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BFH-Urteil vom 23.6.1981 (VIII R 41/79) BStBl. 1982 II S. 18

Besteht die Gegenleistung für die tauschweise Hingabe eines betrieblichen Wirtschaftsguts in der Erlangung eines Wirtschaftsguts oder des notwendigen Privatvermögens oder in der Befreiung von einer familienrechtlichen Schuld, wird das betriebliche Wirtschaftsgut entnommen. Die aufgedeckten stillen Reserven können nicht in eine Rücklage nach § 6b Abs. 3 EStG eingestellt werden.

EStG § 4 Abs. 1 Satz 2, § 6b Abs. 3.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betrieb auf eigenem Grundstück in M, A-Straße ein Einzelunternehmen für Heizungsbau und Installation. Das bebaute Grundstück A-Straße war entsprechend der betrieblichen Nutzung zu 40% als Betriebsvermögen ausgewiesen. Der Buchwert des bilanzierten Grundstücksanteils betrug zum 1. Januar 1971 5.708 DM.

Der Kläger wurde im Oktober 1971 von seiner Ehefrau geschieden. Den Eheleuten gehörte in Bruchteilsgemeinschaft zu je 1/2 das Hausgrundstück M, V-Straße. Dieses Grundstück war Privatvermögen. Die Eheleute vereinbarten in einem notariellen Vertrag vom 14. Oktober 1971, daß die Miteigentumshälfte der Ehefrau an dem Grundstück V-Straße auf den Kläger übertragen wurde (unter Übernahme einer mit 9.000 DM valutierten Grundschuld) und daß der Kläger der Ehefrau das Grundstück A-Straße übertrug (mit der Befugnis zur mietweisen Nutzung der Betriebsräume). Der Wert der Miteigentumshälfte an dem Grundstück V-Straße wurde mit 100.000 DM, der Wert des Grundstücks A-Straße mit 75.000 DM angegeben.

Der Kläger ging in der Bilanz zum 31. Dezember 1971 davon aus, daß er den betrieblichen Anteil an dem Grundstück A-Straße veräußert habe; der realisierte Gewinn, der 24.292 DM betrage (75.000 DM, davon 40% = 30.000 DM abzüglich Buchwert 5.708 DM), werde in eine Rücklage nach § 6b Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) eingestellt.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) versagte in dem endgültigen Einkommensteuerbescheid für 1971 die Bildung der Rücklage; der betriebliche Grundstücksanteil A-Straße sei nicht veräußert, sondern entnommen worden (Entnahmegewinn 32.492 DM; Verkehrswert des Grundstücks 100.000 DM abzüglich der Hälfte der übernommenen Grundschuld 4.500 DM = 95.500 DM, davon 40% = 38.200 DM abzüglich Buchwert 5.708 DM).

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) hat ausgeführt: Nach § 6b EStG sei nur eine Veräußerung begünstigt. In der Übereignung des Hausgrundstücks A-Straße an die geschiedene Ehefrau sei eine Entnahme des betrieblich genutzten Grundstücksteils zu erblicken. Der von der Ehefrau geleistete "Veräußerungspreis" (Miteigentumshälfte V-Straße) sei notwendigerweise im Privatvermögen des Klägers angefallen. In der Übereignung des Grundstücks an die Ehefrau liege "gleichzeitig eine Veräußerung und eine Privatentnahme des betrieblich genutzten Teils". Trotz Veräußerung könne keine Rücklage gebildet werden, da "der Kläger mit der Veräußerung des Grundstücks den betrieblich genutzten Teil seinem Betriebsvermögen entnommen habe und die Gegenleistung für das Grundstück nicht in das Betriebsvermögen gefallen sei". Das FA habe im Ergebnis zutreffend den Wert des Grundstücks A-Straße mit 100.000 DM angesetzt. Dieser Wert sei durch ein eingeholtes Sachverständigengutachten bestätigt worden. Der Entnahmewert (Teilwert) des betrieblichen Grundstücksteils betrage 40.000 DM. Soweit das FA den Teilwert nochmals um eine anteilige Grundschuld vermindert habe, sei es zwar fehlerhaft verfahren; dem Gericht sei indessen eine Verböserung verwehrt.

Der Kläger rügt mit der Revision fehlerhafte Anwendung des § 6b Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 EStG und hinsichtlich der Teilwertermittlung eine Verletzung der Aufklärungspflicht: Es habe eine Veräußerung im Sinne des § 6b EStG vorgelegen. Dem Zweck dieser Vorschrift werde nicht zuwidergehandelt, wenn der Veräußerungserlös vor Anschaffung des Ersatzwirtschaftsguts entnommen werde. Davon abgesehen, könne die Übertragung von Betriebsvermögen im Rahmen einer Vermögensauseinandersetzung unter Ehegatten nicht als Entnahme angesehen werden (so zur Grunderwerbsteuer Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 31. Mai 1972 II R 92/67, BFHE 106, 374, BStBl II 1972, 836). Das FG habe im Rahmen der Verkehrswertermittlung des Grundstücks A-Straße seine Sachaufklärungspflicht verletzt. Es hätte bei dem Gutachterausschuß Rückfragen und den Makler hören müssen, der 1971 mit dem Verkauf beauftragt gewesen sei.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Soweit (wie auch im Revisionsverfahren) die Bildung einer Rücklage von 36.620 DM - über den vom FA versteuerten Entnahmegewinn von 32.492 DM hinaus - beantragt wird, hätte die Klage bereits deswegen abgewiesen werden müssen, weil eine Rücklage allenfalls in Höhe der vom FA aufgedeckten stillen Reserven gebildet werden kann.

Auch im übrigen erweist sich die Vorentscheidung im Ergebnis als zutreffend. Die Veräußerung des Hausgrundstücks A-Straße an die geschiedene Ehefrau war eine Entnahme, der Entnahmegewinn kann nicht in eine Rücklage nach § 6b EStG gestellt werden (§ 4 Abs. 1 Satz 2, § 6b Abs. 3 EStG).

Das FG geht davon aus, daß der Kläger das Grundstück A-Straße gegen die Miteigentumshälfte V-Straße seiner Ehefrau eingetauscht habe. Hierbei hat es die grunderwerbsteuerrechtliche Beurteilung laut dem Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 16. März 1977 IV 230/75 übernommen. Die Vorentscheidung gibt die Erwägungen dieses Urteils nicht wieder, so daß sie der Senat nicht überprüfen kann. Der Kläger hatte in der Klageschrift vorgetragen, es sei kein Tausch beabsichtigt gewesen; vielmehr habe er mit dem Grundstück A-Straße Ansprüche der Ehefrau auf Zugewinnausgleich erfüllen wollen, während die Ehefrau ihm die Miteigentumshälfte V-Straße in Erfüllung eines Rückübertragungsanspruchs überlassen habe. Das FG hat zu diesem Vortrag nicht Stellung genommen. Der vorliegende Text der notariellen Urkunde vom 14. Oktober 1971 läßt offen, ob der Kläger das Grundstück A-Straße im Austausch gegen die Miteigentumshälfte V-Straße der Ehefrau oder in Erfüllung einer Zugewinnausgleichsverpflichtung weggab. Hierauf kommt es indessen nicht an.

Nach § 6b Abs. 3 Satz 1 und Abs. 1 EStG kann unter weiteren hier nicht streitigen Voraussetzungen bei der Veräußerung von Grundstücken im Wirtschaftsjahr der Veräußerung eine den steuerlichen Gewinn mindernde Rücklage gebildet werden. Nicht begünstigt sind Entnahmen (BFH-Urteile vom 6. Dezember 1972 I R 182/70, BFHE 108, 159, BStBl II 1973, 291; vom 10. Juli 1980 IV R 136/77, BFHE 131, 313, BStBl II 1981, 84). Beide Sachverhaltsalternativen führen zu Entnahmen.

Der betrieblich genutzte Grundstücksteil A-Straße wurde zwar zusammen mit dem privat genutzten Grundstücksteil veräußert; Entgelt war entweder die Miteigentumshälfte des Grundstücks V-Straße (Tausch) oder die Befreiung von der Verpflichtung gemäß § 1363 Abs. 2 Satz 2, §§ 1372 ff. BGB, den Zugewinn auszugleichen (tauschähnlicher Vorgang).

Entnahmen sind alle Wirtschaftsgüter, die der Steuerpflichtige dem Betrieb zu betriebsfremden Zwecken entnommen hat (§ 4 Abs. 1 Satz 2 EStG). Betriebsfremd ist die Verwendung eines betrieblichen Wirtschaftsguts zur Erlangung eines privaten Wirtschaftsguts oder zur Befreiung von einer privaten Schuld. Entnahmehandlung kann auch eine Veräußerung im bürgerlich-rechtlichen Sinne sein (BFH-Urteile vom 28. Februar 1974 IV R 60/69, BFHE 112, 257, BStBl II 1974, 481, und vom 31. März 1977 IV R 58/73, BFHE 122, 85, BStBl II 1977, 823).

Das Grundstück V-Straße, dessen weitere Miteigentumshälfte der Kläger nach Auffassung des FG im Tauschwege erlangte, diente Wohnzwecken des Klägers und war sonach notwendiges Privatvermögen. Eine Verpflichtung zum Ausgleich des Zugewinns ist wegen ihres familienrechtlichen Charakters eine Privatschuld. Der Kläger wollte den betrieblichen Grundstücksteil für einen dieser betriebsfremden Zwecke verwenden.

Damit war die Überlassung des Grundstücksteils an die geschiedene Ehefrau eine Entnahme und keine Veräußerung im Sinne von § 6b EStG. Die Gegenleistung, die notwendigerweise privaten Charakter hatte, konnte - auch nicht übergangsweise - in das Betriebsvermögen gelangen und nicht, wie § 6b EStG voraussetzt, Betriebseinnahme werden.

Die vom Kläger vorgenommene Aufteilung des Tauschs oder tauschähnlichen Vorgangs in zwei monetäre Vorgänge, wobei eine Veräußerung des Grundstücks A-Straße gegen Geld unterstellt wurde, widerspricht den tatsächlichen Gegebenheiten.

Die Entnahme des Grundstücksteils ist mit dem Teilwert anzusetzen (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG). Der Senat braucht nicht dazu Stellung zu nehmen, ob dieser Wert 40% von 100.000 DM (FG) oder 40% von 96.200 DM (Kläger) beträgt. Das FG hat in Beachtung des Verböserungsverbots den FA Ansatz mit 40% von 95.500 DM bestehen lassen. Der vom Kläger für richtig gehaltene Ansatz liegt darüber. Es ist nicht ersichtlich, daß der Kläger hierdurch beschwert sein könnte. Auf die Verfahrensrüge braucht nicht eingegangen zu werden.

 

   
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