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  BFH-Urteil vom 5.9.2001 (X R 74/97) BStBl. 2002 II S. 343

Die Steuerbegünstigung nach § 10h EStG für eine unentgeltlich zu Wohnzwecken überlassene Wohnung im eigenen Haus an Angehörige setzt weder einen schriftlichen Nutzungsvertrag voraus noch ist erforderlich, dass sich der Angehörige in der überlassenen Wohnung überwiegend aufhält. Die Steuerbegünstigung kommt auch dann in Betracht, wenn der Steuerpflichtige die Wohnung seinen - einkommensteuerlich zu berücksichtigenden - Kindern zu Wohnzwecken überlässt.

EStG § 10h Satz 2 Nr. 4.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG (EFG 1997, 1115)

Sachverhalt

I.

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) schafften im Jahr 1990 ein zu eigenen Wohnzwecken genutztes Einfamilienhaus in N an. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte hierfür einen Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 14.266 DM jährlich aus einer Bemessungsgrundlage von 285.311 DM.

Im Streitjahr 1992 bauten die Kläger das Dachgeschoss des Einfamilienhauses zu einer 58,66 qm großen Einliegerwohnung aus, die sie ihren volljährigen, in A bzw. B studierenden Töchtern aufgrund einer mündlichen Vereinbarung unentgeltlich überließen.

Für den Ausbau machten die Kläger mit ihrer Einkommensteuererklärung für 1992 die Steuerbegünstigung gemäß § 10h EStG in Höhe von 2.614 DM (6 v.H. der Ausbaukosten in Höhe von 43.555 DM) geltend. Das FA lehnte dies mit der Begründung ab, die behauptete unentgeltliche Überlassung der Wohnung an die Töchter sei mangels schriftlicher Vereinbarungen steuerlich nicht anzuerkennen. Es bezog die Ausbaukosten aber als nachträgliche Herstellungskosten in die Bemessungsgrundlage für die Grundförderung der von den Klägern eigengenutzten Wohnung ein. Dadurch erhöhte sich der Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 EStG um 734 DM jährlich. Diesen Abzugsbetrag berücksichtigte das FA im Wege der Nachholung auch für die Jahre 1990 und 1991.

Der dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) statt. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 1115 veröffentlicht.

Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung des § 10h EStG.

Es beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger haben keinen Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet.

Zu Recht hat das FG die Steuerbegünstigung des § 10h EStG im Streitfall gewährt.

1. Nach § 10h Satz 1 EStG kann der Steuerpflichtige von den Aufwendungen, die ihm durch Baumaßnahmen zur Herstellung einer Wohnung entstanden sind, im Jahr der Fertigstellung und in den drei folgenden Jahren jeweils bis zu 6 v.H. und in den vier darauf folgenden Jahren jeweils bis zu 5 v.H. wie Sonderausgaben abziehen. Voraussetzung ist unter anderem nach Satz 2 Nr. 4 der Vorschrift, dass der Steuerpflichtige die Wohnung insgesamt im jeweiligen Jahr des Zeitraums nach Satz 1 voll unentgeltlich an einen Angehörigen i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 3 und 4 der Abgabenordnung (AO 1977) "auf Dauer zu Wohnzwecken" überlassen hat.

a) Eine Überlassung zu Wohnzwecken setzt voraus, dass der Angehörige die Wohnung aufgrund eigenen, vom Eigentümer abgeleiteten Rechts über einen längeren Zeitraum tatsächlich zu Wohnzwecken nutzt. Letztere Voraussetzung ist gegeben, wenn der Angehörige allein oder zusammen mit anderen in den Haushalt aufgenommenen Personen in der Wohnung wohnt. Ebenso wenig wie für die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken nach § 10e Abs. 1 Satz 2 und 3 EStG ist für die dauerhafte Überlassung zu Wohnzwecken erforderlich, dass es sich um die einzige Wohnung des Nutzers handelt oder er sich in ihr überwiegend aufhält (vgl. zu § 10e EStG Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 31. Mai 1995 X R 140/93, BFHE 178, 140, BStBl II 1995, 720, m.w.N.; vom 18. November 1998 X R 110/95, BFHE 187, 488, BStBl II 1999, 225; Kleeberg in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 10h Rz. B 16; Meyer in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 10h EStG Anm. 47; Koller, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1992, 844, 846; a.A. Wewers, Der Betrieb - DB - 1992, 753, 754; Stuhrmann in Bordewin/Brandt, Einkommensteuergesetz, § 10h Rz. 16). Denn auch eine "Zweitwohnung" entspricht dem Zweck des § 10h EStG, Wohnraumreserven zu mobilisieren und das Zusammenleben der Generationen zu fördern (vgl. BTDrucks 12/1506, S. 171). Nur besuchsweise Aufenthalte in der Wohnung, insbesondere, wenn sie im Übrigen von anderen Personen genutzt wird, reichen dagegen für die Förderung nach § 10h EStG nicht aus (vgl. Meyer in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., Anm. 47).

Der Angehörige muss die tatsächliche Sachherrschaft über die Wohnung haben. Ausdruck hierfür sind beispielsweise das unbeschränkte Zutrittsrecht zu der Wohnung, das Recht, über den Zutritt anderer Personen selbständig zu bestimmen, sowie die den persönlichen und wirtschaftlichen Bedürfnissen des Angehörigen entsprechende Ausstattung (Senatsurteil vom 23. Juli 1997 X R 143/94, BFH/NV 1998, 160, m.w.N., zu § 10e EStG). Diese Kriterien dienen ebenso der Abgrenzung zu anderen Nutzungen aufgrund eines nur vorübergehenden Zwecks.

b) Die Nutzungsbefugnis braucht nicht schriftlich vereinbart zu werden. Sie kann auch auf einer mündlichen oder stillschweigenden Vereinbarung beruhen.

c) Die Förderung steht dem Eigentümer auch zu, wenn er die Wohnung seinen einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kindern auf Dauer zu Wohnzwecken überlässt.

aa) Nach der Rechtsprechung des Senats nutzt der Steuerpflichtige zwar eine Wohnung, die er seinen Kindern außerhalb des Familienhaushalts in Erfüllung seiner unterhaltsrechtlichen Verpflichtung überlässt, zu "eigenen Wohnzwecken" i.S. des § 10e Abs. 1 EStG, so dass ihm hierfür unter den weiteren Voraussetzungen dieser Vorschrift ein Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 EStG zusteht (Senatsurteile vom 26. Januar 1994 X R 94/91, BFHE 173, 345, BStBl II 1994, 544, und X R 11/92, BFH/NV 1994, 846). Der Senat hat zugleich darauf hingewiesen, dass § 10h EStG dieser Auslegung des Begriffs "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" nicht entgegensteht.

Zu Unrecht wird indessen im Schrifttum aus dieser Entscheidung gefolgert, bei Überlassung der Wohnung an ein einkommensteuerlich dem Wohnungseigentümer zuzurechnendes Kind sei ausschließlich § 10e EStG anwendbar; nur bei Überlassung der Wohnung an Kinder, die beim Wohnungseigentümer steuerlich nicht (mehr) zu berücksichtigen seien, komme eine Begünstigung nach § 10h EStG in Betracht (Kleeberg in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 10h Rz. B 15; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 20. Aufl., § 10h Rz. 5; Stephan in Littmann/Bitz/Pust, Einkommensteuergesetz, § 10h Rz. 8).

Diese Schlussfolgerung ist indes unzutreffend. Dem Steuerpflichtigen ist zwar in solchen Fällen das Bewohnen durch die Kinder als Nutzung zu eigenen (seinen) Wohnzwecken zuzurechnen. Da die überlassene Wohnung aber zugleich den Wohnzwecken der Kinder dient, ist auch das Tatbestandsmerkmal des § 10h Satz 2 Nr. 4 EStG "Überlassung an Angehörige zu Wohnzwecken" erfüllt. Auch der Gesetzgeber geht davon aus, dass die Wohneigentumsförderung nach § 10e EStG und diejenige nach § 10h EStG für dieselbe Förderungsmaßnahme in Betracht kommen können. Denn nach § 10h Satz 2 Nr. 5 EStG setzt die Förderung im Sinne des Satzes 1 der Vorschrift voraus, dass der Steuerpflichtige die Aufwendungen - unter anderem - nicht in die Bemessungsgrundlage nach § 10e EStG einbezogen hat.

bb) Soweit die Voraussetzungen sowohl für die Grundförderung nach § 10e EStG als auch für die Begünstigung nach § 10h EStG vorliegen, kann der Steuerpflichtige mithin zwischen beiden Begünstigungen wählen. Da die Kläger für die von ihnen bewohnte Wohnung die Grundförderung nach § 10e Abs. 1 EStG in Anspruch nehmen, kommt nach § 10e Abs. 4 Satz 2 EStG wegen des räumlichen Zusammenhangs im Streitfall daneben eine Förderung der Dachgeschosswohnung nach § 10e Abs. 1 EStG nicht in Betracht, sondern nur die Begünstigung nach § 10h EStG.

2. Das angefochtene Urteil entspricht dessen Grundsätzen. Denn in der Wohnung konnte ihrer Größe und Ausstattung (mit einer voll eingerichteten Küche) nach ein Haushalt von zwei Personen geführt werden. Die Einrichtung der Wohnung durch die Töchter mit eigenen Möbeln ist darüber hinaus ebenso ein wesentliches Indiz für eine von den Klägern und ihren Kindern vereinbarte dauerhafte Wohnnutzung wie die tatsächlich in der Zeit von der Fertigstellung im Jahre 1992 bis zur mündlichen Verhandlung des FG fortgesetzte Nutzung durch die Töchter. Anhaltspunkte dafür, dass die Wohnung in Zeiten der Abwesenheit der Töchter - insbesondere während der Semester - durch die Kläger anderen Familienangehörigen überlassen wurde und deshalb Zweifel an einem Wohnrecht der Töchter aus eigenem Recht bestehen könnten, sind im finanzgerichtlichen Verfahren weder vorgetragen worden noch sonst aus dem im FG-Urteil festgestellten Akteninhalt ersichtlich.