| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

 

BFH-Urteil vom 18.12.1986 (III R 54/82) BStBl. 1987 II S. 454

1. Für die Errichtung eines Gebäudes kann eine Zulage gemäß § 4 b InvZulG nicht gewährt werden, wenn das tatsächlich errichtete Gebäude nicht mit dem identisch ist, das in dem innerhalb des Begünstigungszeitraums eingereichten Baugesuch ausgewiesen ist.

2. Eine Identität ist zu verneinen, wenn das tatsächlich errichtete Gebäude gegenüber dem in dem rechtzeitigen Bauantrag ausgewiesenen Objekt Änderungen aufweist, die es in seinen wesentlichen baurechtlich bedeutsamen Merkmalen erfassen und es damit nachhaltig verändern.

InvZulG 1975 § 4b.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs. Im Jahre 1976 erstellte er ein zu diesem Betrieb gehörendes Einfamilienhaus. Dabei wich er von dem im Juni 1975 beim Bürgermeisteramt ... eingegangenen und im März 1976 genehmigten Bauantrag ab. Da die veränderte Bauausführung bei der Schlußabnahme gerügt wurde, reichte der Architekt des Klägers im August 1977 nachträglich ein nach Ansicht der Baugenehmigungsbehörde erforderliches neues Baugesuch ein. Dieses entsprach dem tatsächlich durchgeführten Bau und wurde mit einer Ausnahme im August 1978 genehmigt.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) versagte die für die Errichtung des Einfamilienhauses begehrte Investitionszulage gemäß § 4 b des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) mit der Begründung, der maßgebende Bauantrag sei erst im August 1977 und damit verspätet gestellt worden. Dem ursprünglichen Antrag komme keine zulagerechtliche Bedeutung zu.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung des § 4 b InvZulG 1975.

Er beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und eine Investitionszulage von 33.660,56 DM zu gewähren.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Das Finanzgericht (FG) hat zu Recht die Auffassung vertreten, daß der Kläger verspätet mit der Herstellung des Gebäudes begonnen habe.

1. Voraussetzung für die Gewährung der Investitionszulage gemäß § 4 b InvZulG 1975 ist, daß der Steuerpflichtige nach dem 30. November 1974 und vor dem 1. Juli 1975 mit der Herstellung des Wirtschaftsguts begonnen hat. Als Beginn der Herstellung gilt bei Gebäuden der Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Baugenehmigung gestellt wird. Entsprechend der Zielsetzung des § 4 b InvZulG 1975 ist ein innerhalb des maßgeblichen Begünstigungszeitraums gestellter Bauantrag nur dann für die Gewährung der sog. Konjunkturzulage maßgebend, wenn das Gebäude auf der Grundlage dieses Bauantrags und der dazu erteilten Baugenehmigung errichtet wird.

In bezug auf die Anschaffung von beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 14. März 1980 III R 78/78 (BFHE 130, 359, BStBl II 1980, 476) entschieden, daß das bestellte und das gelieferte Wirtschaftsgut grundsätzlich identisch sein müssen und daß nachträgliche Änderungen des Liefergegenstandes grundsätzlich schädlich sind. Entsprechendes gilt für die Herstellung von Gebäuden. Das in dem innerhalb des Begünstigungszeitraums eingereichten Baugesuch ausgewiesene Gebäude muß mit dem tatsächlich errichteten identisch sein. Die Art des Wirtschaftsguts erfordert jedoch bei der gebotenen wirtschaftlichen Beurteilung (vgl. BFHE 130, 359, BStBl II 1980, 476) die Auslegung, daß Identität zwischen geplantem und tatsächlich errichtetem Gebäude zu verneinen ist, wenn dieses gegenüber dem in dem ursprünglichen Bauantrag ausgewiesenen Objekt Änderungen aufweist, die es in seinen wesentlichen baurechtlich bedeutsamen Merkmalen erfassen und es damit nachhaltig verändern. Bei der Entscheidung darüber, ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist das Bauvorhaben, für das die Zulage begehrt wird, in seiner Gesamtheit zu würdigen. Liegen danach zwei voneinander unterschiedliche Bauvorhaben vor, dann ist es unerheblich, wie die Baubehörde die Planungsänderungen formal und kostenmäßig behandelt hat. Ebensowenig kommt es darauf an, ob ein etwaiger späterer Bauantrag vor Baubeginn oder erst nach Errichtung des Gebäudes gestellt wurde (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 8. Februar 1980 III R 104/78, BFHE 130, 439, BStBl II 1980, 474, Abschn. 2 b). Entgegen der Auffassung des Klägers ist es ferner nicht entscheidungserheblich, ob die gegenüber dem ursprünglichen Bauantrag vorgenommenen Änderungen für das zuständige Bauamt bereits bei Rohbauabnahme erkennbar waren.

2. Zu diesen Voraussetzungen hat das FG in tatsächlicher Hinsicht folgendes festgestellt:

Anstelle eines Hauses mit 15,61 m Länge und 14,86 m Breite errichtete der Kläger ein Gebäude mit 17,42 m Länge und 15,10 m Breite. Der umbaute Raum wurde von 1.285 cbm auf 1.633 cbm und damit um rund 27 v. H., die Wohnfläche von 129,82 qm (ohne gewerbliche Nutzflächen) auf 260,51 qm und damit um rund 100 v. H. erweitert. Die Maße der Räume im Erdgeschoß wurden geringfügig verändert. Anstelle eines Büros wurde ein Abstellraum mit Zugang zur anschließenden Garage geschaffen. Dagegen wurde die Raumanordnung des Untergeschosses völlig verändert. Drei Abstellräume mit insgesamt rund 43,8 qm und der größte Teil des Flurs entfielen vollständig. Anstelle eines Hobbyraums mit rund 33,4 qm wurden ein Schwimmbad, ein Solarium, eine Sauna mit Tauchbecken und Dusche, ein Frischluftraum und ein WC mit insgesamt rund 102,7 qm eingebaut. Die Waschküche wurde an einer anderen Stelle errichtet und von 17,6 qm auf 5,0 qm verkleinert. Außerdem wurde die vom Untergeschoß ins Freie führende Treppe von der Ostseite zur Westseite des Hauses verlegt. Zusätzlich mußte ein zweites Untergeschoß teilweise ausgebaut werden, um Raum für das Schwimmbecken und die Schwimmbadtechnik zu schaffen. Schließlich wurde entgegen dem ursprünglichen Bauplan das Dachgeschoß mit einer Wohnfläche von 60,9 qm ausgebaut.

Durch die genannten Änderungen erhöhten sich die in der Baubeschreibung angegebenen Baukosten von 250.000 DM auf 350.000 DM.

Die baulichen Veränderungen kommen auch bei der äußeren Gestaltung des Hauses zum Ausdruck. So ist an der Ostseite nicht nur der Treppenaufgang aus dem Untergeschoß weggefallen. Zusätzlich wurde die Zahl der Fenster von vier auf sechs erhöht. Auf der Südseite wurden die Wohnzimmerfenster nicht so weit wie ursprünglich heruntergezogen. Dafür wurde zusätzlich eine Terrassentür geschaffen. Die Westseite erhielt ein weiteres Fenster im Erdgeschoß und im Untergeschoß neben dem Zugang von außen noch ein Fenster. Das auf der Nordseite im Erdgeschoß vorgesehene Fenster entfiel; die beiden übrigen wurden in der Form geändert.

Da der Kläger keine Revisionsrügen geltend gemacht hat, ist der Senat an diese Feststellungen des FG gebunden (vgl. § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

3. Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das FG die von ihm getroffenen Feststellungen dahin gewürdigt hat, daß das tatsächlich errichtete Gebäude von dem, welches nach dem ursprünglichen Plan vorgesehen war, in seinen wesentlichen baurechtlich bedeutsamen Punkten so sehr abweicht, daß es trotz der Funktionsgleichheit als ein anderes Bauvorhaben anzusehen ist. Zutreffend hat das FG dabei die erheblichen Unterschiede in bezug auf die Bausubstanz, das äußere Erscheinungsbild und die innere Ausgestaltung des Gebäudes in ihrer Gesamtheit gewürdigt.

Da der Kläger die Baugenehmigung für das tatsächlich errichtete Gebäude nach Ablauf des Begünstigungszeitraums beantragt und auch erst nach dem 30. Juni 1975 mit dem Bau begonnen hat, hat das FG die Klage zu Recht abgewiesen.

4. Da der Kläger bereits aus den vorstehenden Gründen keinen Zulageanspruch hat, kann der Senat unerörtert lassen, ob die Zulage auch deshalb zu versagen wäre, weil der Kläger das Gebäude privat nutzt. Dies ist nicht mehr entscheidungserheblich.