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BFH-Beschluß vom 11.12.1984 (VII B 41/84) BStBl. 1985 II S. 197

Der Vollstreckungsschuldner kann die Anordnung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zur Bekräftigung eines Vermögensverzeichnisses (früher Offenbarungseid) mit der Beschwerde anfechten, über die die betreibende Vollstreckungsbehörde entscheidet. Da diese Beschwerde aufschiebende Wirkung hat (§ 284 Abs. 5 Satz 3 AO 1977), fehlt für einen Antrag auf einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutz das Rechtsschutzbedürfnis.

AO 1977 § 284; FGO §§ 69, 114.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) betreibt wegen Steuerrückständen die Zwangsvollstreckung gegen den Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller). Nachdem ihm Vollstreckungsversuche in das bewegliche Vermögen aussichtslos erschienen, forderte das FA mit Verfügung vom 15. November 1983 den Antragsteller zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 284 der Abgabenordnung (AO 1977) auf. In dem hierfür anberaumten Termin ist der Antragsteller ohne Entschuldigung nicht erschienen. Daraufhin ersuchte das FA mit Verfügung vom 2. Februar 1984 das zuständige Amtsgericht gemäß § 284 Abs. 7 AO 1977, die Haft zur Erzwingung der eidesstattlichen Versicherung anzuordnen.

Der Antragsteller beantragte beim FG sinngemäß, im Wege der einstweiligen Anordnung festzustellen, daß die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht gerechtfertigt sei. Das Finanzgericht (FG) wies den Antrag zurück.

Entscheidungsgründe

Mit der Beschwerde beantragt der Antragsteller, unter Aufhebung der Vorentscheidung das FA im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, von dem Verlangen nach Abgabe der eidesstattlichen Versicherung abzusehen.

Dem Antragsteller fehlte für den vorliegenden Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung das Rechtsschutzbedürfnis. Das mangelnde Rechtsschutzbedürfnis machte den beim FG gestellten Antrag unzulässig; die gegen die ablehnende gerichtliche Entscheidung erhobene Beschwerde ist daher unbegründet.

1. Die mit der Ladung zu dem Termin (§ 284 Abs. 5 Satz 1 AO 1977) verbundene Anordnung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung stellt einen Verwaltungsakt (§ 118 AO 1977) dar, der mit der Beschwerde anfechtbar ist (§§ 284 Abs. 5 Satz 2, 349 AO 1977; Zwank in Koch, Abgabenordnung - AO 1977, 2. Aufl., § 284 Anm. 11; Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 284 AO 1977 Anm. 32, 33; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 11. Aufl., § 284 AO 1977 Tz. 5). Ein weiterer mit der Beschwerde angreifbarer Verwaltungsakt ist in dem Ersuchen der Vollstreckungsbehörde an das zuständige Amtsgericht um Anordnung der Haft zur Erzwingung der eidesstattlichen Versicherung nach § 284 Abs. 7 Satz 1 AO 1977 zu sehen, nachdem der Vollstreckungsschuldner - wie im Streitfall - ohne ausreichende Entschuldigung in dem zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung anberaumten Termin vor der Vollstreckungsbehörde nicht erschienen ist (vgl. Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a. a. O., § 284 AO 1977 Anm. 48; Tipke/Kruse, a. a. O., § 284 AO 1977 Tz. 9).

Der Antragsteller hatte somit die Möglichkeit, seine Einwendungen gegen die Abgabe der ihm abverlangten eidesstattlichen Versicherung im Verwaltungsverfahren sowohl gegen die Anordnungsverfügung vom 15. November 1983 als auch gegen das Ersuchen des FA an das Amtsgericht um Anordnung der Erzwingungshaft vom 2. Februar 1984 geltend zu machen. Nach der Systematik des einstweiligen Rechtsschutzes nach der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann grundsätzlich vorläufiger gerichtlicher Rechtsschutz gegen anfechtbare belastende Verwaltungsakte (bereits vor Erhebung der Anfechtungsklage in der Hauptsache) über den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Verwaltungsakts nach § 69 Abs. 3 FGO gewährt werden. Der Rechtsschutzweg über § 69 Abs. 3 FGO schließt das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung nach § 114 FGO aus; denn gemäß § 114 Abs. 5 FGO gelten die Vorschriften über den Erlaß einer einstweiligen Anordnung nicht für den Fall des § 69 FGO (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11. Januar 1984 II B 35/83, BFHE 139, 508, BStBl II 1984, 210; Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 114 Anm. 1 A; Tipke/Kruse, a. a. O., § 114 FGO Tz. 1). Wegen der Subsidiarität der einstweiligen Anordnung gegenüber der Aussetzung der Vollziehung wäre demnach bereits nach dem System des vorläufigen Rechtsschutzes nach der FGO der Antrag des Antragstellers an das FG unzulässig.

2. Im Interesse des wirksamen Rechtsschutzes wird zwar in gewissem Umfang die Umdeutung eines Antrags auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung in einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung und umgekehrt für zulässig angesehen (vgl. Gräber, a. a. O., §. 114 Anm. 1 C, und Tipke/Kruse, a. a. O., § 114 FGO Tz. 1, m. w. N.). Im Streitfall kam aber eine Umdeutung des Antrags auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung in einen solchen auf Aussetzung der Vollziehung der Anordnung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung oder des Erzwingungshaftersuchens an das Amtsgericht nach § 69 Abs. 3 FGO durch das FG deshalb nicht in Betracht, weil es wegen der besonderen Regelungen des Rechtsbehelfsverfahrens im Falle der Anordnung einer eidesstattlichen Versicherung zur Bekräftigung eines Vermögensverzeichnisses des vorläufigen Rechtsschutzes durch das Gericht nicht bedarf.

Nach § 284 Abs. 5 Satz 2 AO 1977 entscheidet, wenn der Vollstreckungsschuldner auf die Ladung zum Termin die Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung bestreitet, die betreibende Vollstreckungsbehörde über seine Einwendungen. Die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung erfolgt nach § 284 Abs. 5 Satz 3 AO 1977 erst nach Eintritt der Unanfechtbarkeit dieser Entscheidung. Das bedeutet, daß die Beschwerde gegen die Anordnung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung grundsätzlich aufschiebende Wirkung hat. Erst nach Rechtskraft der Anordnung kann die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung erfolgen (vgl. Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a. a. O., § 284 AO 1977 Anm. 33; Zwank in Koch, a. a. O., § 284 Anm. 11; Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung (AO 1977)/Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., § 284 AO 1977 Anm. 6).

Die Beschwerde gegen die Anordnung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung unterscheidet sich damit in ihrer Wirkung wesentlich von dem Regelfall der Einlegung von Rechtsbehelfen gegen steuerrechtliche Verwaltungsakte. Bei letzteren wird durch die Einlegung des Rechtsbehelfs oder der Klage die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts grundsätzlich nicht gehemmt (§§ 361 Abs. 1 AO 1977, 69 Abs. 1 FGO). Will der Rechtsbehelfsführer die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs erreichen, so muß er bei der Verwaltungsbehörde oder dem FG die Aussetzung der Vollziehung des Verwaltungsakts beantragen und dazu ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit oder den Eintritt einer unbilligen Härte im Falle seiner Vollziehung dartun (§§ 361 Abs. 2 AO 1977, 69 Abs. 2 und 3 FGO). Da aber im Falle der Anordnung zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung bereits die dagegen eingelegte Beschwerde die aufschiebende Wirkung des Verwaltungsakts herbeiführt, bedarf es nicht der Aussetzung der Vollziehung der Anordnungsverfügung durch die Verwaltungsbehörde oder das FG. Das folgt auch aus der entsprechenden Regelung über die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen und die Aussetzung der Vollziehung in der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Nach § 80 Abs. 1 VwGO haben hier Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Eine Aussetzung der Vollziehung durch die Widerspruchsbehörde und das Gericht der Hauptsache kommt nach der ausdrücklichen Regelung in § 80 Abs. 3 und 4 VwGO nur für die Fälle des Abs. 2 in Betracht, in denen der Grundsatz der aufschiebenden Wirkung nicht gilt.

Der Antragsteller hatte demnach die Möglichkeit, seine Einwendungen gegen die Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung im Wege der Beschwerde gegen die Anordnungsverfügung vom 15. November 1983 mit der Rechtsfolge geltend zu machen, daß vor Eintritt der Unanfechtbarkeit der Entscheidung über seine Einwendungen von ihm die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht verlangt werden konnte (§ 284 Abs. 5 Satz 3 AO 1977). Gegen eine abweisende Entscheidung der Vollstreckungsbehörde nach § 284 Abs. 5 Satz 2 AO 1977 stand ihm die Beschwerde an die Oberfinanzdirektion (§ 349 AO 1977) und gegen deren Entscheidung die Anfechtungsklage an das FG zu (vgl. Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a. a. O., § 284 AO 1977 Anm. 33; Kühn/Kutter/Hofmann, a. a. O., § 284 AO 1977 Anm. 6). Auch nach dem Ersuchen des FA an das Amtsgericht um Anordnung der Haft zur Erzwingung der eidesstattlichen Versicherung nach § 284 Abs. 7 AO 1977 blieb das FA als Vollstreckungsbehörde Herr des Verfahrens und damit zuständig für die Entscheidung über etwaige Einwendungen des Antragstellers gegen die Versicherungspflicht (vgl. Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a. a. O., § 284 AO 1977 Anm. 45). Der Antragsteller hat aber weder die Anordnung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung noch das Erzwingungshaftersuchen mit den dafür vorgesehenen Rechtsbehelfen angefochten. Da er die Abgabe der von ihm verlangten eidesstattlichen Versicherung bereits mit der Beschwerde an das FA gegen die Anordnungsverfügung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über seine Einwendungen hätte hindern können, bestand für eine Anrufung des Gerichts zur Erlangung einstweiligen Rechtsschutzes weder im Wege der Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 FGO noch im Wege der beantragten einstweiligen Anordnung nach § 114 FGO ein Rechtsschutzbedürfnis.

Nach § 284 Abs. 5 Satz 4 AO 1977 kann allerdings die Vollstreckungsbehörde die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vor Eintritt der Unanfechtbarkeit ihrer Entscheidung über die Einwendungen des Vollstreckungsschuldners anordnen, wenn bereits frühere Einwendungen unanfechtbar verworfen worden sind. Mit dieser Vorschrift soll einer Verschleppungstaktik des Vollstreckungsschuldners entgegengewirkt werden (Kühn/Kutter/Hofmann, a. a. O., § 284 AO 1977 Anm. 6). Es kann dahinstehen, ob in einem derartigen Falle entsprechend der Regelung des § 80 Abs. 5 i. V. m. Abs. 2 Nr. 4 VwGO einstweiliger Rechtsschutz durch das Gericht angeordnet oder wiederhergestellt werden kann. Denn nach dem Sachverhalt im Streitfall ist eine Entscheidung des FA über frühere Einwendungen des Antragstellers gegen die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung und eine Anordnung ihrer sofortigen Abgabe nach § 284 Abs. 5 Satz 4 AO 1977 nicht ergangen.