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BFH-Urteil vom 23.1.1986 (IV R 108/85) BStBl. 1986 II S. 539

1. Hat das FA aufgrund der gemeinsamen Erklärungen der Ehegatten den Ehemann als Alleininhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes angesehen und bestandskräftig veranlagt, kann das Vorliegen einer Mitunternehmerschaft der Eheleute erstmals nicht im Verfahren betreffend die Mitteilung über den Beginn der Buchführungspflicht nach § 141 Abs. 2 AO 1977 geltend gemacht und entschieden werden, sondern nur im gesonderten Gewinnfeststellungsverfahren nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 a AO 1977, bzw. in Fällen von geringerer Bedeutung (§ 180 Abs. 3 AO 1977) im Einkommensteuerveranlagungsverfahren.

2. Die Mitteilung über den Beginn der Buchführungspflicht nach § 141 Abs. 2 AO 1977 ist rechtswirksam, wenn sie demjenigen Ehegatten bekanntgegeben wird, der gegenüber dem FA in den vorangegangenen gemeinsamen Steuererklärungen der Ehegatten - mit dem Einverständnis des anderen Ehegatten - als Betriebsinhaber aufgetreten ist und die wirklichen Inhaber - das ist entweder der andere Ehegatte oder die beiden Ehegatten zusammen - dem FA im zuständigen Verfahren (s. oben) weder bekanntgeworden noch von ihm festgestellt worden sind.

AO 1977 § 34 Abs. 1, § 35, § 122 Abs. 1, § 141 Abs. 1 und 2, § 180 Abs. 1 Nr. 2a, Abs. 3.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

I.

In der Sache ist streitig, ob die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) ab 1. Juli 1981 buchführungspflichtig sind.

Die Kläger sind Eheleute, die im Güterstand der Gütergemeinschaft leben. Zum Gesamtgut gehört ein land- und forstwirtschaftlicher Hof mit einem Wirtschaftswert von 37.284 DM. Weiter sind Flächen in der Größe von 7,37 ha, für die der Wirtschaftswert 5.519 DM beträgt, hinzugepachtet.

Mit Schreiben vom 16. Februar 1981 teilte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) dem Kläger mit, daß er gemäß § 141 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) verpflichtet sei, vom 1. Juli 1981 an Bücher zu führen, weil der Wirtschaftswert 40.000 DM übersteige. Die Aufforderung adressierte das FA an den Kläger selbst. Eine Rechtsbehelfsbelehrung war nicht beigefügt. Am 23. Juni 1981 legte der jetzige Prozeßbevollmächtigte im Namen beider Eheleute Beschwerde gegen die Aufforderung vom 16. Februar 1981 ein, und zwar mit der Begründung, Unternehmer des landwirtschaftlichen Betriebs seien beide Eheleute als Mitunternehmer; die nur dem Ehemann bekanntgegebene Mitteilung über den Beginn der Buchführung sei daher unwirksam. Die Beschwerde blieb erfolglos. In der Beschwerdeentscheidung vom 3. Juni 1982 führte die Oberfinanzdirektion (OFD) im wesentlichen aus, nach § 122 Abs. 1 i.V.m. § 34 Abs. 2 AO 1977 reiche es aus, wenn die Aufforderung, Bücher zu führen, an einen der beiden Ehegatten mit Wirkung gegenüber dem anderen ergehe.

Hiergegen richtete sich die Klage, mit der die Kläger vortrugen, das FA habe gegen § 122 Abs. 1 AO 1977 verstoßen.

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, der Bescheid vom 16. Februar 1981 sei rechtswidrig, weil er zu Unrecht den Kläger allein als buchführungspflichtig ansehe. Der Kläger sei nicht buchführungspflichtig geworden; buchführungspflichtig sei vielmehr die Gütergemeinschaft der Ehegatten. Der inhaltlich falsche Bescheid vom 16. Februar 1981 sei auch nicht durch die Beschwerdeentscheidung der OFD geheilt worden. Zwar führe die OFD aus, buchführungspflichtig sei die Gütergemeinschaft. Sie halte die Buchführungspflicht jedoch weiter vom 1. Juli 1981 an aufrecht, obwohl die Beschwerdeentscheidung erst am 4. Juni 1982 der Gütergemeinschaft bekanntgegeben worden sei.

Mit der wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache vom erkennenden Senat zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung der §§ 34 und 122 AO 1977. Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Kläger beantragen nach ihrer Revisionserwiderung sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des FA ist begründet.

1. Die steuerliche Buchführungspflicht nach § 141 Abs. 1 AO 1977 ist gemäß § 141 Abs. 2 AO 1977 vom Beginn des Wirtschaftsjahres an zu erfüllen, das auf die Bekanntgabe der Mitteilung folgt, durch die die Finanzbehörde auf den Beginn dieser Verpflichtung hingewiesen hat.

Nach der Rechtsprechung des Senats ist diese Mitteilung des FA ein selbständiger, anfechtbarer Verwaltungsakt. Er ist demjenigen bekanntzugeben, für den er inhaltlich bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird (§ 122 Abs. 1 AO 1977). Das ist grundsätzlich der Inhaber des Betriebes als Unternehmer oder mehrere gemeinsame Inhaber als Mitunternehmerschaft.

Ist diese Mitteilung inhaltlich für eine Mitunternehmerschaft, z. B. eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) der Ehegatten bestimmt, so ist sie an die Mitunternehmerschaft zu adressieren. Sie kann jedem Mitunternehmer bekanntgegeben werden. Das FA kann sich gemäß § 122 Abs. 1, § 34 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 jedoch auf die Bekanntgabe an einen vertretungsberechtigten Gesellschafter beschränken. Dies gilt auch, falls die Gesellschafter entsprechend der gesetzlichen Regelung für die GbR (§§ 709, 714 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB - ) nur gemeinsam vertretungsberechtigt sind; denn im Falle der Gesamtvertretung ist jeder Gesamtvertreter zur Entgegennahme von Erklärungen allein berechtigt (vgl. Palandt/Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 45. Aufl., § 167 Anm. 3 c).

2. Bei der Anwendung dieser Grundsätze ist jedoch den Besonderheiten der Land- und Forstwirtschaft Rechnung zu tragen. Hier ist durch die Verquickung vertraglicher und familiärer Beziehungen zwischen den Ehegatten für einen Außenstehenden häufig nicht ohne weiteres erkennbar, wer Inhaber des Betriebs ist. Auch das FA ist häufig auf die Angaben desjenigen angewiesen, der den Betrieb nach außen führt. Tritt dementsprechend ein Ehegatte im Einverständnis mit dem anderen Ehegatten gegenüber dem FA als Betriebsinhaber auf und ergeht ihm gegenüber eine Mitteilung nach § 141 Abs. 2 AO 1977, so muß der andere Ehegatte diese Mitteilung gegen sich gelten lassen, auch wenn ihm ein Teil des eingesetzten Vermögens gehört und daraus eine Mitunternehmerschaft abgeleitet werden kann. Das Einverständnis des Ehegatten ist insbesondere bei der Abgabe gemeinsamer Einkommensteuererklärungen anzunehmen, in denen nur ein Ehegatte als Betriebsinhaber bezeichnet wird.

Der Senat läßt sich hierbei auch von der Überlegung leiten, daß in einem Verfahren nach § 141 Abs. 2 AO 1977 nicht abschließend über das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Mitunternehmerschaft entschieden werden kann. Hierzu ist vielmehr das gesonderte Gewinnfeststellungsverfahren nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 a AO 1977, in Fällen geringerer Bedeutung (§ 180 Abs. 3 AO 1977) auch das Einkommensteuerveranlagungsverfahren bestimmt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25. April 1985 IV R 92/82, BFHE 143, 404, BStBl II 1985, 486). Eine Mitunternehmerschaft der Eheleute anstelle einer bisher angenommenen Alleinunternehmerschaft des Ehemannes kann also erstmals nicht im Verfahren betreffend die Mitteilung über den Beginn der Buchführungspflicht nach § 141 Abs. 2 AO 1977 geltend gemacht und entschieden werden. Dies gilt gerade auch, wenn die Mitunternehmerschaft aus einer bestehenden Gütergemeinschaft abgeleitet werden soll. Die Kläger verkennen, daß zwar die Gütergemeinschaft bei Landwirtseheleuten nach der Rechtsprechung des Senats eine Mitunternehmerschaft begründen kann, diese Folgerung aber nicht zwingend ist, weil Vereinbarungen, wie z. B. Pachtverträge und andere Verträge zwischen den in Gütergemeinschaft lebenden Eheleuten einen Ehepartner zum Alleinunternehmer machen können. Diese Umstände können nur in dem dafür vorgesehenen Verfahren geprüft und entschieden werden.

Solange daher das Vorliegen einer Mitunternehmerschaft im zuständigen Verfahren nicht einmal geltend gemacht wurde, vielmehr ein Ehegatte mit Billigung des anderen dem FA gegenüber als alleiniger Betriebsinhaber aufgetreten ist, muß und kann das FA mangels besserer Kenntnis die Mitteilung über den Beginn der Buchführungspflicht nur an diesen Ehegatten richten. Sollte sich im zuständigen Verfahren ergeben, daß die Ehegatten nach den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen schon im Zeitpunkt des Beginns der Buchführungspflicht Mitunternehmer waren, gilt die Buchführungspflicht auch gegenüber der Mitunternehmerschaft und damit auch gegenüber demjenigen Ehegatten, dem die betreffende Mitteilung nicht bekanntgegeben wurde. Denn auch er hat den falschen Anschein hinsichtlich der Inhaberschaft des anderen Ehegatten erweckt und muß daher das Verhalten des anderen Ehegatten, der mit seinem Einverständnis im eigenen Namen aufgetreten ist, gegen sich gelten lassen. Der Einwand der Unwirksamkeit einer solchen an einen Ehegatten gerichteten Mitteilung verstößt gegen das Verbot des venire contra factum proprium, d. h. gegen Treu und Glauben.

3. Die streitgegenständliche Mitteilung des FA an den Kläger mit dem Hinweis, daß er ab 1. Juli 1981 zur Buchführung verpflichtet ist, erfüllt danach die gesetzlichen Voraussetzungen. Sie wurde demjenigen bekanntgegeben, für den sie inhaltlich bestimmt war. Denn das FA ist davon ausgegangen, daß der Kläger Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebes war. Das FA hat vor dem FG mit Recht darauf hingewiesen, daß es nach den gemeinsamen Steuererklärungen der Kläger bis zum 16. Februar 1981, dem Tag der Absendung der Mitteilung, davon ausgehen mußte, daß Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebes nicht die Ehegatten gemeinsam, sondern der Kläger allein war. In der von beiden Ehegatten unterschriebenen Einkommensteuererklärung für 1979 vom Januar 1981 und in der dazugehörigen Anlage L für die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft ist nur der Kläger als Betriebsinhaber angegeben und die Klägerin als Hausfrau bezeichnet. Dementsprechend wurden sie im Einkommensteuerbescheid 1979 vom 12. Juni 1981 auch bestandskräftig veranlagt.

Ihre Mitunternehmerschaft aufgrund der bestehenden Gütergemeinschaft haben die Kläger erstmals in der Beschwerde gegen die Mitteilung über den Beginn der Buchführungspflicht vom 23. Juni 1981 geltend gemacht. Dieser Einwand der Mitunternehmerschaft der Ehegatten ist daher nicht geeignet, die nur an den Kläger gerichtete Mitteilung über den Beginn der Buchführungspflicht als unwirksam zu erweisen und damit die Buchführungspflicht zu Fall zu bringen.

Die Vorentscheidung, die von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.