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BFH-Urteil vom 14.3.1984 (I R 223/80) BStBl. 1984 II S. 496

Miet- bzw. Pachtverträge zwischen der Trägerkörperschaft und dem Betrieb gewerblicher Art können nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden, soweit es sich um Gegenstände handelt, die für den Betrieb gewerblicher Art eine wesentliche Grundlage sind.

KStG § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 6 Abs. 1 Satz 2.

Vorinstanz: FG München

Sachverhalt

Das Städtische Wasserwerk S. (das Wasserwerk), ein Betrieb gewerblicher Art der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), der Stadt S., zahlte für die Überlassung eines ca. 70 qm großen städtischen Grundstücks mit Gebäude in den Streitjahren 1968 und 1969 an die Klägerin jährlich 1.200 DM Miete. Das Gebäude diente seit spätestens 1939 ausschließlich dem Wasserwerk als Lagerraum und Werkstätte.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) rechnete das Grundstück als betriebsnotwendigen Gegenstand dem Betriebsvermögen des Wasserwerks zu, berücksichtigte jedoch eine jährliche Absetzung für Abnutzung (AfA) von 80 DM als Betriebsausgabe und behandelte die entrichteten Mietzahlungen als verdeckte Gewinnausschüttungen. Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) ließ die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu.

Mit der Revision beantragt die Klägerin, das Urteil des FG, die Einspruchsentscheidung des FA und die Körperschaftsteuerbescheide 1968 und 1969 aufzuheben und die Steuerschuld für die Streitjahre wie folgt festzusetzen: für 1968 Körperschaftsteuer 20.437 DM, Ergänzungsabgabe 613 DM; für 1969 Körperschaftsteuer 23.172 DM, Ergänzungsabgabe 695 DM. Sie beantragt ferner, die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Sie rügt Verletzung des § 6 Abs. 1 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG).

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Der Bundesminister der Finanzen ist dem Verfahren beigetreten.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

Die Klägerin ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG Subjekt der Körperschaftsteuer wegen des Wasserwerks (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13. März 1974 I R 7/71, BFHE 112, 61, BStBl II 1974, 391; vom 6. Oktober 1976 I R 115/75, BFHE 120, 355, BStBl II 1977, 94; vom 1. August 1979 I R 106/76, BFHE 128, 387, BStBl II 1979, 716).

Auf die Beziehungen zwischen der Klägerin (als Trägerkörperschaft) und dem Wasserwerk finden die Grundsätze über die verdeckte Gewinnausschüttung Anwendung, wie sie zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihren Gesellschaftern gelten (vgl. die Zusammenstellung der Rechtsprechung bei Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 6 KStG Anm. 244, Stichwort "Betrieb gewerblicher Art"). Dabei geht die neuere Rechtsprechung von der Möglichkeit aus, daß zwischen der Trägerkörperschaft und dem Betrieb gewerblicher Art Vereinbarungen getroffen werden, obwohl der Betrieb gewerblicher Art kein eigenes Rechtssubjekt ist. Dem steht das Urteil in BFHE 112, 61, BStBl II 1974 391 nicht entgegen, obwohl die frühere Rechtsprechung bei der Prüfung der Frage, ob eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegt, darauf abstellte, daß der Betrieb gewerblicher Art ein selbständiges Rechtssubjekt sei (vgl. etwa BFH-Urteil vom 29. November 1960 I 145/60 U, BFHE 72, 179, BStBl III 1961, 67). Das Urteil in BFHE 112, 61, BStBl II 1974, 391 schließt nicht aus, daß diese Grundsätze zur verdeckten Gewinnausschüttung im Rahmen der gesonderten Einkommensermittlung des Betriebs gewerblicher Art anzuwenden sind; denn das Einkommen ist so zu ermitteln, als ob der Betrieb gewerblicher Art im Verhältnis zur Trägerkörperschaft ein selbständiges Rechtssubjekt wäre (vgl. BFH-Urteil vom 12. Oktober 1978 I R 149/75, BFHE 126, 396, BStBl II 1979, 192).

Obwohl danach grundsätzlich für die Besteuerung Verträge zwischen der Trägerkörperschaft und dem Betrieb gewerblicher Art maßgebend sind, kann dies im vorliegenden Fall nicht gelten. Soweit es sich um Gegenstände handelt, die für den Betrieb gewerblicher Art eine wesentliche Grundlage sind, können Miet- bzw. Pachtverträge zwischen der Trägerkörperschaft und dem Betrieb gewerblicher Art nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden. Die Rechtsprechung hat zwar das Verhältnis zwischen Trägerkörperschaft und Betrieb gewerblicher Art grundsätzlich dem Verhältnis zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihren Gesellschaftern gleichgestellt. Diese Gleichstellung hat jedoch dort ihre Grenze, wo die Besonderheiten des Betriebes gewerblicher Art eine andere Sachbehandlung gebieten.

Diese Besonderheiten ergeben sich aus dem Zweck des Gesetzes - in dem die Einkommensermittlung für die Betriebe gewerblicher Art nur unvollkommen geregelt ist -, die öffentliche Hand gegenüber der Privatwirtschaft steuerlich nicht zu begünstigen (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 17. Juni 1930 I A 564/29, RStBl 1930, 466, zu der § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG entsprechenden Vorschrift des § 2 Nr. 3 KStG 1925). Dieser Zweck gebietet es, auf das Verhältnis zwischen der Trägerkörperschaft und dem Betrieb gewerblicher Art die für das Verhältnis zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihren Gesellschaftern maßgebenden Grundsätze insoweit nicht anzuwenden, als dadurch der von dem Gesetz verfolgte Zweck einer Gleichstellung der Betriebe der öffentlichen Hand mit denen der Privatwirtschaft vereitelt würde. Dies wäre der Fall, wenn die Trägerkörperschaft mit steuerlicher Wirkung mit dem Betrieb gewerblicher Art Miet- und Pachtverträge über solche Wirtschaftsgüter abschließen könnte, die eine wesentliche Grundlage des Betriebs gewerblicher Art sind. Bei vergleichbaren Verhältnissen würde eine Kapitalgesellschaft mit ihrem Alleingesellschafter zwar einen derartigen Vertrag insofern mit steuerlicher Wirkung schließen können, als angemessene Pacht- bzw. Mietzinsen das steuerliche Einkommen der Kapitalgesellschaft minderten. Die Miet- und Pachtzinsen wären jedoch bei dem Alleingesellschafter Einkünfte aus Gewerbebetrieb (vgl. BFH-Urteil vom 11. November 1982 IV R 117/80, BFHE 137, 357, BStBl II 1983, 299) und die überlassenen Wirtschaftsgüter bildeten Betriebsvermögen. Im Falle der Überlassung wesentlicher Wirtschaftsgüter durch den Alleingesellschafter einer Kapitalgesellschaft lägen die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung vor (vgl. u.a. Beschluß des Großen Senats des BFH vom 8. November 1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63). Die Entgelte für die Überlassung der Wirtschaftsgüter, die eine wesentliche Grundlage des Betriebs der Kapitalgesellschaft darstellen, würden bei der Kapitalgesellschaft und dem Alleingesellschafter zusammen nicht die Einkünfte aus der Einkunftsart (Einkünfte aus Gewerbetrieb) mindern, der das Einkommen der Kapitalgesellschaft zuzurechnen ist. Außerdem blieben die stillen Reserven in den überlassenen Wirtschaftsgütern steuerverhaftet. Ließe man zu, daß die Trägerkörperschaft über solche Wirtschaftsgüter Miet- bzw. Pachtverträge mit steuerlicher Wirkung schließen könnte, die eine wesentliche Grundlage des Betriebs gewerblicher Art sind, käme es nicht zu einer vergleichbaren Besteuerung, wenn man davon ausgeht, daß die Überlassung der Wirtschaftsgüter der steuerfreien Vermögensverwaltung der Trägerkörperschaft zuzurechnen ist. Die durch den Gesetzeszweck gebotene Angleichung an die Besteuerung der Kapitalgesellschaft bzw. ihres Alleingesellschafters könnte auch in der Weise durchgeführt werden, daß man die überlassenen Wirtschaftsgüter ihrerseits wiederum einem Betrieb gewerblicher Art zuordnet. Dies würde jedoch zu einer weiteren Komplizierung des Steuerrechts führen, die nicht zwingend geboten ist. Der vom Gesetzeszweck gebotenen Gleichstellung entspricht vielmehr die Auslegung, nach der die eine wesentliche Grundlage darstellenden Wirtschaftsgüter, die die Trägerkörperschaft dem Betrieb gewerblicher Art überläßt, steuerlich zum Betriebsvermögen des Betriebs gewerblicher Art zu rechnen sind.

Soweit der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung alle Wirtschaftsgüter als Bestandteile des Betriebs gewerblicher Art angesehen hat, die für den Betrieb gewerblicher Art notwendig sind, hält er daran nicht mehr fest (vgl. Urteile vom 22. Juli 1964 I 136/62 U, BFHE 80, 235, BStBl III 1964, 559; vom 12. Juli 1967 I 267/63, BFHE 89, 416, BStBl III 1967, 679, und vom 1. September 1982 I R 52/78, BFHE 137, 9, BStBl II 1983, 147). Der Senat weicht auch von der Rechtsprechung des RFH ab, soweit sich aus ihr ergibt, daß die Trägerkörperschaft auch über Wirtschaftsgüter, die eine wesentliche Grundlage des Betriebs gewerblicher Art sind, mit steuerlicher Wirkung Miet- bzw. Pachtverträge abschließen kann (vgl. RFH-Urteile vom 16. Oktober 1934 I A 124/34, Steuer und Wirtschaft - StuW - 35 Sp. 110; vom 7. April 1936 I A 198/35, RStBl 1936, 769; vom 21. Juli 1936 I A 118/35, RStBl 1936, 922).

Aus den Feststellungen des FG ergibt sich nicht, ob das Grundstück und das Gebäude eine wesentliche Grundlage des Wasserwerks sind. Die Sache wird daher an das FG zurückverwiesen, damit dies die insoweit erforderlichen Feststellungen treffen kann. Sollte sich ergeben, daß Grundstück und Gebäude als eine wesentliche Grundlage des Wasserwerks anzusehen sind, verbleibt es bei der vom FG vertretenen Rechtsauffassung; andernfalls sind die Mietzahlungen als Betriebsausgaben anzuerkennen.

Der Senat folgt damit nicht der vom FG vertretenen Auffassung, wonach es darauf ankommen soll, ob der Betrieb gewerblicher Art über ein angemessenes Eigenkapital verfügt. Dieses Kriterium ist nur für die Frage entscheidend, inwieweit die Zinsen für ein von der Trägerkörperschaft dem Betrieb gewerblicher Art zur Verfügung gestelltes Darlehen als Betriebsausgaben geltend gemacht werden können, wobei es darauf ankommt, ob ein bestimmter Prozentsatz des Aktivvermögens durch Eigenkapital gedeckt ist (vgl. Urteil in BFHE 137, 9, BStBl II 1983, 147). Dieses Kriterium scheidet aus, weil es dazu führen würde, daß das Ergebnis der Prüfung gleichzeitig die Voraussetzungen der Prüfung beeinflußt. Kommt man nach der vom FG vertretenen Ansicht zu der Auffassung, daß ein bestimmtes Wirtschaftsgut dem Betrieb gewerblicher Art zuzurechnen sei, müßte eine Neuberechnung der Angemessenheitsgrenze erfolgen, weil sich das Aktivvermögen und das Eigenkapital durch die Erfassung des Wirtschaftsguts verändert. Außerdem würde die im Falle einer unangemessen hohen Fremdfinanzierung durchzuführende steuerliche Korrektur (verdeckte Gewinnausschüttung in Höhe der Zinsen für den unangemessenen Teil) dazu führen, den nicht angemessenen Teil der Fremdfinanzierung als Eigenkapital zu betrachten. Damit käme jedoch eine Zurechnung von Wirtschaftsgütern zum Betrieb gewerblicher Art aufgrund der vom FG vertretenen Ansicht nicht mehr in Betracht.