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  BFH-Urteil vom 25.2.1999 (IV R 55/97) BStBl. 1999 II S. 473

Eine Vorfälligkeitsentschädigung ist Entgelt für den vorzeitig zurückgezahlten Kredit und gehört deshalb zu den Dauerschuldzinsen i. S. des § 8 Nr. 1 GewStG.

GewStG § 8 Nr. 1.

Vorinstanz: FG Münster (EFG 1997, 1253)

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) unterhält einen Gewerbebetrieb. Zur nicht nur vorübergehenden Verstärkung ihres Betriebskapitals hatte sie Bankdarlehen aufgenommen. Im Streitjahr 1992 löste sie mehrere Darlehen im Einvernehmen mit den Gläubigern vorzeitig ab und zahlte dafür vereinbarungsgemäß Vorfälligkeitsentschädigungen von insgesamt 210.547 DM. Diesen Betrag behandelte die Klägerin als Betriebsausgabe, wies ihn in der Gewerbesteuererklärung für das Streitjahr jedoch nicht als Dauerschuldzinsen aus.

Nach Durchführung einer Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, es handele sich bei den Vorfälligkeitsentschädigungen um Dauerschuldzinsen und rechnete sie zur Hälfte (105.274 DM) bei der Ermittlung des Gewerbeertrags dem Gewinn hinzu.

Einspruch und Klage gegen den Gewerbesteuermeßbescheid hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 1253 veröffentlichten Entscheidung im wesentlichen aus, die abgelösten Darlehen seien Dauerschulden gewesen, die Vorfälligkeitsentschädigungen ein "Entgelt" für die abgelösten Dauerschulden i. S. des § 8 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG).

Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 8 Nr. 1 GewStG. Eine Vorfälligkeitsentschädigung sei kein Entgelt für die Kapitalnutzung, sondern der Ersatz eines dem Kreditinstitut durch die Vertragsbeendigung entstehenden Schadens.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des FG-Urteils und der Einspruchsentscheidung den Gewerbesteuermeßbescheid 1992 zu ändern und den Gewerbesteuermeßbetrag entsprechend herabzusetzen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat zutreffend Vorfälligkeitsentschädigungen als Entgelt für Dauerschulden angesehen.

1. Nach § 8 Nr. 1 GewStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung des Steuerreformgesetzes (StRG) 1990 (BGBl I 1988, 1093, BStBl I 1988, 224) werden bei der Ermittlung des Gewerbeertrags dem Gewinn die Hälfte der Entgelte für Schulden hinzugerechnet, die wirtschaftlich mit der Gründung oder dem Erwerb des Betriebs oder eines Anteils am Betrieb oder mit einer Erweiterung oder Verbesserung des Betriebs zusammenhängen oder der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind.

Im Streitfall hatte die Klägerin nach den nicht angegriffenen Feststellungen des FG mehrere Kredite aufgenommen, die der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienten. Die Hälfte der als Betriebsausgaben behandelten Entgelte für diese Kredite ist dementsprechend bei der Ermittlung des Gewerbeertrags dem Gewinn hinzuzurechnen.

2. Die im Streitjahr gewinnmindernd erfaßten Vorfälligkeitsentschädigungen sind Entgelt für die vorzeitig zurückgezahlten Kredite i. S. des § 8 Nr. 1 GewStG.

a) Entgelt für Schulden ist die Gegenleistung für die Zurverfügungstellung von Fremdkapital (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Juli 1996 I R 12/96, BFHE 181, 86, BStBl II 1997, 253). Dazu gehören in erster Linie die laufenden Zinsen im Sinne des bürgerlichen Rechts (§§ 246, 248 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches).

b) Der Begriff des Entgelts umfaßt aber auch andere Leistungen, die der Kreditnehmer für die Nutzung des Fremdkapitals an den Kreditgeber zu erbringen hat. Dies ergibt sich daraus, daß der Begriff "Entgelte" durch das StRG 1990 an Stelle des Begriffs "Zinsen" in § 8 Nr. 1 GewStG eingefügt worden ist.

Nach der Begründung zum Gesetzentwurf war Anlaß für die Änderung, daß auch gewinnabhängige Vergütungen für die Nutzung von Fremdkapital zur Hinzurechnung führen sollten, was unter der Geltung des früheren Wortlauts nach der Rechtsprechung des BFH nicht möglich war (vgl. BFH-Urteil vom 8. März 1984 I R 31/80, BFHE 141, 158, BStBl II 1984, 623). Darüber hinaus wurde es aber zudem als sachgerecht betrachtet, "auch solche Entgelte für die langfristige Nutzung von Fremdkapital in die Bemessungsgrundlage Gewerbeertrag einzubeziehen, die zwar nicht als Zinsen bezeichnet werden, aber Zinscharakter haben, wie z. B. das Damnum", das eine Zinskorrekturfunktion habe (BTDrucks. 11/2157, S. 175).

c) Der Begriff des Entgelts umfaßt demnach jedenfalls solche Leistungen des Kreditnehmers, die als Gegenleistung für die eigentliche Nutzungsmöglichkeit des Fremdkapitals erbracht werden. Zu diesen Leistungen gehört auch eine Vorfälligkeitsentschädigung (gl. A. Blümich/Hofmeister, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 8 GewStG Rz. 59; Glanegger/Güroff, Gewerbesteuergesetz, 3. Aufl. 1994, § 8 Nr. 1 Anm. 33; Muhler, Finanz-Rundschau 1988, 524; zweifelnd Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, 9. Aufl., § 8 Nr. 1 Anm. 354).

Wie der Bundesgerichtshof in seinen Urteilen vom 1. Juli 1997 XI ZR 267/96 (BGHZ 136, 161) und XI ZR 197/96 (Neue Juristische Wochenschrift 1997, 2878) entschieden hat, führt die vorzeitige Kreditabwicklung gegen Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung nicht zu einer Vertragsaufhebung, sondern zu einer Änderung des Kreditvertrags insoweit, als die ursprünglich vereinbarte zeitlich begrenzte Erfüllungssperre beseitigt und dadurch der Erfüllungszeitpunkt vorverlegt wird. Der Anspruch des Darlehensgebers reduziert sich zugleich auf die Vorfälligkeitsentschädigung zum Ausgleich des finanziellen Nachteils, der durch die vorzeitige Ablösung des Darlehens entsteht und den Zinsmargenschaden, den Zinsverschlechterungsschaden und die mit der vorzeitigen Abwicklung entstehenden Verwaltungskosten umfaßt.

Daraus ergibt sich, daß die Vorfälligkeitsentschädigung Bestandteil der auf die (verkürzte) Gesamtlaufzeit des Kredits bezogenen Gegenleistung des Darlehensnehmers für die Inanspruchnahme des Fremdkapitals ist (vgl. BFH-Urteil vom 20. März 1980 V R 32/76, BFHE 130, 435, BStBl II 1980, 538; FG Düsseldorf, Urteil vom 9. Juni 1988 15/2 K 89/84 F, G, BB, EFG 1988, 551, rkr.). Daß die Vorfälligkeitsentschädigung in Abhängigkeit von dem Schaden des Darlehensgebers durch die vorzeitige Abwicklung zu berechnen ist, ändert an dieser Beurteilung entgegen der Auffassung der Revision nichts. Rechtsgrund für die Zahlung ist weiterhin der Darlehensvertrag, wenn auch in seiner geänderten Fassung.

d) Diese Auffassung steht nicht im Widerspruch zu dem BFH-Urteil vom 21. Februar 1995 VIII R 6/92 (BFH/NV 1995, 1010). Dort hatte der VIII. Senat des BFH eine Vorfälligkeitsentschädigung nicht als Dauerschuldzinsen beurteilt. Die Entscheidung betrifft aber ein Streitjahr, für das noch die alte Fassung des § 8 Nr. 1 GewStG anzuwenden war.

Auch das zu Bereitstellungszinsen ergangene BFH-Urteil in BFHE 181, 86, BStBl II 1997, 253 steht nicht entgegen. Während bei Bereitstellungszinsen eine Dauerschuld überhaupt noch nicht existiert, für die ein Entgelt geleistet worden sein könnte, ist die Vorfälligkeitsentschädigung dem abgelösten und als Dauerschuld beurteilten Kredit zuzuordnen.

3. Von den dargestellten Grundsätzen ist das FG im Streitfall ausgegangen und hat zutreffend die Hälfte der gewinnmindernd erfaßten Vorfälligkeitsentschädigungen dem Gewinn bei der Ermittlung des Gewerbeertrags hinzugerechnet. Die Revision kann deshalb keinen Erfolg haben.