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BFH-Urteil vom 2.10.1981 (III R 19/78) BStBl. 1982 II S. 11

Unterliegen fällige Ansprüche auf Renten aus Rentenversicherungen, die mit garantierter Mindestlaufzeit auf die Lebenszeit des Berechtigten abgeschlossen sind (verlängerte Leibrenten), der Vermögensteuer, so ist für die Ermittlung des Kapitalwerts jeweils der höhere Vervielfältiger der Tabelle zu § 13 Abs. 1 BewG oder § 14 Abs. 2 BewG anzuwenden.

BewG 1965 § 111 Nr. 3, § 13 Abs. 1, § 14 Abs. 2.

Vorinstanz: FG Düsseldorf

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist am 28. November 1905 geboren. Sie erwarb im Jahre 1969 durch Vertrag mit der Versicherungsgesellschaft X eine sofort beginnende Leibrente auf ihr Leben gegen Zahlung eines Einmalbetrags. Die Rente war bei einer Mindestlaufzeit von fünf Jahren - letzte garantierte Rentenzahlung am 1. Januar 1974 - ab dem 1. Februar 1969 in vierteljährlichen Raten im voraus zahlbar. Im Falle des Todes der Klägerin vor der letzten garantierten Rentenzahlung sollten die bis zu diesem Tag noch ausstehenden Rentenbeträge auf Antrag der Klägerin unter Diskontierung mit dem geschäftsplanmäßigen Zinssatz in einer Summe an ihre über 27 Jahre alte Adoptivtochter als Bezugsberechtigte bezahlt werden. Zu den gleichen Bedingungen erwarb die Klägerin durch Vertrag mit der Lebensversicherungs-Aktiengesellschaft Y ebenfalls gegen Zahlung eines Einmalbetrags eine Rente, die ab 1. Januar 1969 mit einer garantierten Mindestlaufzeit bis 31. Januar 1974 zu zahlen war.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ermittelte auf den Einspruch der Klägerin den Kapitalwert der Rentenansprüche gemäß § 13 des Bewertungsgesetzes 1965 (BewG).

Das Finanzgericht (FG), dessen Entscheidung in Entscheidungen der Finanzgerichte 1978 S. 312 (EFG 1978, 312) veröffentlicht ist, hat der Klage teilweise stattgegeben, indem es die gutgeschriebenen Gewinnanteile bei der Ermittlung der Kapitalwerte unberücksichtigt ließ und sie als laufende Guthaben gemäß § 110 Abs. 1 Nr. 2 BewG ansetzte und gemäß § 15 Abs. 3 BewG von dem Betrag als Jahreswert ausging, der in Zukunft im Durchschnitt der Jahre 1970 bis Januar 1974 erzielt werden wird.

Dementsprechend setzte es die Vermögensteuer für die Veranlagungszeitpunkte 1970 bis 1972 herab. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Es war der Auffassung, die Rentenansprüche der Klägerin gehörten als Zeitrente zum sonstigen Vermögen und seien gemäß § 111 Nr. 3 BewG nicht steuerbefreit. Das FA habe diese Ansprüche zu Recht gemäß § 13 Abs. 1 BewG bewertet.

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der eine unzutreffende Anwendung des Rentenbegriffs und eine fehlerhafte Auslegung des § 111 Nr. 3 BewG gerügt wird. Es handle sich um Rentenversicherungen, bei denen lediglich Altersrenten vorgesehen und beim Tode der Versicherungsnehmerin keine Renten an dritte Personen weiterzuzahlen seien. Solche Altersrenten ohne Anspruch auf Hinterbliebenenrente seien nicht der Vermögensteuer zu unterwerfen.

Die Klägerin beantragt, die Vermögensteuerbescheide 1970, 1971 und 1972 teilweise aufzuheben und die Vermögensteuer weiter herabzusetzen.

Das FA beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß es sich bei den Leibrentenansprüchen der Klägerin um Ansprüche aus privaten Rentenversicherungsverträgen i. S. von § 111 Nr. 3 BewG handelt. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift in der für die streitigen Veranlagungszeitpunkte geltenden Fassung kommt es bei einer privatrechtlichen Rentenversicherung für die Freistellung fälliger Ansprüche von der Vermögensteuer darauf an, daß der Versicherungsnehmer das 60. Lebensjahr vollendet hat oder voraussichtlich für mindestens drei Jahre erwerbsunfähig ist. Weitere Voraussetzung ist, daß nach dem Versicherungsvertrag die Rente im Falle des Todes des Versicherungsnehmers an keine andere Person als an seinen Ehegatten und (oder) - solange - an seine Kinder gezahlt wird, bis diese das 18. Lebensjahr oder falls sie sich in der Berufsausbildung befinden, das 27. Lebensjahr vollendet haben (vgl. Gürsching/Stenger, Kommentar zum Vermögensteuergesetz und Bewertungsgesetz, 7. Aufl., § 111 BewG Anm. 14).

Die Altersgrenze von 27 Jahren ist zwar erst durch Art. 6 Nr. 14 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 14. Dezember 1976 - EGAO 1977 - (BGBl I 1976, 3341, BStBl I 1976, 694) mit Wirkung vom 1. Januar 1977 an eingeführt worden, wurde aber entsprechend der Regelung in anderen Steuergesetzen schon auf frühere Stichtage angewendet (vgl. Abschn. 70 a der Vermögensteuer-Richtlinien - VStR - 1969 und 1972). Der Senat braucht nicht dazu Stellung zu nehmen, ob vom Wortlaut des Gesetzes abweichende begünstigende Richtlinien Rechtswirkungen haben können, da die in den Leibrentenverträgen der Klägerin im Todesfall innerhalb der Mindestlaufzeit als bezugsberechtigt bestimmte Adoptivtochter an den maßgebenden Veranlagungszeitpunkten unstreitig älter als 27 Jahre war.

Die von der Klägerin zur Regelung ihrer persönlichen Versorgungsansprüche abgeschlossenen Versicherungsverträge unterlagen voll der privatrechtlichen Dispositions- und Gestaltungsmöglichkeit. Da diese Verträge die in § 111 Nr. 3 Satz 2 BewG geforderten Einschränkungen nicht enthalten, unterliegen die Ansprüche hieraus an den streitigen Veranlagungszeitpunkten mit den gemäß §§ 13, 14 BewG zu ermittelnden Kapitalwerten der Vermögensteuer.

2. Zu Recht hat das FG angenommen, daß der Gesetzgeber bei der ihm im Rahmen der Verfassung zukommenden Gestaltungsfreiheit in § 111 Nr. 3 BewG vermögensteuerlich das begünstigen konnte, was der Versorgung des Ehegatten und der typischerweise versorgungsbedürftigen Kinder dient (Hinweis auf die amtliche Begründung zum Entwurf des Steueränderungsgesetzes - StÄndG - 1961, Bundestags-Drucksache 3/2573 S. 16 ff. - unter I 2. -, S. 19 und Art. 8 Nr. 6 Buchst. c StÄndG 1961, betreffend die Änderung des § 68 Nr. 3 BewG a.F.). Dieser gesetzgeberische Wille kommt im Vermögensteuerrecht auch in der Gestaltung der persönlichen Freibeträge zum Ausdruck (vgl. § 5 des Vermögensteuergesetzes - VStG - i. d. F. vor dem Vermögensteuerreformgesetz - VStRG - vom 17. April 1974, BGBl I 1974, 949, BStBl I 1974, 233). Auch hier ließ sich der Gesetzgeber offensichtlich von sozialen Gesichtspunkten leiten, die es ihm geboten erscheinen ließen, insbesondere Vermögen, das der Versorgung der Familie und der Sicherung der Altersversorgung dient, in einem gewissen Umfang steuerlich zu entlasten. § 4 BewG, wonach Wirtschaftsgüter, deren Erwerb vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung abhängt, erst berücksichtigt werden, wenn die Bedingung eingetreten ist, ist nicht anwendbar. Im Streitfall handelt es sich um fällige Ansprüche von Renten aus Rentenversicherungen, deren bewertungsrechtliche Behandlung in § 111 Nr. 3 BewG ausdrücklich geregelt ist.

3. a) Die Vorentscheidung verkennt jedoch bei der Ermittlung der Kapitalwerte, daß es sich im Streitfall um verlängerte Leibrenten handelt, die auf die Lebenszeit der Berechtigten ausgerichtet sind. Die in den Verträgen vereinbarte Mindestlaufzeit der Leibrenten stellt ein zusätzliches Sicherungsmittel dar, um zu gewährleisten, daß dem Versicherer beim vorzeitig möglichen Ableben des Versicherungsnehmers - der Klägerin - nicht zu hohe Kapitalanteile verbleiben. Denn bei solchen Rentenansprüchen mit garantierter Mindestlaufzeit muß - wie sich aus den von der Klägerin abgeschlossenen Versicherungsverträgen ergibt - auch bei einem vorzeitigen Tod der Berechtigten noch für den Rest der garantierten Laufzeit weitergezahlt werden. Der Vertragsinhalt, der auf die Lebenszeit der Berechtigten abstellt, wird davon nicht berührt. Deswegen kann der Klägern, soweit sie sich im Streitfall zum Begriff der Rente auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 7. August 1959 VI 284/58 U, BFHE 69, 542, BStBl III 1959, 463 beruft, nicht gefolgt werden, weil sich diese Entscheidung mit zeitlich befristeten Versorgungsleistungen und deren Einstufung als Rente befaßt. Entgegen dem nunmehrigen Vorbringen der Klägerin ist aus den Vertragsunterlagen nichts über eine Verpflichtung des Versicherers zur Auszahlung von Rentenleistungen an etwaige Erben der Zweitberechtigten ersichtlich. Unabhängig davon, daß es sich insoweit um neues tatsächliches Vorbringen handelt, das der Senat im Revisionsverfahren nicht berücksichtigen kann (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), würde eine solche Vertragsgestaltung die Begünstigungsmöglichkeit des § 111 Nr. 3 Satz 2 BewG ausschließen (vgl. auch BFH-Urteil vom 25. März 1977 III R 2/76, BFHE 122, 326, BStBl II 1977, 625).

b) Während § 13 Abs. 1 Satz 4 BewG bei sog. Höchstzeitrentren (abgekürzten Leibrenten) eine Begrenzung des nach § 13 Abs. 1 BewG ermittelten Kapitalwerts durch den Kapitalwert nach § 14 BewG vorsieht, wenn neben die zeitliche Bestimmung eine zusätzliche Begrenzung durch das Leben einer oder mehrerer Personen tritt, gilt diese Begrenzung nicht bei einer Mindestlaufzeit einer Rente, innerhalb der die Rentenleistungen nicht vorzeitig durch den Tod einer Person enden. In diesem Fall ist jeweils der höhere Vervielfältiger der Tabelle zu § 13 Abs. 1 BewG oder § 14 Abs. 2 BewG in der in den Streitjahren geltenden Fassung anzuwenden (vgl. Rössler/Troll/Langner, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 12. Aufl., § 14 BewG Anm. 2 a.

c) Das FG ist bei der Ermittlung der Kapitalwerte zu Recht davon ausgegangen, es handle sich um Rentenleistungen i. S. des § 15 Abs. 3 BewG, die in ihrem Betrag ungewiß sind oder schwanken, da nach den Versicherungsbedingungen die tatsächlichen jährlichen Rentenzahlungen von etwaigen Überschußbeteiligungen beeinflußt waren. Zwar können bei der Ermittlung des Jahreswerts ungewisser Nutzungen oder Leistungen ausnahmsweise auch nach dem Stichtag eingetretene, am Stichtag aber voraussehbare Umstände berücksichtigt werden (Urteil des BFH vom 13. Januar 1956 III 200/55 S, BFHE 62, 165, BStBl III 1956, 62). Der Senat hält es jedoch nicht für unbedenklich - wegen des im Bewertungs- und Vermögensteuerrecht herrschenden Stichtagsprinzips -, für die Ermittlung der Kapitalwerte den gewogenen Durchschnitt der Jahreswerte unter Einbeziehung der Rentenleistungen des Jahres 1973, einschließlich Januar 1974, zu errechnen. Trotz dieser Bedenken kann es im Streitfall bei dem vom FG angesetzten Durchschnittswert unter dem Gesichtspunkt der Schätzung bleiben, da es auch ohne Einbeziehung dieser Rentenleistungen zu annähernd dem gleichen durchschnittlichen Jahreswert abzüglich des Freibetrags gemäß § 111 Nr. 9 BewG gekommen wäre.

Dem FG ist auch darin zuzustimmen, daß die gutgeschriebenen Gewinnanteile als laufende Guthaben i. S. des § 110 Abs. 1 Nr. 2 BewG anzusetzen sind.

 

 

 

   
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