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  BFH-Urteil vom 28.5.1998 (IV R 31/97) BStBl. 2000 II S. 286

Wer als Pächter Betriebsvorrichtungen im Wege der sog. eisernen Verpachtung übernommen hat, kann den Wertverzehr für diese Wirtschaftsgüter nur dann gewinnmindernd berücksichtigen, wenn er ihn nach den Vereinbarungen im Pachtvertrag auch zu tragen hat. Sind für wesentliche Bestandteile von Grundstücken oder Gebäuden, deren Unterhaltung dem Verpächter obliegt, keine besonderen Regelungen getroffen worden, trägt der Pächter den Wertverzehr insoweit nicht.

EStG §§ 4 Abs. 1, 7 Abs. 1; BGB §§ 582, 582a.

Vorinstanz: FG Münster (EFG 1997, 727)

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind zusammenveranlagte Ehegatten. Der Kläger unterhält einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb, der ihm von seinem Vater durch Vertrag vom 23. Juni 1981 im Wege vorweggenommener Erbfolge zu Eigentum übertragen worden war. Dabei hatte sich der Vater ein Nießbrauchsrecht vorbehalten und mit Wirkung zum 1. Juli 1981 den Betrieb an den Kläger verpachtet. Der Pachtzins belief sich auf 18.000 DM pro Jahr und war in Monatsraten von 1.500 DM zu zahlen. Der Pachtvertrag war unter Verwendung eines Formulars geschlossen worden. § 4 Abs. 1 bis 3 des Vertrags enthalten Regelungen zum verpachteten Inventar. Nach § 4 Abs. 1 sollte lebendes und totes Inventar dem Pächter als eisernes Inventar übergeben werden, wobei die Inventarwerte dem Buchführungsabschluss vom 30. Juni 1981 zu entnehmen sein sollten. § 4 Abs. 3 lautet:

"Der Pächter trägt die Gefahr des zufälligen Unterganges und einer zufälligen Verschlechterung des Inventars. Er kann über die einzelnen Stücke im Rahmen einer ordnungsmäßigen Wirtschaft verfügen. Er hat das Inventar nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft zu erhalten. Die von ihm angeschafften Stücke werden mit der Einverleibung in das Inventar Eigentum des Verpächters."

Unter der Überschrift "Gebäude" heißt es weiter in § 4 Abs. 7 des Vertrags:

"Der bauliche Zustand der zur Pacht gehörenden Gebäude, baulichen Anlagen und Einrichtungen und etwaige Mängel und Schäden werden bei Pachtbeginn von einem Bausachverständigen festgestellt. ... Die bei der Übergabe des Betriebes festgestellten Mängel und Schäden, soweit sie durch laufende Unterhaltung behoben werden können, hat der Pächter unter Verrechnung bei der nächsten Pachtzahlung auf seine Kosten zu beseitigen."

§ 7 des Vertrags enthält folgende Regelung:

"(1) Der Pächter hat die Bauten, Anlagen und Einrichtungen, insbesondere die Wirtschaftsgebäude, die Wege, Gräben, Einfriedungen und Drainagen auf seine Kosten in ordnungsgemäßem Zustand zu erhalten, solange sie nach wirtschaftlichen Grundsätzen durch laufende Ausbesserungen erhalten werden können. ...

(2) Die über Absatz 1 hinausgehenden Herstellungsarbeiten hat der Verpächter durchzuführen. Der Pächter hat die Kosten der notwendigen Herstellungsarbeiten dem Verpächter zu einem Drittel zu ersetzen. Der Verpächter hat jedoch in den letzten drei Pachtjahren die gesamten Kosten zu tragen. ..."

Der Kläger führte die Bilanzansätze seines Vaters für Gebäude, Betriebsvorrichtungen und Maschinen in seinen Bilanzen fort und behandelte die Absetzungen für Abnutzung (AfA) als Betriebsausgaben; sein Vater nahm keine AfA dafür in Anspruch.

Nach einer Außenprüfung schloss sich der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) der Auffassung des Prüfers an, dem Kläger stehe keine AfA für Gebäude, Betriebsvorrichtungen und Maschinen zu, und erließ entsprechend den für die Wirtschaftsjahre 1985/86 und 1986/87 vom Prüfer ermittelten Gewinnerhöhungen geänderte Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre 1985 und 1986.

Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte teilweise Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ging davon aus, der Kläger sei zur Inanspruchnahme der AfA für Betriebsvorrichtungen und Inventar, nicht allerdings für die Gebäude befugt (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1997, 727).

Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung der §§ 2, 7 und 13 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und macht geltend, die AfA auf Betriebsvorrichtungen müsse ebenso wie die Gebäude-AfA beim Verpächter und Vorbehaltsnießbraucher berücksichtigt werden, denn zivilrechtlich seien Betriebsvorrichtungen wesentliche Bestandteile des Gebäudes.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung betreffend die Streitjahre 1985 und 1986 und zu einer geänderten Festsetzung der Einkommensteuer (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Der Kläger kann den Wertverzehr der gepachteten Betriebsvorrichtungen nicht gewinnmindernd berücksichtigen.

1. Ein landwirtschaftlicher Betrieb kann im Rahmen einer sog. eisernen Verpachtung in der Weise verpachtet werden, dass der Pächter Gegenstände des Betriebsvermögens zu ihrem Wert bei Pachtbeginn unter der Verpflichtung übernimmt, bei Pachtende und Rückgabe der zum Betrieb gehörenden Gegenstände Wertausgleich bis zur Höhe des Übernahmewerts zu leisten. Im Unterschied zum Regelfall eines Pachtverhältnisses trägt bei einer solchen Vertragsgestaltung der Pächter den Wertverzehr der überlassenen Gegenstände für die Dauer des Pachtvertrags. Bilanziell ist bei Anlagevermögen nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (Urteile vom 2. November 1965 I 51/61 S, BFHE 84, 171, BStBl III 1966, 61; vom 23. Juni 1966 IV 75/64, BFHE 86, 625, BStBl III 1966, 589) so zu verfahren, dass die betreffenden Wirtschaftsgüter zwar weiter dem Verpächter zuzurechnen und von ihm abzuschreiben sind. Das gilt auch für vom Pächter neu angeschaffte oder hergestellte Ersatzwirtschaftsgüter. Zugleich hat aber der Verpächter einen Anspruch auf Substanzerhaltung zu aktivieren, während der Pächter eine entsprechende Rückstellung zu bilden hat. Die Substanzerhaltungsverpflichtung ist zu jedem Bilanzstichtag unter Berücksichtigung der Wiederbeschaffungskosten zu bewerten (vgl. BFH-Urteil vom 3. Dezember 1991 VIII R 88/87, BFHE 167, 322, BStBl II 1993, 89), so dass sich ihr Wert laufend erhöht und beim Pächter zu einer Gewinnminderung, beim Verpächter dagegen zu einer Gewinnerhöhung führt. Insgesamt betrachtet ergeben sich aus einer derartigen bilanziellen Behandlung der eisernen Verpachtung bei gleichbleibenden Wertverhältnissen in etwa dieselben Gewinnauswirkungen wie bei einer Inanspruchnahme der linearen AfA durch den Pächter.

2. Die Handhabung durch die Rechtsprechung ist als schwer praktikabel kritisiert worden (vgl. z.B. Pape in Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, 3. Aufl. 1983, Loseblatt, Anm. A 615). Für den Fall, dass nicht sowohl Verpächter als auch Pächter ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermitteln, hat die Finanzverwaltung aus Vereinfachungsgründen zugelassen, dass der Pächter AfA auf die eisern überlassenen Wirtschaftsgüter und auf von ihm beschaffte Ersatzwirtschaftsgüter vornehmen darf (Ländererlass vom 10. Mai 1967, BStBl II 1967, 167 i.V.m. Ländererlass vom 17. Dezember 1965, BStBl II 1966, 34; Finanzministerium Niedersachsen vom 30. März 1993, Steuererlasse in Karteiform - StEK -, Einkommensteuergesetz, § 13, Nr. 589).

Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten ist. In bezug auf die dem Kläger überlassenen beweglichen Anlagegüter besteht im Anschluss an das Urteil des FG Einvernehmen zwischen den Beteiligten darüber, dass dem Kläger als Pächter aus Vereinfachungsgründen AfA zustehen sollen, so dass hierüber der Senat nicht zu befinden hat. In bezug auf die Betriebsvorrichtungen kommt eine Gewinnminderung aufgrund des Wertverzehrs für den Kläger bereits deshalb nicht in Betracht, weil er nach dem Pachtvertrag den Wertverzehr insoweit nicht zu tragen hat. Der Kläger könnte danach weder eine Rückstellung für Substanzerhaltung nach den bisherigen Rechtsprechungsgrundsätzen bilden noch unter Vereinfachungsgesichtspunkten AfA auf die Betriebsvorrichtungen in Anspruch nehmen.

3. Nach § 4 Abs. 1 des Pachtvertrags sollte dem Pächter das zum Hof gehörige lebende und tote Inventar als eisernes Inventar übergeben werden. Für zur Pacht gehörende Gebäude, bauliche Anlagen und Einrichtungen war demgegenüber nach § 4 Abs. 7 des Pachtvertrags vereinbart, dass bei Pachtbeginn bestehende Mängel vom Pächter auf Kosten des Verpächters beseitigt werden sollten, soweit dies im Rahmen laufender Unterhaltung möglich war. Die laufende Instandhaltung sollte dem Pächter obliegen, soweit die Erhaltung nach wirtschaftlichen Grundsätzen durch laufende Ausbesserungen erfolgen kann. Darüber hinausgehende Herstellungsarbeiten sollte der Verpächter vorzunehmen haben, wobei der Pächter - mit Ausnahme von Arbeiten in den letzten drei Pachtjahren - zum Ersatz eines Drittels der Kosten verpflichtet sein sollte.

4. Die im Streitfall vorhandenen Betriebsvorrichtungen, wie Lager-, Energieversorgungs- und Klimatisierungsanlagen gehören nicht zum Inventar im Sinne des Pachtvertrags, sondern zu den dort genannten baulichen Anlagen.

a) Der Begriff des Inventars ist im Vertragswerk nicht näher präzisiert. Sein Inhalt muss durch Auslegung ermittelt werden. Hierfür ergeben sich mehrere Anhaltspunkte. Zum einen ist in § 4 Abs. 3 des Pachtvertrags geregelt, dass der Pächter über die einzelnen Stücke des Inventars im Rahmen einer ordnungsmäßigen Wirtschaft verfügen können soll. Eine solche Verfügung ist nur denkbar, wenn an dem jeweiligen Gegenstand eigenständige dingliche Rechte begründet werden können, wie etwa bei beweglichen Sachen. An wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks oder Gebäudes können nach § 93 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) jedoch keine eigenständigen Rechte begründet werden. Was wesentlicher Bestandteil eines Grundstücks oder Gebäudes ist, kann folglich kein Inventar im Sinne des Pachtvertrags sein. In gleicher Weise ist auch der Begriff des Inventars i.S. der §§ 582, 582a BGB zu verstehen. Auf diese bürgerlich-rechtlichen Vorschriften, die mit Wirkung vom 1. Juni 1986 an (Gesetz zur Neuordnung des landwirtschaftlichen Pachtrechts vom 8. November 1985, BGBl I 1985, 2065) die früheren §§ 586 - 589 BGB a.F. im Hinblick auf den Inventarbegriff unverändert fortgeführt haben, kann zur Auslegung des Vertrags zurückgegriffen werden, denn sie liegen offensichtlich den Vertragsbestimmungen in § 4 Abs. 1 bis 3 zugrunde. Inventar i.S. der §§ 582, 582a BGB ist die Gesamtheit der beweglichen Sachen, die in einem entsprechenden räumlichen Verhältnis zum Pachtgrundstück stehen und dazu bestimmt sind, das Grundstück entsprechend seinem wirtschaftlichen Zweck durch einen Betrieb zu nutzen (Palandt/Putzo, Bürgerliches Gesetzbuch, 57. Aufl. 1998, § 582 Rn. 2), also im wesentlichen das Zubehör i.S. der §§ 97, 98 BGB. Unbewegliche Sachen sowie deren wesentliche Bestandteile gehören nicht zum Inventar im Sinne der bürgerlich-rechtlichen Regelungen (Lukanow in Faßbender/Hötzel/Lukanow, Landpachtrecht, 2. Aufl. 1993, § 582 BGB Rn. 5).

b) Die im Streitfall vorhandenen Betriebsvorrichtungen sind sämtlich wesentliche Bestandteile eines Grundstücks bzw. eines Gebäudes. Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks gehören die mit dem Grund und Boden festverbundenen Sachen (§ 94 Abs. 1 Satz 1 BGB), also bauliche Anlagen wie Silos oder Güllebehälter. Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Gebäudes gehören die zur Herstellung des Gebäudes eingefügten Sachen, also Heizung, Klimatisierungs- und Energieversorgungsanlagen. Eine Getreidetrocknung ist wesentlicher Bestandteil des Betriebsgebäudes, weil sie - wenn nicht bereits bei Herstellung des Gebäudes eingebaut - speziell auf das Gebäude zugeschnitten ist und bei einem Ausbau zerstört und das Gebäude in seinem Wesen verändert würde (§ 93 BGB; gl. A. Lukanow, a.a.O., Rn. 13). Sämtliche Betriebsvorrichtungen gehören deshalb nicht zum Inventar, sondern zu Gebäuden oder baulichen Anlagen i.S. des § 4 Abs. 7 des Pachtvertrags, deren Wertverzehr nicht vom Pächter, sondern vom Verpächter zu tragen war.

5. Das FG hat rechtsfehlerhaft darauf abgehoben, dass Betriebsvorrichtungen nach steuerrechtlicher Beurteilung wie bewegliche Wirtschaftsgüter behandelt werden, auch wenn sie wesentliche Bestandteile sind (§ 68 Abs. 2 Nr. 2 des Bewertungsgesetzes). Aus dieser steuerrechtlichen Einordnung ergibt sich jedoch nichts für die hier entscheidungserhebliche Frage, wer den Wertverzehr einer Betriebsvorrichtung trägt. Dies bestimmt sich allein nach der zivilrechtlichen Gestaltung, wenn auch nicht notwendigerweise nach dem zivilrechtlichen Eigentum. Die steuerliche Behandlung als bewegliches Wirtschaftsgut hat lediglich insoweit Bedeutung, als eine Betriebsvorrichtung nicht zwingend demjenigen zuzurechnen ist, der zivilrechtlicher oder wirtschaftlicher Eigentümer des Grundstücks oder Gebäudes ist (§ 39 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Das wirtschaftliche Eigentum an der Betriebsvorrichtung ist eigenständig zu beurteilen. Selbst wenn aber im Rahmen einer eisernen Verpachtung entgegen der Rechtsprechung des BFH der Pächter wegen der ihm eingeräumten Verfügungsmacht als wirtschaftlicher Eigentümer anzusehen sein sollte, so kann das für Betriebsvorrichtungen, die wesentliche Bestandteile des Grundstücks oder Gebäudes sind, im Hinblick auf die fehlende Möglichkeit zu einer gesonderten Verfügung nicht gelten.

6. Aus dem Umstand, dass der Kläger bereits zivilrechtlicher Eigentümer der Grundstücke, Gebäude und damit auch der wesentlichen Bestandteile dieser Grundstücke und Gebäude war, ergeben sich keine Besonderheiten für die Frage, wer den Wertverzehr der Betriebsvorrichtungen zu tragen hat. Aus dem für alle Einkunftsarten geltenden Nettoprinzip folgt nach der Rechtsprechung des BFH, dass sich noch nicht verbrauchter eigener Aufwand eines Steuerpflichtigen für ihn steuermindernd auch dann noch auswirkt, wenn das Wirtschaftsgut, für das die Aufwendungen getätigt worden sind, zwar auf einen Dritten übertragen worden ist, es aber vom Steuerpflichtigen weiterhin für Zwecke der Einkunftserzielung genutzt werden darf (BFH-Beschluss vom 30. Januar 1995 GrS 4/92, BFHE 176, 267, BStBl II 1995, 281 unter C. III.). Daraus folgt für den Fall einer unentgeltlichen Übertragung eines Betriebs unter Vorbehalt des Nießbrauchs, dass der Nießbraucher weiter den Wertverzehr des unverändert von ihm zur Einkunftserzielung genutzten Betriebsvermögens gewinnmindernd geltend machen kann. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob er den Betrieb weiterhin aktiv selbst betreibt oder ihn an den Eigentümer oder einen Dritten verpachtet.

7. Die Sache ist entscheidungsreif, der Senat kann selbst entscheiden. Die angefochtenen Bescheide sind mit der Maßgabe zu ändern, dass der Gewinn um die im Revisionsverfahren nicht mehr streitige AfA für das Inventar zu mindern ist.