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BFH-Urteil vom 29.4.1981 (IV R 128-129/76) BStBl. 1982 II S. 17

Die Bewertungsfreiheit nach § 6 Abs. 2 EStG kann auch für solche Wirtschaftsgüter in Anspruch genommen werden, die ein Gesellschafter einer Personengesellschaft aus seinem Betriebsvermögen unter Ansatz des Teilwerts (also unter Realisierung der stillen Reserven) in die Gesellschaft einbringt.

EStG § 6 Abs. 2.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG, die in den Streitjahren eine Brüterei und Geflügelvermehrungszucht betrieb.

Die Kommanditisten der Klägerin (A und die B-KG) erbrachten im Jahre 1966 zur Erfüllung ihrer gesellschaftsvertraglichen Verpflichtungen Sacheinlagen. Die eingelegten Wirtschaftsgüter stammten aus ihrem Betriebsvermögen; die in den Wirtschaftsgütern ruhenden stillen Reserven wurden beim Übergang in das Betriebsvermögen der Klägerin realisiert. Die Klägerin setzte die Sacheinlagen mit dem Teilwert im Zeitpunkt ihrer Zuführung an. Soweit es sich bei den eingelegten Wirtschaftsgütern ihrer Auffassung nach um geringwertige Wirtschaftsgüter im Sinne des § 6 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) handelte, setzte sie deren Wert in vollem Umfang als Betriebsausgaben ab.

Im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung und der Gewerbesteuermeßbetragsfestsetzung für die Streitjahre vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, daß die Bewertungsfreiheit nach § 6 Abs. 2 EStG für Einlagen von Gesellschaftern nicht in Betracht komme.

Auf dieser Grundlage stellte das FA für die Jahre 1966 bis 1968 den Gewinn der Klägerin fest. Außerdem setzte es für die Jahre 1967 und 1968 Gewerbesteuermeßbeträge fest.

Die Einsprüche wies das FA als unbegründet zurück.

Die Klagen gegen die Gewinnfeststellungsbescheide 1966 bis 1968 und gegen den Gewerbesteuermeßbescheid 1968 hatten teilweise Erfolg (siehe Entscheidungen der Finanzgerichte 1976 S. 543 - EFG 1976, 543 -). Zur Begründung seiner Entscheidungen führte das Finanzgericht (FG) aus, aus Sinn und Zweck des § 6 Abs. 2 EStG ergebe sich, daß auch für Sacheinlagen der Gesellschafter die Bewertungsfreiheit nach § 6 Abs. 2 EStG in Anspruch genommen werden könne.

Gegen die Urteile des FG legte das FA Revisionen ein.

Zur Begründung seiner Revisionen führte das FA aus, für die von den Kommanditisten übernommenen Wirtschaftsgüter könne keine Bewertungsfreiheit gewährt werden, da § 6 Abs. 2 EStG nur bei Wirtschaftsgütern anwendbar sei, die durch einen Anschaffungs- oder Herstellungsvorgang in das Betriebsvermögen gelangt seien. Die Übernahme der von den Kommanditisten eingelegten Wirtschaftsgüter könne nicht als Anschaffungsgeschäft begriffen werden.

Entscheidungsgründe

Die Revisionen führen zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sachen an das FG.

Das FG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, daß die von den Kommanditisten übernommenen geringwertigen Wirtschaftsgüter von der Bewertungsfreiheit nach § 6 Abs. 2 EStG a. F. nicht deshalb ausgeschlossen sind, weil es sich hierbei um Sacheinlagen der Gesellschafter gehandelt hat.

Nach § 6 Abs. 2 EStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung konnten Steuerpflichtige die Anschaffungs- oder Herstellungskosten von beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die einer selbständigen Bewertung und Nutzung fähig waren, im Jahr der Anschaffung oder Herstellung in voller Höhe als Betriebsausgaben absetzen, wenn die Anschaffungs- oder Herstellungskosten, vermindert um einen darin enthaltenen Vorsteuerbetrag (§ 9b Abs. 1 EStG), für das einzelne Wirtschaftsgut 800 DM nicht überstiegen.

Diese Möglichkeit bestand (und besteht) unter gewissen Voraussetzungen auch für den Fall, daß Gesellschafter Wirtschaftsgüter in das Betriebsvermögen einlegen. Der Senat hat zwar in seinem Urteil vom 8. Dezember 1967 IV 80/63 (BFHE 90, 434, BStBl II 1968, 149) entschieden, daß ein Einzelunternehmer für Einlagen von Anlagegütern aus dem Privatvermögen in das Betriebsvermögen die Bewertungsfreiheit des § 6 Abs. 2 EStG nicht in Anspruch nehmen kann (so auch Abschn. 40 Abs. 6 der Einkommensteuer-Richtlinien 1978 - EStR -; a.A. dagegen Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 17. Aufl., Anm. 1258 zu § 6 EStG; Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 12. Aufl., Anm. 616 zu § 6 EStG m. w. N., sowie Bordewin in Hartmann/Böttcher/Nissen/ Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, Anm. 181 g zu § 6). Im Streitfall kann jedoch dahinstehen, ob an den Grundsätzen des Urteils in BFHE 90, 434, BStBl II 1968, 149, festzuhalten ist. Denn jedenfalls ist eine andere Beurteilung dann geboten, wenn es sich um Einbringungsfälle handelt. Die Einbringung eines Wirtschaftsguts in das Betriebsvermögen einer Personengesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten stellt grundsätzlich einen Veräußerungsvorgang dar (BFH-Urteil vom 15. Juli 1976 I R 17/74, BFHE 119, 285, BStBl II 1976, 748). Die Gesellschafter haben das Recht, die Einbringung als erfolgswirksamen (Veräußerungs-)Vorgang zu gestalten, indem sie die stillen Reserven des Wirtschaftsguts ganz aufdecken (Einbringung zum Teilwert). Wählen sie diesen Weg (und nicht die Einlage des Wirtschaftsguts unter Fortführung des bisherigen Buchwerts oder unter Ansatz eines Zwischenwerts), dann stellt sich die Einbringung des Wirtschaftsguts aus der Sicht der erwerbenden Personengesellschaft als entgeltliches Anschaffungsgeschäft dar. Deshalb müssen unter den angegebenen Voraussetzungen auch eingelegte geringwertige Wirtschaftsgüter im Sinne des § 6 Abs. 2 EStG als "Anschaffungen" im Sinne des § 6 Abs. 2 EStG angesehen werden.

Im Streitfall haben die Kommanditisten der Klägerin Wirtschaftsgüter in Erfüllung von Einlageverpflichtungen aus ihrem Betriebsvermögen in das Betriebsvermögen der Klägerin unter Gewinnrealisierung übertragen. Die Klägerin hat die übertragenen Wirtschaftsgüter zum Teilwert angesetzt. Bei dieser Sachlage steht der Anwendung des § 6 Abs. 2 EStG auf diese Wirtschaftsgüter nichts im Wege.

Die Sache ist noch nicht entscheidungsreif ... (wird ausgeführt).