| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

 

BFH-Urteil vom 25.2.1986 (VIII R 271/81) BStBl. 1986 II S. 528

Werden Sonderabschreibungen gemäß § 82 f EStDV für eine Zeitspanne in Anspruch genommen, während der sowohl Einkommen- als auch Gewerbesteuerpflicht besteht, so wirken sie sich auch dann in vollem Umfang und nicht nur zeitanteilig auf den Gewerbeertrag aus, wenn die Gewerbesteuerpflicht nicht während des gesamten Einkommensteuerveranlagungszeitraums bestanden hat.

GewStG (1974) § 7, § 10a, § 14 Abs. 2; EStG §§ 4, 5, 15; EStDV § 82f.

Vorinstanz: FG Hamburg

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Partenreederei. Sie ermittelt ihren Gewinn nach § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Das Geschäftsjahr ist gleich dem Kalenderjahr.

Die Klägerin betrieb mit dem im Februar 1970 in Dienst gestellten MS "W" in den Jahren 1970 bis 1972 und in den Streitjahren 1974 bis 1975 die Seeschiffahrt. In der Zeit vom 16. Januar 1972 bis 15. Januar 1974 war das Schiff in der Form einer bare-boat-charter verpachtet. Eine Betriebsaufgabe hat die Klägerin bei Beginn dieser Charter nicht erklärt.

Die Klägerin und der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) stimmen darin überein, daß die Klägerin in der Zeit vom 16. Januar 1972 bis 15. Januar 1974 einkommensteuerrechtlich weiterhin Einkünfte aus Gewerbebetrieb bezog, aber mangels werbender Tätigkeit nicht gewerbesteuerpflichtig war.

Für die Streitjahre 1974 und 1975 ermittelte die Klägerin jeweils einen positiven Gewerbeertrag, kürzte diesen jedoch gemäß § 10 a des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) um einen auf die Zeit vom 1. Januar bis 15. Januar 1972 entfallenden Gewerbeverlust in Höhe von 1.061.999,91 DM.

Bei der Ermittlung dieses Gewerbeverlustes ging die Klägerin davon aus, daß der aufgrund ordnungsmäßiger Buchführung nach § 5 EStG für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1972 ermittelte Verlust 1.166.485,84 DM beträgt und daß in diesem Verlust Sonderabschreibungen nach § 82 f der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) von 1.052.517 DM enthalten sind. Den auf den Zeitraum vom 1. Januar bis 15. Januar 1972 entfallenden Verlust ermittelte die Klägerin in der Weise mit 1.061.999,91 DM, daß sie den Jahresverlust um den auf die Zeit vom 16. Januar bis 31. Dezember 1972 entfallenden Verlust von 104.485,93 DM kürzte; diesen Verlust errechnete die Klägerin durch Gegenüberstellung der Charter-Einnahmen und der mit ihnen in Zusammenhang stehenden Aufwendungen einschließlich der Absetzung für Abnutzung (AfA) nach § 7 EStG, aber ohne Berücksichtigung der Sonderabschreibungen nach § 82 f EStDV.

Das FA erkannte demgegenüber bei der Festsetzung des Gewerbesteuermeßbetrags für 1974 lediglich einen Gewerbeverlust 1972 von 40.037 DM an, weil die Sonderabschreibungen nach § 82f EStDV nicht allein dem gewerbesteuerpflichtigen Zeitraum vom 1. Januar bis 15. Januar 1972, sondern dem gesamten Wirtschaftsjahr 1972 zuzuordnen und auf die Zeit vom 1. Januar bis 15. Januar 1972 einerseits und 16. Januar bis 31. Dezember 1972 andererseits zeitanteilig aufzuteilen seien; die Sonderabschreibungen könnten deshalb bei der Ermittlung des Gewerbeverlustes 1972 nur mit 15/365 von 1.052.517 DM angesetzt werden (Gewerbesteuermeß- und Gewerbesteuerbescheid 1974 vom 24. Juni 1977; Gewerbesteuermeß- und Gewerbesteuerbescheid 1975 vom 15. Dezember 1977; Einspruchsentscheidung vom 26. April 1979).

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, daß bei der Ermittlung des nach § 10 a GewStG abzugsfähigen Gewerbeverlustes aus 1972 (1. Januar bis 15. Januar 1972) die Sonderabschreibungen nach § 82f EStDV nicht nur zeitanteilig, sondern in voller Höhe zu berücksichtigen seien. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1981, 407 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts, insbesondere des § 10 a Satz 1 GewStG und des § 82 f EStDV. Zur Begründung wird im wesentlichen ausgeführt, daß als Gewerbeertrag nur die im gewerbesteuerpflichtigen Zeitraum bezogenen Einkünfte maßgeblich seien. Der auf die Zeit bis zum Beginn der Vercharterung entfallende Anteil am Gewinn oder Verlust sei nicht besonders ermittelt worden. Demgemäß sei der Gewinn oder Verlust des ganzen Jahres durch Schätzung auf die Zeiträume vor und nach Pachtbeginn aufzuteilen (Abschn. 15 Abs. 4 der Gewerbesteuer-Richtlinien - GewStR -). Danach sei vom Gewinn oder Verlust des ganzen Jahres auszugehen; dieser umfasse begriffsnotwendig bereits die Sonderabschreibungen. Werde dieser Gewinn des ganzen Jahres auf die Zeiträume vor und nach Ende der Gewerbesteuerpflicht verteilt, entfalle auf den ersten Zeitraum logischerweise nur ein entsprechender Teil der Sonderabschreibungen. Nach der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung des § 82f EStDV sei für Sonderabschreibungen erforderlich, daß der Gewinn aufgrund ordnungsmäßiger Buchführung ermittelt worden ist. Gehe man mit dem FG davon aus, daß gewerbesteuerrechtlich ein Rumpfwirtschaftsjahr 1. Januar bis 15. Januar 1972 bestanden habe, müsse auch der Gewinn für das Rumpfwirtschaftsjahr aufgrund ordnungsmäßiger Buchführung ermittelt sein. Dazu sei aber erforderlich, daß zum Ende des Rumpfwirtschaftsjahres, in dem die Sonderabschreibungen in Anspruch genommen werden, eine Schlußbilanz aufgestellt werde. Daran fehle es im Streitfall.

Das FA beantragt die Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zu Recht die Gewerbesteuermeßbeträge 1974 und 1975 herabgesetzt.

1. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, daß die Gewerbeerträge der Streitjahre gemäß § 10a GewStG auch um Fehlbeträge aus Erhebungszeiträumen vor der Vercharterung des Schiffes gekürzt werden können. Die zwischenzeitliche Vercharterung berührt nicht die Unternehmensidentität. Zwar hatte die Vercharterung, die als Verpachtung eines Gewerbebetriebs anzusehen ist, nur einkommensteuerrechtlich mangels Betriebsaufgabeerklärung zur Folge, daß weiterhin Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt wurden (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13. November 1963 GrS 1/63 S, BFHE 78, 315, BStBl III 1964, 124); gewerbesteuerrechtlich entfiel für die Zeit der Vercharterung ein werbender Betrieb und damit die Gewerbesteuerpflicht (BFHE 78, 315, 321, BStBl III 1964, 124). Dies bedeutete jedoch nicht, daß der bisherige Gewerbebetrieb entfiel. Er ruhte lediglich und wurde bei Beendigung der Vercharterung in der früheren Form wieder aufgenommen. Der zwischenzeitliche Wegfall der werbenden Tätigkeit ließ die substantiellen Grundlagen des Betriebs unverändert.

2. Gemäß § 82f EStDV können Steuerpflichtige, die den Gewinn aufgrund ordnungsmäßiger Buchführung nach § 5 EStG ermitteln, bei Handelsschiffen, die in einem inländischen Seeschiffsregister eingetragen sind, im Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder der Herstellung und in den vier folgenden Wirtschaftsjahren neben den nach § 7 EStG zu bemessenden AfA bis zu insgesamt 30 v. H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten abschreiben. Die Klägerin hat - wovon auch das FA ausgeht - die in dieser Vorschrift festgelegten Voraussetzungen jedenfalls für den Bereich des Einkommensteuerrechts erfüllt.

3. Decken sich der einkommensteuerrechtlich bedeutsame Gewinnermittlungszeitraum und der für die Festsetzung des Gewerbesteuermeßbetrags maßgebliche Erhebungszeitraum (§ 14 Abs. 2 GewStG), so ist gemäß § 7 GewStG der Gewerbeertrag gleich dem Gewinn aus Gewerbebetrieb i. S. von §§ 4, 5, 15 EStG, vermehrt und vermindert um die in §§ 8, 9 GewStG bezeichneten Beträge. Die Folge davon ist, daß grundsätzlich die Inanspruchnahme der Sonderabschreibungen gemäß § 82 f EStDV auf die Ermittlung des Gewerbeertrags durchschlägt.

4. Sind der einkommensteuerrechtliche Gewinnermittlungszeitraum und der für die Festsetzung des Gewerbesteuermeßbetrags maßgebliche Erhebungszeitraum dadurch nicht deckungsgleich, daß einkommensteuerrechtlich zwar für den gesamten Veranlagungszeitraum Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt wurden, gleichwohl aber die Gewerbesteuerpflicht nur für einen Teil dieses Zeitraums bestand, so muß der Gewerbeertrag als der auf die Dauer der Gewerbesteuerpflicht entfallende Anteil des im einkommensteuerrechtlich bedeutsamen Gewinnermittlungszeitraum erzielten Gewinns ermittelt werden. Die Klägerin hat diesen Anteil nach den vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen dadurch errechnet, daß sie den aufgrund der ordnungsmäßigen Buchführung ermittelten Jahresverlust 1972 um den nach dem Zeitpunkt der Vercharterung entstandenen und offenbar genau berechenbaren Verlust kürzte. Diese Methode der Ermittlung des Gewerbeertrags begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

5. Hat ein Steuerpflichtiger beim Auseinanderfallen des einkommensteuerrechtlichen Gewinnermittlungszeitraums und des gewerbesteuerrechtlichen Erhebungszeitraums im Zuge der Ermittlung des einkommensteuerrechtlich bedeutsamen Gewinns Bewertungswahlrechte ausgeübt, für deren Inanspruchnahme ein bestimmter Tag gesetzlich nicht vorgeschrieben ist, so kann dieses Wahlrecht für den Zeitabschnitt ausgeübt worden sein, in dem sich beide Zeiträume decken. Es kann aber auch mit Wirkung für einen außerhalb dieser Zeitspanne liegenden Zeitpunkt, zu dem nur die Einkommensteuerpflicht, nicht dagegen die Gewerbesteuerpflicht bestand, in Anspruch genommen worden sein.

6. Die Sonderabschreibung gemäß § 82 f EStDV kann beliebig während einer Zeitspanne von fünf Jahren (Veranlagungszeiträumen) in Anspruch genommen werden. Da es sich bei dieser Sonderabschreibung nicht um eine vom Zeitablauf abhängige Verringerung des Buchwerts handelt, mindert ihre Inanspruchnahme in vollem Umfang den Gewinn des jeweiligen Veranlagungs-(Erhebungs-)zeitraums, gleichviel ob dieser - wie regelmäßig - zwölf Monate oder - aus besonderen Gründen - eine geringere Zeitspanne umfaßt.

Wird die Sonderabschreibung gemäß § 82f EStDV während eines Jahres (Veranlagungszeitraums) in Anspruch genommen, während dessen die Gewerbesteuerpflicht ruht, so wirkt sie sich naturgemäß gewerbesteuerrechtlich nicht aus. Die Rechtslage ist in einem solchen Falle vergleichbar mit der infolge Zerstörung eines Wirtschaftsguts des Betriebsvermögens vorzunehmenden Teilwertabschreibung während des Ruhens der Gewerbesteuerpflicht. Auch in diesem Falle wirken sich die durch die Teilwertabschreibung verursachte Gewinnminderung oder der durch sie eingetretene Verlust nur bei der Einkommensteuer aus. Der Vortrag eines fiktiven Fehlbetrags gemäß § 10a GewStG in die Zeit nach dem Ruhen der Gewerbesteuerpflicht kommt nicht in Betracht.

Wird die Sonderabschreibung dagegen vor dem Ruhen oder nach dem Ablauf des Ruhens der Gewerbesteuerpflicht in Anspruch genommen, so wirkt sie sich bei der Gewerbesteuer in gleicher Weise wie bei der Einkommensteuer aus. Dies muß unabhängig davon gelten, ob die Gewerbesteuerpflicht zeitgleich mit dem Ablauf eines einkommensteuerrechtlichen Veranlagungszeitraums oder während eines solchen Veranlagungszeitraums beginnt oder endet.

7. Bei der Beantwortung der Frage, mit Wirkung zu welchem Zeitpunkt ein Bewertungswahlrecht ausgeübt wurde, kann nicht darauf abgestellt werden, wann erstmals in der Buchführung dieser Vorgang erkennbar wurde. Bewertungsfragen werden meist und zulässigerweise erst nach Ablauf des Gewinnermittlungszeitraums, aber mit Wirkung für diesen im Zuge der Bilanzerstellung entschieden, ohne daß dadurch die Ordnungsmäßigkeit der Gewinnermittlung in Frage gestellt wird (s. u. a. zur sog. Wertaufhellungstheorie Urteil des Senats vom 19. Dezember 1972 VIII R 18/70, BFHE 108, 106, BStBl II 1973, 218). Eine Verpflichtung des Kaufmanns, im Falle des § 82f EStDV die Inanspruchnahme der Sonderabschreibung sofort in der Buchführung deutlich zu machen, läßt sich der Vorschrift nicht entnehmen. Es ist deshalb davon auszugehen, daß dieses Wahlrecht jedenfalls dann rechtzeitig ausgeübt wurde, wenn es bei zeitgerechter Bilanzerstellung im Zuge der erstmaligen Ermittlung des Gewinns aus Gewerbebetrieb (Einkommensteuer) bzw. des Gewerbeertrags (Gewerbesteuer) zum Ausdruck gebracht wurde.

Endet - wie im vorliegenden Falle - der für die Ermittlung des Gewerbeertrags maßgebende Erhebungszeitraum früher als der für die Einkommensteuer maßgebende Veranlagungszeitraum, so kann für beide Steuerarten mit Einreichung der Steuererklärungen dem FA gegenüber kundgetan werden, daß von der Sonderabschreibung i. S. von § 82f EStDV Gebrauch gemacht wurde. Es würde einer nach Sinn und Zweck der Vorschrift nicht gebotenen Überspitzung der an den Steuerpflichtigen zu stellenden Anforderungen gleichkommen, wollte man die Sonderabschreibung bei der Gewerbesteuer nur in solchen Fällen anerkennen, in denen bereits am Tage des Endes der Gewerbesteuerpflicht aus der Buchführung die Inanspruchnahme des § 82f EStDV zu ersehen ist. Denn in diesem Falle würde für die Inanspruchnahme der Vergünstigung bei der Gewerbesteuer ein strengerer Maßstab angelegt werden als bei der Einkommensteuer.

8. Der Inanspruchnahme der Sonderabschreibung steht schließlich nicht entgegen, daß eine Bilanz zum Ende der Gewerbesteuerpflicht (15. Januar 1972) nicht erstellt wurde. Zwar gehört das Vorhandensein einer ordnungsmäßigen Buchführung zu den in § 82f EStDV und § 10a GewStG a. F. genannten Voraussetzungen. Der Buchführung der Klägerin kann indes für die Zeit vom 1. Januar bis zum 15. Januar 1972 die Ordnungsmäßigkeit nicht deshalb abgesprochen werden, weil eine Bilanz auf den 15. Januar 1972 nicht erstellt wurde. Denn wenn die Buchführung - wovon die Beteiligten übereinstimmend ausgehen - ordnungsgemäß i. S. von § 82f EStDV, § 5 EStG war, muß jedenfalls dann von ihrer Ordnungsmäßigkeit auch für den Bereich der Gewerbesteuer ausgegangen werden, wenn dem Fehlen einer (Zwischen-)Bilanz zum Ende des für die Gewerbesteuer maßgeblichen Rumpfwirtschaftsjahres nur formale Bedeutung zukommt. Dies kann nach Sachlage im vorliegenden Falle angenommen werden.