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  BFH-Urteil vom 29.6.1994 (I R 137/93) BStBl. 2002 II S. 366

1. Verspricht eine GmbH ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer eine Umsatztantieme, die als verdeckte Gewinnausschüttung i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1984 zu beurteilen ist, so ist dennoch sowohl in der Handels- als auch in der Steuerbilanz für die Umsatztantieme eine Rückstellung zu bilden.

2. Eine Tantiemerückstellung bleibt unbeschadet ihrer Behandlung als verdeckte Gewinnausschüttung Fremdkapital. Auch Ausschüttungsverbindlichkeiten sind als Fremdkapital zu behandeln.

3. Für eine Berichtigung der Steuerbilanz um die Tantiemerückstellung besteht so lange kein Rechtsgrund, als die Verbindlichkeit zivilrechtlich noch existent ist.

4. Die Rechtsfolge des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1984 setzt außerhalb der Steuerbilanz an.

EStG § 4 Abs. 2 Satz 1; KStG 1984 § 8 Abs. 3 Satz 2.

Vorinstanz: FG Münster (EFG 1994, 124)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH, an der in den Jahren 1985 und 1986 A mit 51 v.H. und B mit 49 v.H. beteiligt waren. A war auch zum Geschäftsführer der Klägerin bestellt. B war bei dieser angestellt. Es bestanden schriftliche Verträge, in denen das Monatsgehalt von A und B auf 6.000 DM bzw. 4.500 DM festgesetzt war.

Am 13. Mai 1985 beschlossen A und B in einer Gesellschafterversammlung, daß sie neben dem laufenden Monatsgehalt eine Tantieme von jeweils 4 v.H. des Jahresumsatzes erhalten sollten. Die Tantieme sollte jährlich 80.000 DM für A und 60.000 DM für B nicht übersteigen. Sie sollte jedoch erst nach zehnjähriger Betriebszugehörigkeit ausbezahlt und bis dahin mit 6 v.H. jährlich verzinst werden. Die Klägerin schloß über die Tantiemebeträge Rückdeckungsversicherungen ab.

Auf Grund des Beschlusses bildete die Klägerin in ihrer Bilanz zum 31. Dezember 1985 eine Tantiemerückstellung von 204.232 DM. Dadurch ergab sich für die Klägerin ein Jahresfehlbetrag 1985 von 86.782 DM. Der Umsatz 1985 betrug 2.552.900 DM. Für 1986 ermittelte die Klägerin einen Jahresüberschuß von 48.983 DM, einen Umsatz von 1.875.751 DM und eine Tantiemerückstellung von 347.016 DM (Zuführungsbetrag 1986: 142.784 DM).

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erließ gegenüber der Klägerin endgültige Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermeßbescheide 1985 entsprechend den eingereichten Steuererklärungen. Für 1986 erließ es Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermeßbescheide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Im Jahre 1990 fand bei der Klägerin eine Außenprüfung nur für die Jahre 1986 bis 1988 statt. Als Ergebnis der Außenprüfung behandelte das FA das Versprechen von Umsatztantiemen gegenüber A und B als verdeckte Gewinnausschüttungen i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1984. Es löste mit gewinnerhöhender Wirkung für den Veranlagungszeitraum 1986 sowohl die zum 31. Dezember 1985 gebildete Tantiemerückstellung als auch die für 1986 vorgenommenen Zuführungen auf. Die entsprechenden Änderungsbescheide datieren vom 20. März bzw. 5. April 1991.

Die Einsprüche und die Klagen blieben ohne Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1994, 124 veröffentlicht.

Mit ihrer vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

Sie beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die angefochtenen Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermeßbescheide 1986 dahin zu ändern, daß von einer um 140.000 DM geminderten Bemessungsgrundlage ausgegangen werde.

Das FA beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Änderung der angefochtenen Steuerbescheide unter Bestimmung der zu berücksichtigenden rechtlichen Verhältnisse (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 100 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Das FG hat die Vorentscheidung auf eine Berichtigung gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) der zum 31. Dezember 1986 aufgestellten Steuerbilanz der Klägerin gestützt. Eine entsprechende Bilanzberichtigung setzt jedoch voraus, daß die Steuerbilanz der Klägerin zum 31. Dezember 1986 einen fehlerhaften Bilanzansatz enthielt. Dies war nur insoweit der Fall, als die Klägerin in ihrer Steuerbilanz Verbindlichkeiten gegenüber A und B auswies, die den Betrag von 288.400 DM überstiegen. Zu Lasten der Klägerin bestanden jedoch am 31. Dezember 1986 Verbindlichkeiten gegenüber A und B in Höhe von 288.400 DM. Diese waren in der Steuerbilanz zu passivieren. Insoweit war die Steuerbilanz nicht fehlerhaft.

2. Die Klägerin hatte A und B für die Jahre 1985 und 1986 Umsatztantiemen in Höhe von jährlich 140.000 DM und außerdem die Verzinsung der Umsatztantieme 1985 in 1986 versprochen (6 v.H. von 140.000 DM = 8.400). Das Versprechen löste unabhängig davon, ob die Beträge von 140.000 DM (für 1985) bzw. von 148.400 DM (für 1986) steuerlich als verdeckte Gewinnausschüttungen i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1984 zu beurteilen sind, Verbindlichkeiten der Klägerin aus, die sowohl in deren Handels- als auch in deren Steuerbilanz zu passivieren sind. Die Rechtsfolge des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1984 erschöpft sich in einer Gewinnkorrektur. Es wird der durch die Tantiemerückstellungen angefallene Aufwand dem steuerlichen Gewinn wieder hinzugerechnet. Die Rechtsfolge des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1984 bewirkt jedoch nicht die Umqualifizierung von Verbindlichkeiten (Fremdkapital) in Eigenkapital. Zwar kann man der Auffassung sein, daß die von der Klägerin gebildete Umsatztantiemerückstellung sich in Wirklichkeit als eine Rückstellung für Ausschüttungsverbindlichkeiten gegenüber A und B darstellt. Diese Beurteilung berührt jedoch weder die Existenz der Verbindlichkeit gegenüber A und B noch die Notwendigkeit, für sie eine Rückstellung zu bilden bzw. beizubehalten. Auch Ausschüttungsverbindlichkeiten sind zu passivieren. Sie sind Fremdkapital. Damit fehlt es bezüglich des Betrages von 288.400 DM an einem fehlerhaften Bilanzansatz als Voraussetzung für die Anwendung des § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG.

2. Seit seinem Urteil vom 1. Februar 1989 I R 73/85 (BFHE 156, 155, BStBl II 1989, 522) definiert der erkennende Senat in ständiger Rechtsprechung eine verdeckte Gewinnausschüttung i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1984 bei einer Kapitalgesellschaft als eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung), die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht. In dem Urteil vom 2. Februar 1994 I R 78/92 (BFHE 173, 412, BStBl II 1994, 479), hat er unter II. 3. e ausgeführt, es sei Sinn und Zweck des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1984, dem Steuerbilanzgewinn solche Minderungen wieder hinzuzurechnen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt seien. In seinem Urteil vom 23. Juni 1993 I R 72/92 (BFHE 172, 51, BStBl II 1993, 801), hat der Senat unter II. 1. ausgeführt, daß die Vermögensminderung (als Tatbestandsmerkmal einer verdeckten Gewinnausschüttung) mit Hilfe der Steuerbilanz zu ermitteln sei, wie sie ohne Berücksichtigung der Rechtsfolge des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1984 unter Anwendung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes (§ 5 Abs. 1 EStG) aufzustellen sei. Der so ermittelte Steuerbilanzgewinn sei mit demjenigen zu vergleichen, der sich bei dem Ansatz des Aufwandes als Ausschüttung bzw. bei der Erfassung der verhinderten Vermögensmehrung als Einnahme ergebe. Aus diesen Entscheidungen folgt als Auffassung des Senats, daß die Rechtsfolge des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG zwar gewinnerhöhend wirkt, daß aber die Gewinnerhöhung außerhalb der Steuerbilanz durch eine Hinzurechnung zum Steuerbilanzgewinn durchzuführen ist.

3. Auf den Streitfall übertragen bedeuten die Ausführungen unter II. 1. und 2., daß die von der Klägerin zum 31. Dezember 1985 aufgestellte Steuerbilanz nur insoweit fehlerhaft war, als die Tantiemerückstellung nicht auf 140.000 DM begrenzt wurde. In Höhe des 140.000 DM übersteigenden Betrages bestand schon zivilrechtlich keine Verbindlichkeit. Insoweit durfte der falsche Bilanzansatz erfolgswirksam im Veranlagungszeitraum 1986 berichtigt werden. Jedoch bestand zum 31. Dezember 1985 eine "Ausschüttungsverbindlichkeit" in Höhe von 140.000 DM. Zum 31. Dezember 1986 bestand objektiv gesehen eine "Ausschüttungsverbindlichkeit" in Höhe von 280.000 DM zuzüglich einer Zinsverbindlichkeit in Höhe von 8.400 DM. Entsprechend war die zum 31. Dezember 1986 für die Klägerin aufgestellte Steuerbilanz insoweit richtig, als sie Verbindlichkeiten der Klägerin gegenüber A und B in Höhe von 288.000 DM auswies. In Höhe dieses Betrages besteht für eine Bilanzberichtigung kein Raum. Außerdem wurde der Steuerbilanzgewinn 1986 um die Zuführung zur Rückstellung in einer Höhe von 142.784 DM gemindert. In gleicher Höhe hat das FA eine verdeckte Gewinnausschüttung i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1984 angenommen, weil es das Versprechen von Umsatztantiemen als die Gewährung eines unangemessenen Vorteils an die Gesellschafter beurteilt hat. Diese Behandlung hat die Klägerin mit ihrer Revision nicht angegriffen. Schon aus Gründen der §§ 121, 96 Abs. 1 Satz 2 FGO erübrigt sich deshalb für den erkennenden Senat das nähere Eingehen auf diese Rechtsfrage.

4. Die Vorentscheidung entspricht nicht den hier wiedergegebenen Rechtsgrundsätzen. Sie kann deshalb keinen Bestand haben. Sie war aufzuheben. Der Senat entscheidet gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO. Die angefochtenen Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermeßbescheide 1986 werden entsprechend dem Antrag der Klägerin geändert. Der Senat verzichtet darauf, die Körperschaftsteuer 1986 und den einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag 1986 selbst festzusetzen. Er bestimmt die vorzunehmenden Änderungen durch die Angabe der zu berücksichtigenden rechtlichen Verhältnisse. Die zum 31. Dezember 1985 gebildete Rückstellung über 140.000 DM darf in der Bilanz zum 31. Dezember 1986 nicht aufgelöst werden. Der in den angefochtenen Bescheiden angesetzte Gewinn ist um diesen Betrag zu korrigieren. Soweit die Korrektur auch die Höhe der zum 31. Dezember 1986 anzusetzenden Gewerbesteuerrückstellung berührt, ist deren Minderung gegenzurechnen. Das FA ist verpflichtet, nach Eintritt der Rechtskraft dieser Entscheidung entsprechenden Änderungsbescheide zu erlassen.