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  BFH-Urteil vom 16.1.2002 (II R 15/00) BStBl. 2002 II S. 314

1. Behält sich der Zuwendende, der seinem Sohn ein Grundstück schenkt, einen lebenslänglichen Nießbrauch daran vor, und übernimmt er die anfallende Schenkungsteuer, ist die gemäß § 10 Abs. 2 ErbStG dem Erwerb hinzuzurechnende Steuer nach dem gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 und 2 ErbStG sofort zu zahlenden Steuerbetrag zuzüglich eines Betrages in Höhe des Ablösungsbetrages nach Satz 3 der Vorschrift zu berechnen.

2. Dies gilt unabhängig sowohl davon, ob der Zuwendende seinerseits von der Ablösung nach § 25 Abs. 1 Satz 3 ErbStG Gebrauch macht, als auch davon, ob der Sohn die Ablösung gewählt hätte, wenn die Steuer von ihm zu tragen gewesen wäre.

ErbStG § 10 Abs. 2, § 25 Abs. 1.

Vorinstanz: FG München (EFG 2000, 85)

Sachverhalt

I.

Durch notariell beurkundeten Vertrag vom ... 1993 übertrug der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) das Grundstück mit einem Einheitswert von 1.158.400 DM schenkweise auf den Sohn, behielt sich aber einen lebenslänglichen Nießbrauch an dem Grundstück vor. Außerdem übernahm er die anfallende Schenkungsteuer.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) berechnete daraufhin gemäß § 10 Abs. 1 und 2 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) 1974 die mit Bescheid vom 30. Mai 1995 gegenüber dem Kläger auf 187.022 DM festgesetzte Steuer sowie den Stundungs- und den Ablösungsbetrag wie folgt:

  Wert des Erwerbs gemäß    
  § 10 Abs. 1 ErbStG    
  140% von 1.158.400 DM =

1.621.760 DM

 
       
+ vom Schenker übernommene    
  Steuer gemäß § 10 Abs. 2    
  ErbStG = 11% aus    
  (1.621.700 DM ./. 90.000 DM)

168.487 DM

 
   

---------------------

 
= Wert des Erwerbs gemäß    
  § 10 Abs. 2 ErbStG

1.790.247 DM

 
       
./. Freibetrag

90.000 DM

 
   

--------------------

 
= steuerpflichtiger Erwerb

1.700.247 DM

 
       
  Steuer = 11% aus abge-    
  rundetem Betrag  

187.022 DM

       
./. Belastung nach § 25 Abs. 1    
  ErbStG (Nießbrauch)    
  Jahreswert = 1/18,6 aus    
  1.621.760 DM = 87.191 DM    
  Kapitalwert = 87,191 x 11,075

965.645 DM

 
   

-------------------

 
= um Belastung gekürzter    
  Wert des Erwerbs

734.602 DM

 
       
  zu zahlende Steuer = 9%    
  aus abgerundetem Betrag  

66.114 DM

     

------------------

= gemäß § 25 Abs. 1 ErbStG    
  zu stundender Betrag  

120.908 DM

       
  abzulösender Betrag    
  = 120.908 DM x 0,325 =  

39.295 DM

     

=========

Der Kläger, der sich gemäß § 25 Abs. 1 Satz 3 ErbStG 1974 für die Ablösung der nach Satz 2 der Vorschrift zu stundenden Steuer entschied, begehrte demgegenüber, den in der Übernahme der Steuer liegenden weiteren schenkweisen Erwerb gemäß § 10 Abs.2 ErbStG 1974 entgegen H 27 des Amtlichen Erbschaftsteuer-Handbuchs 1999 (ErbStH 1999) nicht mit dem sich aus § 25 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes ergebenden vollen Steuerbetrag, sondern lediglich mit dem sofort zu entrichtenden Teilbetrag zuzüglich des Ablösungsbetrages nach Satz 3 der Vorschrift anzusetzen. Auf diese Weise gelangte er zu folgenden Steuer-, Stundungs- und Ablösungsbeträgen:

1. Ermittlung der vom Schenker    
  übernommenen Steuer:    
       
a) Wert des Erwerbs gemäß § 10    
  Abs. 1 ErbStG    
  140% von 1.158.400 DM  

1.621.760 DM

       
./. Freibetrag  

90.000 DM

     

--------------------

= steuerpflichtiger Erwerb    
  abgerundet  

1.531.700 DM

       
  Steuer nach Steuerklasse I =    
  11%  

168.487 DM

     

=========

b) Steuerpflichtiger Erwerb    
  nach a)  

1.531.760 DM

     
./. Kapitalwert der Belastung durch    
  den Nießbrauchsvorbehalt    
  1.621.760 DM : 18,6 x 11,075  

965.645 DM

     

------------------

= um Belastung gekürzter Wert    
  des Erwerbs  

566.115 DM

       
  abgerundet  

566.100 DM

       
  Steuer nach Steuerklasse I =    
  sofort zu entrichtende Steuer  

45.288 DM

     

========

c) Schenkungsteuer nach a)  

168.487 DM

       
./. sofort zu entrichtende Steuer  

45.288 DM

     

-----------------

       
= gemäß § 25 Abs. 1 ErbStG    
  zu stundende Steuer  

123.199 DM

       
  bei sofortiger Ablösung der    
  gestundeten Steuer fällige    
  Steuer    
  123.199 DM x 0,325 =  

40.040 DM

       
+ sofort zu entrichtende Steuer    
  nach b)  

45.288 DM

     

----------------

       
= zu übernehmende Steuer    
  nach § 10 Abs. 2 ErbStG  

85.328 DM

       
2. Ansatz des Erwerbs nach § 10    
  Abs. 2 ErbStG:    
       
  Wert des Erwerbs nach § 10    
  Abs. 1 ErbStG  

1.621.760 DM

       
+ errechnete übernommene Steuer    
  gemäß § 10 Abs. 2 ErbStG  

85.328 DM

     

----------------

       
= Wert des Erwerbs nach § 10    
  Abs. 2 ErbStG  

1.707.088 DM

       
./. Freibetrag  

90.000 DM

     

----------------

= steuerpflichtiger Erwerb  

1.617.088 DM

       
  Steuer = 11% aus abgerundetem    
  Betrag  

177.870 DM

     

=========

  Wert des Erwerbs nach § 10    
  Abs. 2 ErbStG  

1.707.088 DM

       
./. Freibetrag  

90.000 DM

     

----------------

     

1.617.088 DM

       
./. Kapitalwert der    
  Nießbrauchsbelastung    
  1.621.760 DM : 18,6 x 11,075  

965.645 DM

     

------------------

= um Belastung gekürzter steuer-    
  pflichtiger Erwerb  

651.443 DM

       
  Steuer = 8,5% aus abgerundetem    
  Betrag    
  = sofort zu zahlende Steuer  

55.369 DM

     

========

       
  Steuer ohne Belastung  

177.870 DM

       
./. sofort zu zahlende Steuer  

55.369 DM

     

----------------

= zu stundende Steuer  

122.501 DM

     

=========

       
  Ablösungsbetrag =    
  122.501 DM x 0,325  

39.813 DM

       
+ sofort zu zahlende Steuer  

55.369 DM

     

----------------

       
= zu zahlende Steuer  

95.182 DM

     

========

Während das FA den Einspruch zurückwies, hatte die Klage Erfolg. Das Finanzgericht (FG) machte sich mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 85 veröffentlichten Urteil die Berechnungsweise des Klägers zu Eigen und führte zur Begründung aus, es widerspreche dem Bereicherungsprinzip, den durch die Übernahme der Schenkungsteuer bewirkten Erwerb auch dann mit dem vollen Steuerbetrag anzusetzen, wenn bereits feststeht, dass es zu keiner Steuerstundung kommt.

Mit der Revision rügt das FA eine fehlerhafte Anwendung des § 10 Abs. 2 ErbStG 1974. Die Vorschrift spreche von der Zusammenrechnung mit der "errechneten Steuer" und nicht mit der nach § 25 Abs. 1 des Gesetzes zu zahlenden Steuer. § 25 Abs. 1 ErbStG 1974 regele lediglich die Fälligkeit der an sich ohne Berücksichtigung der Nießbrauchslast entstandenen Steuer und versehe diese Fälligkeitsregelung mit einer Ablösemöglichkeit. Folgte man der Berechnungsweise des Klägers, verdoppelte sich der Ablöseeffekt.

Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.

Die Auffassung des FA widerspreche dem sog. objektiven Nettoprinzip, das das Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht präge und wonach nur der durch den Vermögensanfall ausgelöste Nettovermögenszuwachs besteuert werden dürfe.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat zutreffend den mit der Übernahme der Schenkungsteuer durch den Kläger bewirkten zusätzlichen Erwerb nur mit dem Betrag angesetzt, der sich aus der Addition der gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 und 2 ErbStG 1974 sofort zu zahlenden Steuer und eines Betrages in Höhe des Ablösungsbetrages gemäß Satz 3 der Vorschrift ergibt. Dieser Ansatz wäre selbst dann richtig, wenn sich der Kläger nicht für eine Ablösung nach § 25 Abs. 1 Satz 3 ErbStG 1974 entschieden hätte. Denn die zu stundende Steuer hätte den beschenkten Sohn ohne deren Übernahme durch den Kläger im Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung der Hauptsache nur in Höhe des nach § 12 Abs. 3 des Bewertungsgesetzes (BewG) zu berechnenden abgezinsten Betrages belastet. Auch dies gilt unabhängig davon, ob der Sohn seinerseits von der Ablösungsmöglichkeit des § 25 Abs. 1 Satz 3 ErbStG 1974 Gebrauch gemacht hätte oder nicht.

1. Bei einer freigebigen Zuwendung sind gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG 1974 sowohl der Beschenkte als auch der Schenker Steuerschuldner, denen dabei gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) die Stellung von Gesamtschuldnern zukommt. Dies besagt allerdings nichts darüber, wie sich die Steuerlast nach zivilrechtlichen Grundsätzen im Innenverhältnis verteilt (vgl. Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, § 10 Anm. 71); im Regelfall ist die Steuer im Innenverhältnis vom Beschenkten zu tragen (Meincke, Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 12. Aufl. 1999, § 10 Anm. 24). Daher kommt der Vorschrift des § 10 Abs. 2 ErbStG 1974, wonach die Übernahme der Steuer durch den Schenker als weiterer schenkweiser Erwerb gilt, regelmäßig nur deklaratorische Bedeutung zu (vgl. Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, a.a.O., § 10 Anm. 73; Meincke, a.a.O., § 10 Anm. 24). Von konstitutiver Bedeutung ist die Vorschrift dabei nur (negativ) insoweit, als sie verhindert, fortlaufend die Steuer auf die übernommene Steuer als weitere freigebige Zuwendungen erfassen zu müssen. Für den Bereich ihrer deklaratorischen Bedeutung bleibt die Vorschrift den Voraussetzungen verhaftet, die gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974 für eine freigebige Zuwendung erforderlich sind und wonach der Bedachte auf Kosten des Zuwendenden bereichert sein muss. Dem steht im Gegensatz zur Auffassung des FA die Formulierung in § 10 Abs. 2 ErbStG 1974, wonach im Falle der Übernahme der Steuer durch den Beschenkten als Erwerb der Betrag gilt, der sich bei einer Zusammenrechnung des Erwerbs nach Abs. 1 der Vorschrift mit der aus ihm errechneten Steuer ergibt, nicht entgegen. Dem Begriff des "Errechnens" kommt insoweit keine den Zuwendungstatbestand ausweitende, sondern lediglich die oben beschriebene einschränkende Wirkung, die fortlaufende Erfassung der Steuer von der Steuer zu verhindern, zu.

2. Für Sachverhalte, die - wie im Streitfall - sowohl dem § 10 Abs. 2 ErbStG 1974 als auch dem § 25 Abs. 1 des Gesetzes unterfallen - weil einerseits Vermögen erworben wird, dessen Nutzung dem Schenker oder seinem Ehegatten zusteht, und andererseits der Schenker die Steuer übernommen hat -, folgt daraus, dass die errechnete Steuer i.S. des § 10 Abs. 2 ErbStG 1974 unabhängig davon, ob der Beschenkte ohne die Übernahme der Steuer durch den Schenker von der Möglichkeit der Ablösung nach § 25 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes Gebrauch gemacht hätte oder nicht, nur die nach dieser Vorschrift sofort zu zahlende Steuer zuzüglich des Ablösungsbetrages sein kann (a.A. Kapp/Ebeling, Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 41. Lfg. April 2001, § 10 Anm. 60; Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, a.a.O., § 10 Anm. 82, sowie Moench, Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 31. Lfg. Dezember 2000, § 10 Anm. 40). Denn nur in diesem Umfang ist der Beschenkte durch die Übernahme der Steuer i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974 bereichert. Selbst wenn der Beschenkte es ohne die Übernahme der Steuer durch den Schenker bei der zinslosen Steuerstundung gemäß § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG 1974 belassen hätte, wäre er im Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung der Hauptsache neben der sofort zu zahlenden Steuer nicht in Höhe des gestundeten Steuerbetrages, sondern nur in Höhe des auf diesen Ausführungszeitpunkt abgezinsten Betrages belastet gewesen. Infolgedessen kann er durch die Übernahme der Steuer durch den Schenker auch nur in Höhe dieses abgezinsten Betrages bereichert sein (so auch Schuck in Viskorf/Glier/Hübner/Knobel/Schuck, Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, Kommentar, 2001, § 10 ErbStG Anm. 40; Schmitt in Neue Wirtschafts-Briefe - NWB - Fach 10, S. 871).

3. Soweit das FA sein Verständnis von der "errechneten Steuer" i.S. des § 10 Abs. 2 ErbStG 1974 damit begründet, dass § 25 Abs. 1 des Gesetzes lediglich eine Fälligkeitsregelung enthält, kann ihm nicht gefolgt werden. Den Schwerpunkt der Vorschrift - und damit auch den Auslöser für die Folgeregelungen der Sätze 2 und 3 - bildet nämlich Satz 1 der Vorschrift, wonach der an sich gebotene Abzug des Werts der Duldungs- und Nutzungsauflagen, soweit diese dem Schenker oder seinem Ehegatten zugute kommen, systemwidrig ausgeschlossen wird. Noch bis zum In-Kraft-Treten des Erbschaftsteuerreformgesetzes vom 17. April 1974 (BGBl I, 933) unterlag der Saldo aus dem Wert des erworbenen Vermögens abzüglich des Kapitalwerts des Nutzungsrechts ohne Ausnahme der Sofortversteuerung und konnte der Steuerpflichtige gemäß § 31 Abs. 1 ErbStG 1959 darüber hinaus verlangen, dass die Versteuerung bis zum Erlöschen des Nutzungsrechts ausgesetzt blieb (vgl. dazu Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, a.a.O., § 25 Anm. 6). Mit dem grundsätzlichen Ausschluss der Saldierung geht § 25 Abs. 1 ErbStG 1974 über eine bloße Fälligkeitsregelung hinaus. Die darin an sich liegende Systemwidrigkeit wird allerdings durch die teilweise Stundung der Steuer sowie durch die Möglichkeit einer Ablösung der gestundeten Steuer in ihrer Wirkung soweit ausgeglichen, dass sich eine ausgewogene Gesamtregelung ergibt. Die Art und Weise aber, wie das FA dem § 25 Abs. 1 ErbStG 1974 im Rahmen des § 10 Abs. 2 des Gesetzes Geltung verschaffen will, nimmt der Stundungsregelung ihre Ausgleichswirkung und lässt insoweit den Systembruch ungemildert auf den Schenker durchschlagen. Folgte man dem, würde das aufeinander abgestimmte Gefüge der Sätze 1 bis 3 des § 25 Abs. 1 ErbStG 1974 gesprengt.

Die vom FA darüber hinaus bemängelte zweimalige Anwendung der Ablösungsmöglichkeit des § 25 Abs. 1 Satz 3 ErbStG 1974 liegt nicht vor. Dass die übernommene Steuer insoweit, als sie auf den Kapitalwert der Belastung entfällt, nur mit dem abgezinsten Betrag in die Bemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 2 ErbStG 1974 eingeht, beruht nicht auf einer Anwendung des § 25 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes, sondern auf § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974 und dem danach zu erfüllenden Tatbestandsmerkmal einer Bereicherung des Beschenkten.