vorliegt, wenn ein Wirtschaftsgut aus dem Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft in das Privatvermögen eines Gesellschafters übertragen wird, für die Übertragung kein angemessenes Entgelt bezahlt wird und für eine Übertragung ohne angemessenes Entgelt keine betriebliche Veranlassung besteht, so daß sich die Übertragung nur aus dem Gesellschaftsverhältnis ergibt bzw. erklärt). Dabei liegt der Vorteil des Gesellschafters darin, daß dieser für die verdeckte Einlage bei der Personengesellschaft keine eigenen Mittel in Anspruch nehmen muß.

Die Grundsätze über die verdeckte Gewinnausschüttung an nahestehende Personen finden Anwendung, obwohl nicht feststeht, daß die Maklerprovision im Streitfall von der G-OHG und der T-KG bezogen wurde, ohne daß diese eine der Provision entsprechende Gegenleistung in Form einer Maklertätigkeit bewirkt haben. Im Streitfall ist Grundlage der verdeckten Gewinnausschüttung das Fehlen einer von vornherein klaren Vereinbarung für die an die beiden Personengesellschaften gezahlten Vergütungen. Eine verdeckte Gewinnausschüttung ist dabei insoweit nur möglich, als die Empfänger zu dem möglichen Empfängerkreis einer verdeckten Gewinnausschüttung gehören, die darin besteht, daß die Kapitalgesellschaft unangemessen hohe Vergütungen gewährt. Dies trifft - wie dargestellt - auf die beiden Personengesellschaften G-OHG und T-KG zu.