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BFH-Beschluß vom 28.1.1987 (I B 61/86) BStBl. 1987 II S. 434

Einer Klage, mit der geltend gemacht wird, § 2 a EStG habe keine Auswirkung auf den negativen Progressionsvorbehalt, fehlt nicht die hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 114 ZPO.

EStG 1983 § 2a; GG Art. 3.

Vorinstanz: FG München

Sachverhalt

Der Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer (Kläger) machte in seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 1983 einen Verlust aus dem Konkurs eines ... betriebes in Österreich geltend und berief sich dabei auf den negativen Progressionsvorbehalt (vgl. § 32 b Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG - und Art. 15 Abs. 3 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern vom 4. Oktober 1954 - DBA-Österreich -, BGBl II 1955, 749).

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob der Kläger Klage. Er beantragte Prozeßkostenhilfe (PKH) und die Beiordnung eines Prozeßbevollmächtigten. Das Finanzgericht (FG) lehnte den Antrag ab. Gegen den Beschluß des FG legte der Kläger Beschwerde ein.

Er macht geltend, daß der ab dem Veranlagungszeitraum 1983 neu eingefügte § 2 a EStG verfassungswidrig sei. Er verstoße gegen Art. 2, 3, 12 und 14 des Grundgesetzes (GG). Die Einführung des § 2 a EStG widerspreche dem Gleichheitssatz; denn steuerliche Verluste aus Betätigungen im Inland seien nach wie vor ausgleichsfähig. Die Einführung des § 2 a EStG verstoße gegen rechtsstaatliche Grundsätze, da für Fälle der vorliegenden Art keine ausreichenden Übergangsvorschriften geschaffen worden seien. Er habe sich nicht darauf einrichten können, daß ihm durch den Wegfall des negativen Progressionsvorbehalts steuerliche Nachteile entstünden. Die Einführung des § 2 a EStG widerspreche auch völkerrechtlichen Grundsätzen. Die Vertragspartner des DBA-Österreich seien nicht davon ausgegangen, daß sich in einem wesentlichen Punkt die Geschäftsgrundlage ändern würde.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist zulässig. Zwar ist die Beschwerde gegen die Ablehnung der PKH durch das FG nicht zulässig, wenn die zugehörige Hauptsache nicht an den Bundesfinanzhof (BFH) gelangen kann (BFH-Beschluß vom 14. Mai 1982 VIII B 1/82, BFHE 136, 53, BStBl II 1982, 600). Die Hauptsache kann im Falle des Klägers dadurch an den BFH als Revisionsgericht gelangen, daß die Revision vom FG oder auf die Beschwerde hin vom BFH aus einem der in § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genannten Gründe zugelassen wird oder der Kläger eine zulassungsfreie Verfahrensrevision nach § 116 FGO einlegt (vgl. Beschluß des BFH vom 7. August 1984 II B 27/84, BFHE 141, 494, BStBl II 1984, 838).

Die Beschwerde ist begründet. Der Beschluß des FG wird aufgehoben, die Sache wird an das FG zurückverwiesen.

Das FG hat die Gewährung der PKH zu Unrecht mit der Begründung abgelehnt, daß die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe (§ 142 FGO i. V. m. § 114 der Zivilprozeßordnung - ZPO -). Aufgrund der in der Literatur vertretenen Auffassung kann der Klage unter mehreren Gesichtspunkten eine Erfolgsaussicht nicht von vornherein abgesprochen werden.

Die Klage kann einmal dann Erfolg haben, wenn die Auffassung richtig ist, daß § 2 a EStG wegen des Verstoßes gegen Art. 3 GG nichtig ist (vgl. Friauf, Steuer und Wirtschaft - StuW - 1985, 308).

Selbst wenn jedoch die Ansicht, die § 2 a EStG für verfassungswidrig hält, nicht zutrifft, könnte die Klage dann erfolgreich sein, wenn die von einer nicht unerheblichen Zahl von Autoren vertretene Auffassung richtig sein sollte, die dem § 2 a EStG im Rahmen des negativen Progressionsvorbehalts keine Wirkung beimißt (vgl. insbesondere Dedner, Finanz-Rundschau - FR - 1983, 292; Dücker, Der Betrieb - DB - 1983, 1847; Eggesiecker/Eisenach/Schürner, FR 1982, 484; Horlemann, Deutsche Steuer-Zeitung/Ausgabe A - DStZ/A - 1983, 342; Pflugfelder, FR 1983, 319; Plückebaum, DStZ/A 1983, 387; Rädler, FR 1983, 337, 340 linke Spalte, und Thierfeld, DB 1983, 801; a. A. dagegen Baranowski, DB 1983, 2484; Beckermann/Jarosch, FR 1984, 108; Bordewin, Betriebs-Berater - BB - 1983, 115; Bordewin/Gérard, FR 1983, 53; Dankmeyer/Klöckner, DB 1983, 301; Ehlers, Harzburger Protokoll 1984, 273; Hellwig, DB 1984, 2006; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 2 a EStG Anm. 17; Kieschke, DStZ/A 1983, 4; Krabbe in Grundfragen des Internationalen Steuerrechts, S. 79, 87 f., und in FR 1983, 83 sowie in Recht der internationalen Wirtschaft/Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters - RIW/AWD - 1983, 42; Manke, DStZ/A 1984, 235, 238; Oepen, Neue Wirtschafts-Briefe - NWB - Fach 3 b S. 3125; Schleifer, Steuerberaterkongreß-Report - StbKongrRep - 1983, 65, 69 ff.; Stephan, Internationale Wirtschaftsbriefe - IWB - Fach 3 Gr 3, S. 649; Vogel, Doppelbesteuerungsabkommen, Kommentar, Art. 23 Rz. 206).

Die Klage ist vor allem deswegen nicht offensichtlich aussichtslos, weil immerhin der Bundesrat in seiner Stellungnahme zu dem Haushaltsbegleitgesetz 1983, durch das § 2 a EStG in das EStG aufgenommen wurde, Bedenken geäußert und empfohlen hatte, im weiteren Gesetzgebungsverfahren im Interesse der Rechtsklarheit zu prüfen, ob der negative Progressionsvorbehalt für die in Betracht kommenden negativen ausländischen Einkünfte nicht besser durch eine eindeutige Ergänzung des § 32 b Abs. 1 Nr. 2 EStG ausgeschlossen werden sollte (BR-Drucks. 452/82 - Beschluß -, S. 4, und BT-Drucks. 9/2140, S. 124 links).

Nach der bisher bekannten finanzgerichtlichen Rechtsprechung kann der Klage nicht von vornherein die Aussicht auf Erfolg abgesprochen werden. Zwar ist nach dem Urteil des FG Köln vom 27. November 1985 I K 33/85 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1986, 189, rechtskräftig) der negative Progressionsvorbehalt im Rahmen eines DBA durch § 2 a EStG ausgeschlossen; andererseits hat es jedoch der Beschluß des FG Baden-Württemberg vom 25. Januar 1986 I-V-12/85 (EFG 1986, 241) als ernstlich zweifelhaft angesehen, ob § 2 a EStG verfassungsgemäß ist. Der VIII. Senat des BFH, der mit der Beschwerde gegen diesen Beschluß befaßt war, hat zwar den Beschluß des FG Baden-Württemberg aufgehoben, konnte sich jedoch mit der Frage des Verhältnisses des § 2 a EStG zum negativen Progressionsvorbehalt nicht befassen (vgl. den nicht veröffentlichten Beschluß des VIII. Senats vom 15. Oktober 1986 VIII B 30/86).

Da das FG die Klage als aussichtslos ansah, hat es nicht das Vorliegen der übrigen Voraussetzungen für die Gewährung der PKH geprüft. Der Senat hält es aus den in dem Beschluß vom 8. Juli 1980 VII B 18/80 (BFHE 131, 12, BStBl II 1980, 657) dargelegten Gründen für angezeigt, die Sache an das FG zurückzuverweisen (vgl. auch Beschluß des BFH vom 11. Oktober 1985 III B 36/84, BFH/NV 1986, 357).