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BFH-Urteil vom 9.10.1986 (IV R 331/84) BStBl. 1987 II S. 169

Die Mitglieder einer Realgemeinde können für die Gewinne aus der Veräußerung bestimmter Anlagegüter, die ihnen gemäß § 3 Abs. 2 KStG und § 13 Abs. 1 Nr. 4 EStG als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft unmittelbar zuzurechnen sind, auch die Begünstigungen nach §§ 6 b, 6 c EStG in Anspruch nehmen.

KStG 1965 § 3 Abs. 2 i.d.F. des § 14 GDL; EStG 1965 ff. §§ 6b, 6c, 13 Abs. 1 Nr. 4.

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Forstgenossenschaft, die nach dem Realverbandsgesetz für Niedersachsen vom 4. November 1969 (Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt - NiedersGVBl - 1969, 187) zu den Realverbänden gehört und eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist. Sie besteht aus 22 Anteilen. Im Wirtschaftsjahr vom 1. Oktober 1979 bis 30. September 1980 erzielte sie aus der Veräußerung von Bauplätzen einen Erlös von ... DM. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte den Erlös aus der Veräußerung der Bauplätze beim laufenden Gewinn des betreffenden Wirtschaftsjahres und erfaßte diesen anteilig bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte für das Streitjahr 1980.

Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein mit der Begründung, daß "die Gewinnanteile aus dem Verkauf von Forstgelände für Bauland den Anteilsinhabern als Betriebsrücklage gemäß § 6 b und § 6 c EStG zugeschrieben werden müßte". Die Genossenschaft selbst beabsichtigte nicht die Bildung einer solchen Rücklage.

Das FA wies den Einspruch mit der Begründung zurück, daß es sich bei der Klägerin um eine Körperschaft i. S. des § 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) handele, für die gemäß § 3 Abs. 2 KStG Körperschaftsteuerpflicht nicht bestehe. Ihre Einkünfte seien im Wege der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung unmittelbar bei den Beteiligten als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft zu versteuern. Hieraus folge jedoch nicht, daß die Beteiligten steuerlich Mitunternehmer des Betriebes der Klägerin seien. Der Gewinn bleibe Gewinn der Körperschaft und sei nicht mit dem für eine Personengesellschaft festzustellenden Gewinn vergleichbar. Eine Übertragung aufgedeckter stiller Reserven auf Wirtschaftsgüter in Betrieben der einzelnen Beteiligten sei daher nicht zulässig.

Hiergegen richtete sich die Klage, mit der beantragt wurde, für die Mitglieder A (fünf Anteile) und B (zwei Anteile) die Bildung einer Rücklage beim Betriebsvermögen ihres gemeinsamen landwirtschaftlichen Betriebes anzuerkennen. Die Klägerin trug vor, die Forstgenossenschaft als Realgemeinde werde steuerlich wie eine Personengesellschaft behandelt. Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) würden die Einkünfte solcher Realgemeinden steuerlich direkt bei den Anteilseignern erfaßt. Daher stehe jedem Beteiligten der Freibetrag nach § 13 Abs. 3 EStG auch dann zu, wenn er lediglich über Anteile an einer Realgemeinde verfüge, ohne einen landwirtschaftlichen Betrieb zu besitzen. Auch Sondervorschriften, wie beispielsweise § 34 EStG, §§ 76 ff. der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV), seien den Beteiligten zu gewähren. Daraus ergebe sich, daß auch eine steuerfreie Rücklage gemäß § 6 b und § 6 c EStG auf land- und forstwirtschaftliche Betriebe der beteiligten Gesellschafter übertragen werden könne.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Mit der Revision beantragt die Klägerin, das Urteil des Niedersächsischen FG aufzuheben und die Übertragung der steuerfreien Rücklagen gemäß §§ 6 b und 6 c EStG für die beteiligten Mitglieder A und B in Höhe von ... DM und ... DM auf deren eigenen gemeinsam betriebenen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zuzulassen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Gemäß § 3 Abs. 2 KStG i. d. F. des § 14 des Gesetzes über die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft nach Durchschnittsätzen - GDL - i. V. m. § 13 Abs. 1 Nr. 4 EStG 1965 ff. unterliegen die Gewinne von Wald- und Forstgenossenschaften und ähnlichen land- und forstwirtschaftlichen Realgemeinden, soweit sie keinen Gewerbebetrieb unterhalten oder verpachten, der über den Rahmen eines Nebenbetriebes hinausgeht, nicht der Körperschaftsteuer. Sie sind unmittelbar bei den einzelnen Mitgliedern als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft zu versteuern. Da es sich bei den Gewinnen der Realgemeinden um gemeinschaftlich erwirtschaftete Einkünfte handelt, die auf die Mitglieder zu verteilen sind, können sie nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 a der Abgabenordnung (AO 1977) i. V. m. § 3 Abs. 2 KStG nur im Rahmen einer einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung erfaßt werden.

Der Gesetzgeber unterscheidet also innerhalb der genannten Realgemeinden zwischen solchen, die als Körperschaft der Körperschaftsteuer unterliegen, und solchen, die von der Körperschaftsteuer befreit sind und deren Einkünfte wie bei Personengesellschaften im Rahmen der einheitlichen Gewinnfeststellung aufgeteilt festzustellen und danach von den Mitgliedern unmittelbar als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft zu versteuern sind. Bei der letzteren weitaus überwiegenden Gruppe der genannten Genossenschaften negiert also der Gesetzgeber ihre Qualifikation als Körperschaft und behandelt sie steuerrechtlich kraft einer Fiktion wie eine Personengesellschaft. Eine entsprechende Fiktion enthält schon § 25 des Bewertungsgesetzes (BewG) 1965 und seit 1974 § 3 a i. V. m. § 3 BewG. Diese Fiktion stellt nicht nur eine verfahrensrechtliche Vereinfachungsregelung dar. Das wird schon daraus deutlich, daß die Einkünfte bei den Beteiligten nicht unmittelbar als Einkünfte aus Kapitalvermögen anzusetzen sind, wie es Ausschüttungen einer Körperschaft entsprechen würde, sondern als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft der einzelnen Mitglieder; das gilt selbst dann, wenn das betreffende Mitglied sonst kein Land- und Forstwirt ist. Zu dieser von der bis 1965 geltenden Bestimmung des § 4 Abs. 1 Nr. 5 KStG a. F. abweichenden Regelung hat sich der Gesetzgeber offenbar entschlossen, weil die in den alten Markgenossenschaften wurzelnden Realgemeinden in ihrer rechtlichen Gestaltung, vor allem hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse und der Nutzungsrechte den Personengesellschaften teilweise näher stehen als einer juristischen Person im heutigen Sinne (vgl. Gierke, Geschichte des deutschen Körperschaftsbegriffes = Das deutsche Genossenschaftsrecht, 2. Bd. 325 ff.). So hat der erkennende Senat im Urteil vom 5. September 1963 IV 213/58 S (BFHE 78, 294, BStBl III 1964, 117) hinsichtlich der Jahnschaft im Kreise Olpe unter der Geltung des alten Rechts ausgeführt, daß "nach § 3 des Olper Forstgesetzes die Genossen als Miteigentümer am Jahnschaftsvermögen nach den Verhältnissen ihrer Anteile an den Nutzungen und Lasten der Jahnschaft teilnehmen. Dieser Begriff des Miteigentums müsse hier dahin gedeutet werden, daß die Genossen als Vielheit und als Nutzungsberechtigte zusammen mit der Genossenschaft Eigentümer des Jahnschaftsvermögens sind". Ähnliche Eigentumsverhältnisse liegen auch bei den anderen Realgemeinden vor.

Die frühere Regelung nach § 4 Abs. 1 Nr. 5 des bis 1965 geltenden KStG hatte gerade wegen der Schwierigkeiten der sachlichen Zuordnung vieler Realverbände den Zweck, die genannten Realverbände nach altem deutschen Genossenschaftsrecht ohne Rücksicht darauf, ob sie wirklich juristische Personen waren, steuerlich einheitlich zu behandeln. Sie wurden deshalb einheitlich als der Körperschaftsteuer unterliegende Realverbände bei weitgehender Befreiung von der Körperschaftsteuer insgesamt in das KStG aufgenommen (vgl. dazu Kennerknecht, Kommentar zum Körperschaftsteuergesetz 1934, 12. Lieferung, Anm. 45 bis 48 zu § 4, und Blümich/Klein/Steinbring/Stutz, Körperschaftsteuergesetz 1965, Kommentar, Anm. 12 zu § 4). Wegen der erkannten nachteiligen Folgen dieser Zuordnung bei den land- und forstwirtschaftlichen Realverbänden entschloß sich der Gesetzgeber zu der obigen Änderung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 EStG. Im Schriftlichen Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages (BT-Drucks. IV/3568 S. 6) heißt es hierzu: "Die Änderung des § 13 Abs. 1 Ziff. 4 EStG ist in Verbindung mit der Änderung des Körperschaftsteuergesetzes in § 13 a GDL (im weiteren Gesetzgebungsverfahren geändert in § 14 GDL) zu sehen. Hier wird gesagt, daß Hauberg-, Wald-, Forst- und Laubgenossenschaften und ähnliche Realgemeinden nicht körperschaftsteuerpflichtig sind, sondern daß ihre Einkünfte unmittelbar bei den Beteiligten zu versteuern sind. In § 13 Abs. 1 Ziff. 4 EStG ist hierzu ergänzend gesagt, daß die Einkünfte der bezeichneten Genossenschaften und Realgemeinden zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft gehören. Mit dieser Regelung soll erreicht werden, daß die gemeinsame Bewirtschaftung von Wald, die aufgrund der Rechtsprechung aus steuerlichen Gründen gefährdet war (vgl. BFH-Urteil in BFHE 78, 294, BStBl III 1964, 117), weiter fortgeführt wird." Der Gesetzgeber wollte also gerade die in dem genannten Urteil ausgesprochene Rechtsfolge verhindern, wonach den Genossen, da sie nur Ausschüttungen einer Körperschaft erhielten, also Einkünfte aus Kapitalvermögen, die Steuervergünstigung für Waldnutzungen nach § 34 Abs. 3 EStG 1950/52 (§ 34 b ab EStG 1955) nicht gewährt werden kann. Das erreichte er durch die unmittelbare Zurechnung der Einkünfte als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft bei den Mitgliedern. Wenn er in § 3 Abs. 2 KStG trotzdem die bei einer solchen Realgemeinde erzielten Einkünfte als "ihre Einkünfte" bezeichnet, so ist darin - ebenso wie in § 3 Abs. 1 KStG - nur eine sprachliche Vereinfachung zu sehen.

Aufgrund aller dieser sich aus der rechtlichen Entwicklung ergebenden Fakten gelangt der Senat zu dem Ergebnis, daß die Bestimmungen des § 3 Abs. 2 KStG und des § 13 Abs. 1 Nr. 4 EStG nicht nur verfahrensrechtlich Bedeutung haben, sondern ihr Sinn und Zweck gerade darin liegt, die Mitglieder der genannten Realgemeinden mit ihren anteiligen Einkünften wie bei einer land- und forstwirtschaftlichen Mitunternehmerschaft mit allen Konsequenzen als Land- und Forstwirte zu behandeln. Dazu gehört auch, entsprechend § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977, das Vermögen des Realverbandes wie das Betriebsvermögen einer Mitunternehmerschaft den Mitgliedern anteilig zuzurechnen, wie es auch in §§ 3, 3 a BewG 1974 vorgeschrieben ist. Das hat zur Folge, daß das betreffende Mitglied bei Veräußerungen von Holz oder von Grund und Boden für seinen Anteil am Gewinn alle steuerlichen Vergünstigungen beanspruchen kann, die ein Land- und Forstwirt als Mitunternehmer beanspruchen könnte. Das bedeutet auch, daß im Falle der Veräußerung von begünstigten Wirtschaftsgütern i. S. der §§ 6 b, 6 c EStG in entsprechender Anwendung der Grundsätze des Abschn. 41 b Abs. 5 der Einkommensteuer-Richtlinien 1978 die Übertragung der aufgedeckten stillen Reserven auch auf begünstigte Investitionen der land- und forstwirtschaftlichen Einzelbetriebe der Beteiligten bzw. die Bildung entsprechender Rücklagen zulässig ist, was die Klägerin mit ihrem Rechtsmittel erstrebt (gleicher Auffassung Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, 3. Aufl., Bd. 1 Rdnrn. 136, 139; ebenso Verfügung der Oberfinanzdirektion Hannover vom 13. Februar 1967 S 2716-1-StH 231, Deutsche Steuer-Zeitung/Eildienst, 1967, 116).

Die Vorentscheidung, die von der gegenteiligen Auffassung ausgegangen ist, war daher aufzuheben. Die Sache wird an das FG zurückverwiesen, damit es prüfen kann, ob bei den betreffenden Beteiligten sämtliche Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der begehrten Rücklage nach §§ 6 b oder 6 c EStG gegeben sind, und dementsprechend den in der einheitlichen Gewinnfeststellung festgestellten Gewinn mindern kann.